Mini Metro

Es erfordert merkwürdigerweise unheimliche Beherrschung diesen Beitrag nicht mit einem Wortspiel zu beginnen, welches nicht bereits 17 Mal im Rahmen von anderen Texten zu Mini Metro gebracht wurde. Jegliche Varianten mit den Wiener Linien hat es schon gegeben und die besten Möchtegern-Verkehrsplaner haben auch schon mehr oder weniger qualifizierte Inhalte sowie 0815-Phrasen von sich gegeben. Mini Metro ist ein grafisch minimalistischer U-Bahn-Simulator über das effiziente Planen von U-Bahn-Netzen um die in einer stetig wachsenden Stadt entstehenden Transportbedürfnisse der Bewohner zufrieden zu stellen.

Mini Metro - Icon

Zum Start hat man den quasi leeren Netzlinienplan einer Stadt vor sich und sieht drei nicht miteinander verbundene Stationen, die durch unterschiedliche Symbole dargestellt werden. Sobald man diese Stationen mittels Mausklick verbindet, entsteht eine U-Bahn-Linie inklusive U-Bahn-Zug, welcher Fahrgäste in den Stationen aufnimmt und an die vom Fahrgast gewünschten Zielstation bringt. Der Fahrweg dorthin ist dynamisch, da es wie im echten Leben zum Umstieg in einer Station kommen kann, Linien auch als Kreisbahnen geführt werden können und für das Unterqueren von Flüssen der Einsatz von Tunnel erforderlich ist. Nach und nach erhöht sich das Fahrgastaufkommen, es tauchen immer mehr Stationen auf dem Netzlinienplan auf und die Anzahl der unterschiedlichen Stationssymbole steigt ebenso. Nach jeder virtuellen Woche trifft man die Entscheidung das U-Bahn-Netz mit weiteren Zügen, Wagons, Linien, Tunnel oder dem Ausbau hochfrequentierter Stationen zu erweitern. Gewinnen ist unmöglich, da es ein Wettlauf gegen die Zeit, fehlenden Ressourcen und den Kollaps des Verkehrsnetzes ist, denn sobald die erste Station mit Fahrgästen überfüllt ist, endet das Spiel mit der Anzeige der beförderten Fahrgäste innerhalb der virtuell verstrichenen Tage.

Das liest sich jetzt eher wie ein langweiliges Puzzle-Videospiel, fasziniert mich aber wie schon lange kein Videospiel mehr. Begründet durch das offensichtlich einfache Konzept, welches einfach zu erlernen ist, tatsächlich aber schwieriger zu verstehen und sich als unmöglich zu meistern herausstellt. Ergänzt wird diese Spiellogik durch die kurze Spielsitzungslänge, welche nur in Extremfällen länger als 15 Minuten dauert. Das perfekte Zusammenspiel der funktionellen optischen Darstellung und der optimalen Akustik ist ebenso förderlich und dann noch diese eine Sache, die mir erst nach ein paar Wochen so wirklich bewusst wurde: Mini Metro ist kein Puzzle-Videospiel, denn man löst keine Puzzles. Es ist ein Problemlösungs-Videospiel, welches durch das erforderliche Verzichten einer Gewinnbedingung beim Stellen des Problems eigentlich unfair für ein Videospiel im klassischen Sinne ist, aber dennoch funktioniert.

Was der Unterschied zwischen einem Puzzle-Videospiel und einen Problemlösungs-Videospiel ist? Bei einem Puzzle-Videospiel gibt es einen oder mehrere geplante oder definierte Lösungswege um eine Herausforderung zu absolvieren. Manchmal funktionieren auch nicht zwingend vom Entwickler vorgesehene Möglichkeiten, aber es gibt im Zweifel immer den fixen Weg zum Ziel. Anders bei Problemlösungs-Videospielen, da es hier nur Methoden gibt um an einer Problemlösung zu arbeiten und die Motivation des Spielers nicht die unmögliche Lösung darstellt, sondern die stetige Optimierung eines möglichen Weges dorthin. In Bezug auf Mini Metro ist es die Effizienz beim Transport von Fahrgästen innerhalb virtueller Tage. Beide Werte werden als Referenz am Spielende angezeigt, die spannendste und am leichtesten zu vergleichende Metrik ist auch die Anzahl der beförderten Personen. Blickt man etwas tiefer in das eigene Spielverhalten, erkennt man ebenso wichtige Kennwerte wie die durchschnittliche Anzahl der erforderlichen Umstiege, die Fahrzeit oder Wartezeit in den Stationen, welche jedoch nicht die offensichtliche treibende Kraft auf Dauer darstellen.

Aber bleiben wir beim primären Motivator, der Anzahl an Fahrgästen. Ziel ist es diese Zahl nach oben zu treiben und genau hier kommen neben der zuvor beschriebenen Mechanik „Einfach zu lernen, schwierig zu verstehen, unmöglich zu meistern.“ noch zwei weitere Spielkomponente hinzu, nämlich Abwechslung und Herausforderung. Beiden Komponenten liegt in Mini Metro der Faktor Zufall in drei unterschiedlichen Ausprägungen zugrunde. Variante A ist die zufällige Generierung innerhalb eines virtuellen Stadtplans, wodurch sich jedes Spiel innerhalb derselben Stadt grob ähnlich spielt, jedoch aufgrund der sich jedes Mal unterscheidenden Stationssymbole und dem Ändern der Erscheinungsreihenfolge eine neue Herausforderung darstellt. Variante B sind die unterschiedlichen Städte, welche sich oberflächlich nur durch die Farbe der U-Bahn-Linien sowie dem Verlauf des Flusses unterscheiden, jedoch der zugrundeliegende Zufallsgenerator sich massiv von den anderen Städten unterscheidet. Variante C ist man selbst, da man zwar versucht sein eigenes Verständnis auf das sich darstellende Problem anzuwenden, man irgendwann jedoch feststellt, dass der eigene Plan nicht funktioniert und man sich kurz vor dem Scheitern oftmals in panischer Optimierung des vorhandenen U-Bahn-Netzes findet. Dadurch entsteht gleichzeitig der Eindruck, dass man selbst Schuld am Scheitern ist und nicht durch den Zufallsgenerator und das bewusst unfaire Regelwerk bereits beim Start der Partie verloren hat.

Genau dieser Eindruck des eigenen Scheiterns ist der Antrieb um weiter zu spielen, denn bei der nächsten Runde versucht man nicht dieselben Fehler wie bei der letzten Partie zu begehen. Man glaubt das Videospiel und die Mechaniken durchschaut zu haben, man ist sich sicher, dass man der bessere Verkehrsplaner ist. Nur noch dieser eine Versuche, nur noch etwas länger und ein paar Fahrgäste mehr. Ein U-Bahn-Netz planen und bauen kann doch nicht so schwer sein … ich bin dann mal ein paar Stationen mit ein paar U-Bahn Linien verbinden.

Mini Metro ist ein Simulationsspiel, ein unheimlich unfaires aber unheimlich motivierendes Videospiel bei dem man nur verlieren kann. Entwickelt von Indie-Entwicklungsstudio Dinosaur Polo Club aus Neuseeland bietet das Problemlösungs-Videospiel zehn unterschiedliche Städte (unter anderem London, New York City, Paris und Berlin), drei unterschiedliche Spielmodi (normale Punktewertung, einen glücklich machenden Sandkastenmodus und stressige Herausforderungen mit verschärften Regelwerk), einen dynamischen Soundtrack, Farbmodi (Nacht sowie Farbenblind) und natürlich ganz viele U-Bahn-Züge. Der Early Access Trailer und einer meiner Versuche für London visualisieren die Beschreibung gefühlt ganz gut. Mini Metro läuft auf Windows, Mac sowie Ubuntu und gekauft wird um 10 Euro auf der Homepage im DRM freien Format, auf Steam (inklusive Steam-Sammelkarten) oder via Amazon* auf Disc mit dem hässlichsten DVD-Cover aller Zeiten.

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