Alle zwei Jahre dasselbe Thema wieder. Vor vier Jahren habe ich den eSport für tot erklärt, vor zwei Jahren das Thema in eine Nische geschoben und im Jahr 2016 hat sich eigentlich wenig verändert. Der letzte Satz ist im Prinzip ein Trigger für Aktivität in den Kommentaren, da meine Annahme offensichtlich falsch sein muss, denn wenn es nach der einschlägigen Berichterstattung geht, erlebte das kompetitive Spielen von Videospielen im letzten Jahr einen massiven Aufschwung, welcher sich auch heuer fortzusetzen scheint. Aber schalten wir mal einen Gang zurück, ignorieren die künstlich erzeugte Euphorie und betrachten den Status quo.
Aus subjektiver Sicht gab es einige nennenswerte Momente in den letzten Monaten. Bei Dota 2 wären dies die jährlich massiv wachsende Finalveranstaltung der internationalen Meisterschaft mit einem Preisgeld von mehr als 17 Millionen Euro und gut besuchte Turnierableger wie das ESL One Frankfurt 2015 Turnier. Microsoft startete einen Testlauf mit einer Halo 2: Anniversary Turnierserie, erweiterte die eSport-Bemühungen mittlerweile mit einem Ableger für Gears of War und baute auch die Halo Championship Series massiv aus. Microsoft steht nicht alleine da, denn Ubisoft kündigte erst vor wenigen Tagen die mit 100.000 US $ dotierte Tom Clancy’s Rainbow Six Pro League an, Activision hat seit Jahren die Call of Duty World League und Electronic Arts fokussiert das Thema mit der EA Competitive Gaming Division sogar als eigenen Geschäftszweig. Activision Blizzard übernahm die Geschäfte der in den USA stark vertretenen Major League Gaming und Turtle Entertainment, die Fima hinter der Electronic Sports League, wurde vom schwedischen Medienkonzern Modern Times Group übernommen, welcher sich kurz danach auch den digitalen Eventveranstalter DreamHack einverleibte. Kurz um: Alles wird größer, alles wird besser, alles wird schöner. Das kompetitive Spielen von Videospielen wandert auch in Richtung der Videospielkonsolen, die Preisgelder steigen deutlich, immer mehr Videospielhersteller setzen auf das Thema und klassische Medienkonzerne investieren ebenso in diesem Segment.
Ich lasse den Vergleich zwischen eSport und Sport dieses Mal beiseite und verzichte auf die detaillierte Definition von Sport als Abbild und Mikrokosmos unserer Gesellschaft mit erzieherischer, gesundheitsfördernder sowie gesellschaftlich-sozialer Funktion. Es wäre auch absolut in Ordnung wenn meine früheren Beiträge zu dem Thema falsch sind, sind sie aber nicht. Vielmehr sind die 2012 und 2014 aufgestellten Beobachtungen auch 2016 gültig, denn alles was 2016 als eSport deklariert wird, ist das Umsetzen einer weiteren Marketingstrategie durch die Hersteller von Videospielen, welche schlussendlich zur stärkeren Bindung von Kunden und dem Erzeugen zusätzlicher Einkommensquellen dienen soll. Der sekundäre Effekt ist die Monetisierung von Veranstaltungen wenn es der Markt zulässt und derzeit sieht es in diesem Segment wieder besser aus als noch vor ein paar Jahren.
Kundenbindung an ein Videospiel ist 2016 wichtiger als noch vor einem Jahrzehnt, da Videospiele immer stärker zu Plattformen mit langfristigen Einkommensquellen werden und sich vom klassischen Einmalverkauf entfernen. Das größte Ziel ist es einen Spieler möglichst lange bei einem Titel zu halten, da er dadurch weniger andere Videospiel kauft und auch spielt. Je mehr Zeit mit einem Produkt verbracht wird, desto höher ist gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass optionale kostenpflichtige Inhalte erworben werden. Liegt zum einen daran, dass ein paar Euro für die investierte Spielzeit subjektiv günstig erscheinen und durch den Verzicht auf andere Videospiele die persönliche Haushaltskasse für das Freizeitvergnügen tendenziell ein Plus aufweist. Die Videospielhersteller haben hierzu klassische Inhalte zum Herunterladen wie Kartenpakete mittlerweile durch generischere sowie einmalig nutzbare Inhalte ersetzt. Dazu zählen Lackierungen für Waffen, Skins für die Spielfigur oder einmal nutzbare Inhalte wie spezielle Waffen oder Fahrzeuge, die nur kurzfristig einen Vorteil verschaffen und im Regelfall auch ohne reales Geld durch langfristiges Spielen freigeschaltet werden können.
Wie schafft man diese Bindung? Durch permanente Bespaßung. Es muss immer etwas Neues geben und es darf dem Spieler nie langweilig werden. Dies passiert mit neuen Spielkarten, neuen Spielmodi mit neuen Regeln und dem sich langsam etablierenden passenden eSport Turnierkonzept. Damit durchbricht man gleichzeitig auch das Medium selbst, da man aufgrund der permanenten Turnieraktivität für zusätzliche Berichterstattung außerhalb des Videospiels sorgt. Diese hat zwar nicht direkt etwas mit dem Videospiel zu tun, aber mit der Welt um den Titel und erweckt gleichzeitig für Spieler den Eindruck, dass genau dieses eine Videospiel eine so umfangreiche und abwechslungsreiche Blase bildet wie sonst kein anderer Titel. Genau bei solchen Turnierkonzepten kommen die zuvor beschriebenen optionalen kostenpflichtigen Inhalte erneut zu tragen, denn die durch den Verkauf erzeugten Einnahmen sorgen primär für die Refinanzierung dieser zusätzlichen Bespaßung. Bei Gears of War waren es spezielle Waffenlackierungen die das Preisgeld der ersten Saison mitfinanziert haben, bei der Halo Championship Series waren es zeitlich limitierte HCS Premium REQ Packs mit sehr seltenen Inhalten die das Preisgeld verdoppelt haben und die 17 Millionen Euro bei der letztjährigen Dota 2 Meisterschaft stammen fast ausschließlich aus dem Verkauf eines digitalen Kompendiums zum Turnier. Die Kosten für diese Inhalte betragen zwischen 5 und 30 Euro und im Falle von Dota 2 wandern 25% der Einnahmen in den Preispool des Turniers, die restlichen 75% in das Budget von Valve als Videospielhersteller, welcher gleichzeitig auch als Veranstalter für die Meisterschaft und die Finalveranstaltung agiert.
Die Turniere selbst und die Veranstaltungen bieten den zweiten lukrativen Ansatz. Die Firmen hinter der Major League Gaming und der Electronic Sports League bieten für solche Turniere die erforderliche Infrastruktur sowie jahrelange Erfahrung in der Abwicklung. Videospielhersteller greifen auf diese Bereiche als Dienstleistung zurück und bilden die gewünschten Turnierkonzepte darüber ab. In den meisten Fällen ist dies tatsächlich als reine Dienstleistung ohne aktive Beteiligung zu sehen, wobei bei Videospielen mit einer massiven Spielerbasis auch das Veranstalten eigenständiger lizensierter Veranstaltungen möglich ist. Die Electronic Sports League beschreibt solche Veranstaltungen als ESL Mega Events. Darunter fallen zum Beispiel das ESL One Frankfurt Turnier mit Dota 2 oder das ESL One Köln Turnier mit Counter-Strike: Global Offensive. Beide Turniere sind eigenständige zu sehen, werden nicht direkt vom Videospielhersteller oder aus digitalen Verkäufen in den Videospielen finanziert, sondern müssen autark betrachtet wirtschaftlich sein. Dies passiert über den Verkauf von Eintrittskarten die preislich zwischen 30 und 3000 Euro liegen, der zusätzlichen Vermarktung an Sponsoren und natürlich dem Verkauf von Merchandise. Je größer die Spielerbasis, desto wahrscheinlicher geht eine solche Rechnung auch auf.
Genau in diese beiden Bereiche fallen aktuell die eSport-Bemühungen der Videospielbranche. Videospielhersteller versuchen die Kundenbindung zu stärken, spezialisierte Anbieter unterstützen hierbei und versuchen gleichzeitig eigenständig wirtschaftlich funktionierende Turniere anzubieten. Eine Besonderheit stellen die Übernahme der Major League Gaming durch Activision Blizzard und der neue Geschäftszweig EA Competitive Gaming Division von Electronic Arts dar. Beides ist schlichtweg der Versuch den extrem erfolgreichen Weg von Valve mit Dota 2 zu gehen. Zum einen die zuvor beschriebene Monetisierung der Videospiele entsprechend anzupassen, gleichzeitig aber auch die erforderliche Turnierinfrastruktur selbst zu betreiben und die Finalveranstaltungen selbst durchzuführen. Und die Übernahme der Electronic Sports League sowie DreamHack durch die Modern Times Group? Die Schaffung eines neutralen Turnieranbieters für alle Videospielhersteller, der praktischerweise eine weltweite Monopolstellung einnimmt und zusätzlich ein bereits vorhandenes Netzwerk an Vermarktern in der Hinterhand hat.
Gegen diese Entwicklungen am Markt ist auch nichts einzuwenden und diese stören nüchtern betrachtet auch niemanden. Es ist jedem Spieler selbst überlassen das Konzept durch den Kauf dieser speziellen Inhalte zu unterstützen oder auch nicht. Was die oben angeführte Entwicklung jedenfalls nicht darstellt, ist der oft erwähnte Durchbruch des eSports. Dieser findet weder in diesem Jahr, noch in einem der nächsten Jahre statt. Die Turniere werden größer, die Preisgelder höher, die Berichterstattung spannender und die dauerhafte Bespaßung mit Inhalten wird für immer mehr Leute interessant. Im Prinzip ist es aber nur die Umsetzung einer Marketingstrategie zur Generierung von zusätzlichen Einnahmen, denn schließlich geht es um Videospielhersteller die versuchen Geld zu erwirtschaften. Nicht mehr, nicht weniger und dies ist auch absolut in Ordnung.
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