Der eSport ist tot!

Die Überschrift bedient sich einer einfachen populistischen Mechanik und berechtigterweise stellt sich die Frage, wie etwas wie eSport eigentlich sterben kann, denn in Realität war der eSport als Sport nie wirklich am Leben und wird wohl auch die nächsten Jahre sein Schattendasein des letzten Jahrzehnts weiterführen. Harte Worte von jemanden, der einen großen Teil seiner Jugend mit Videospielen, LAN-Partys und virtuellen Turnieren verbracht hat, aber ein kurzer Besuch bei einem BarCraft in Linz (man schaut gemeinsam StarCraft Turnierübertragungen in einer Bar; mehr Infos auf Facebook) haben meine langjährig unausgesprochenen Gedanken bestätigt: Der eSport ist tot!

Eine gewagte Aussage und Befürworter des sogenannten elektronischen Sports haben spätestens bei der zweiten Wiederholung der Überschrift angefangen innerlich böse Kommentare oder E-Mails zu verfassen. Die Szene blüht auf, jährlich steigende Preisgelder, neue (optimierte) Videospiele wie League of Legends, Dota 2 und Counter-Strike: Global Offensive stehen in den kommenden Monaten an und Übertragungen mittels Videostream sind gefragter denn je und erreichen Zuseherzahlen jenseits der Hunderttausender-Marke. Von den Veranstaltern erstellte Videos und Fotos (zum Beispiel Intel Extrem Masters Video oder Fotos) visualisieren eine schöne heile Welt, die Kommentarbereiche der einschlägigen Szeneportale (siehe fragster.de oder readmore.de) zeigen Anzeichen von Zugehörigkeit und Fanismus und trotzdem trügt der Schein.

Einer der Gründe oder der Hauptgrund ist vermutlich die Komplexität. Die derzeit favorisierten drei Spiele (Counter-Strike, StarCraft II und League of Legends) sind im Vergleich zu realen Sportarten für szenefremde Zuseher schwer bis praktisch gar nicht zu verstehen. Dies geht mittlerweile sogar soweit, dass selbst ich als erfahrener Videospieler wenig von dem realisiere und verstehe was auf den Bildschirmen der Spieler passiert. Das was die Kommentatoren von sich geben hört sich oft wie eine Mischung aus französisch, italienisch und spanisch an und bei gefühlten 1000 Wörtern pro Minute ist man innerhalb von wenigen Sekunden hoffnungslos überfordert. Der am BarCraft Linz ausgelegte zweiseitige Cheat Sheet für Neulinge mag zwar eine nette Idee sein, hilft aber in Realität nicht. Die Regelwerke der Formel 1, von Fußball oder Tennis sind zwar im Detail auch kompliziert und umfangreich, aber die Basishandlung ist leicht zu verstehen und benötigt keine einschlägigen Vorkenntnissen oder gar Schummelzettel. Nicht nur die Spiele machen es einem schwer, auch die Turnierform an sich unterscheidet sich von normalen Turnieren. Bei realen Sportarten werden praktisch alle Turniere mittels simplen K.-O.-System entschieden, aber bei virtuellen Wettkämpfen wird der Gewinner eigentlich immer nach dem komplexen Double-Knock-Out-Verfahren ermittelt. Gepaart mit einem Best-Of-X Partienmodell und im optimalen Fall einer vorgelagerter Rundenphase entsteht eine Struktur, die die wenigsten Zuseher im vollen Umfang verstehen.

Der an den Tag gelegte Fanismus ist oberflächlich mit der Zugehörigkeit zu einer Mannschaft im Fußball ähnlich. Aber sind es wirklich die gleichen Gründe die jemanden zum Sympathisanten machen? Eher nicht, denn bereits die Strukturen sind grundverschieden. Im realen Sport ist die Fanstruktur oftmals durch den Fußballverein oder dem Management vordefiniert, man gliedert sich nahtlos ein und es eröffnet sich praktischerweise eine zusätzliche soziale Ebene (gemeinsame Reisen zu Auswärtsspielen und oder Turnieren, Ausflüge außerhalb der eigenen Sportart, Stammtische, neue lokale Bekanntschaften und Freunde). Die Sportart dient als verbindendes Element und auch wenn viele das Gegenteil behaupten, der Sport steht nicht wirklich im Mittelpunkt. Beim virtuellen Sport hingegen ist die Struktur deutlich offener, ungezwungener und anonymer. Es geht mehr um Gedanken, dass man sich selbst sieht oder sehen möchte. Der eSport Fan ist im Regelfall ein paar Jahre jünger als der Athlet an der Maus und Tastatur, welcher als eine Art Vorbild oder Schablone dient. Es wird nicht die Leistung gewürdigt, es geht vielmehr um den Gedanken vielleicht zukünftig selbst diese Person zu sein. Man bereist die Welt, man verdient Geld durch das Spielen von Videospielen und tausende Zuseher betrachten die eigene Leistung (und würdigen diese genauso wenig wie man es selbst gerade tut). Im Gegensatz zur echten Welt reicht es wenn man gut ist und man muss nicht etliche Jahre mit zeitraubendem und erschöpfenden Training am Sportplatz oder im Fitnessstudio verbringen. Es ist nur ein Spiel und das Ziel scheint in greif- und trainierbarer Reichweite.

Genau diese Illusion aufrecht zu erhalten ist der treibende Motor des eSports und gleichzeitig ein weiterer Grund, warum der virtuelle Wettkampf global betrachtet weiterhin eine Randerscheinung bleiben wird. Das oft vorgeschobene Argument die Athleten an Maus und Tastatur auf eine Ebene mit realen Ballspielern zu bringen klingt zwar nett, ist aber nicht der tatsächliche Motivationsgrund hinter der Sache. Vielmehr geht es um Geld, um viel Geld. Das klingt jetzt hart, aber alles der Reihe nach. Was macht Sport eigentlich aus? Sport ist Abbild bzw. Mikrokosmos unserer Gesellschaft und hat eine erzieherische, gesundheitsfördernde, gesellschaftlich-soziale sowie eine wirtschaftliche Funktion. Er ist der einzig weltweit fast vollständig organisierte, vielfach nach einheitlichen Regeln funktionierende Bereich. Sport verbindet zumeist auch dann noch, wenn es zwischen Staaten politisch zu Problemen kommt. Gerade der Sport bietet Ansatzpunkte für sozialpolitische Aktionen, wie sie in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich möglich sind. Die verschiedenen kulturellen Werte und Handlungsziele werden real und für alle verständlich vorgelebt (Quelle: Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport).

eSport ähnelt der Definition in manchen Bereichen, ist aber doch anders, denn es ist wie bereits erwähnt das Verkaufen einer Illusion die zu einer Profitmaximierung führen soll. Hersteller von Spielen veranstalten Millionen Dollar Turniere um Absatzzahlen in die Höhe zu treiben, Turnierveranstalter bieten kostenpflichtig Zugang zu Wettkämpfen um nach und nach in den Olymp der Spitzenspieler zu kommen und Computerhersteller nutzen die hohe Kaufkraft der Fans um passende Produkte an den Kunden zu bringen. Es ist eigentlich egal wer gegen wen spielt oder wer gewinnt, denn die Spieler und Teams sind eigentlich nur austauschbare Marionetten. Der eSport als Sport ist tot, denn eSport war, ist und wird auch zukünftig ein Marketinginstrument bleiben. Das ist grundsätzlich auch nichts schlimmes und Wettkämpfe sowie Turniere dienen auch grundlegend zur Unterhaltung. Wenn man selbst in der Materie ist, ist ein Abend gefühlt mit StarCraft II Matches in einer Bar voller gleichgesinnter Mitmenschen vermutlich um einiges spannender, als ein Tennismatch im Fernsehen zu sehen, aber immer wieder von einer neuen Art oder Generation von Sport zu sprechen ist einfach nur falsch.

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