Auch wenn der Titel des Beitrag etwas anderes suggeriert, folgt nicht das kleine Einmaleins für das Verfassen von Artikel über Videospiele, sondern vielmehr ein paar Gedanken zu einem Buch über den Videospiel-Journalismus. Der frühere Journalist und mittlerweile zur dunklen Seite der Macht gewechselte Dan Amrich (aktuell Social Media Manager bei Activision / @OneOfSwords) versucht mit ‚Critial Path: How to Review Videogames for a Living‚ zum einen die Illusion des Traumjobs vieler schulpflichtiger Jugendlicher zu entzaubern und auch gleichzeitig ein Handbuch für einen erfolgreichen Weg in der Branche zur Verfügung zu stellen.
Sprachlich als Mix zwischen Blog und Printartikel angelehnt schafft Amrich in fünf Kapitel einen Überblick über den Fachjargon sowie den Beruf an und für sich, die erforderlichen sprachtechnischen Kenntnisse als auch persönlichen Fähigkeiten, die ersten Schritte, den weiteren Weg und philosophiert auch über die Eigen- und Besonderheiten im Leben von jemanden, der sein Geld mit dem Schreiben über und dem Spielen von Videospielen verdient. Abschnitte mit Überschriften wie ‚Here’s What Sucks About Your Dream Job‚ oder ‚Welcome to Happy Hell‚ zeigen den oberflächlich betrachteten Traumjob auch von einer erfreulich ehrlichen Seite, wobei manche Abschnitte sich nicht direkt vom US-amerikanischen auf den deutschsprachigen oder europäischen Markt übertragen lassen. Neben der Gretchenfrage für mögliche Einsteiger (Print oder Online?) wird ebenso auf die differenzierenden Anforderungen der unterschiedlichen Medien eingegangen und auch wenn das Buch inhaltlich in sich geschlossen korrekt ist, sind insbesonders zwei aufgestellte Thesen doch hinterfragenswert.
These 1: New Game Journalism is bad & Review templates are good
NGJ ist die Anwendung des in den 70er Jahren eingeführten New Journalism Konzeptes auf Videospieleberichte. Anstatt sich rein auf Fakten und direkte Vergleiche innerhalb des Mediums zu bedienen, dominiert die persönliche Erfahrung des Verfassers (ausgezeichnetes Beispiel: der Jedi Outcast Review ‚Bow Nigger‚ von Ian Shanahan). Amrich kreidet dem Stil die mangelnde Objektivität an und durch die starke Einbindung der persönlichen Meinung des Autors fällt es dem Leser schwer ein fundiertes (Kauf)Urteil zu bilden. Der jahrelang erprobte Gegenstil in Form einer Review Vorlage ist hier deutlich effektiver, wobei diese konträr zum Berufsbild eines Journalisten ist und dem Medium Videospiele auf Dauer nicht gerecht wird. Vielmehr ist es eine Frage der Leserschaft beziehungsweise der angepeilten Zielgruppe. Zur Blütezeit der Printmagazine war das wohl wichtiges Segment der Review Teil, welcher aber mittlerweile durch die starke Individualisierung des Internets massiv an Bedeutung verloren hat. Jeder hat mittlerweile die Möglichkeit seine Eindrücke und Erfahrungen zu veröffentlichen und auch wenn Quantität nicht mit Qualität vergleichbar oder gar ersetzbar ist, bieten die Summe etlicher Blogs ein deutlich breiteres und oft auch fundierteres Spektrum an Eindrücken als ein Printmagazin mit einem klassischen Review bieten kann. Videospiele unterhalten und sollten im optimalen Fall auch etwas in der Person hinter dem Eingabegerät wecken und gleiches sollte auch für Texte gelten. Hinter einem Spiel stehen etliche Menschen, die oft mehrere Jahre ihres Leben damit verbracht haben etwas zu erschaffen, was es einfach nicht verdient in einer standardisierten Form mit einer Zahl am Ende abgefertigt zu werden. Auch wenn der Großteil der kommerziellen Videospiele einer Kunstform nicht gerecht werden, sollten sie nicht wie austauschbarere Gebrauchsgegenstände abgehandelt werden.
These 2: PR people don’t like online media
Die Grundtenor lautet, dass aufgrund höherer Geschwindigkeit sowie Vielfalt der Onlinemedien es oft für Mitarbeiter von PR Abteilungen oder PR Firmen schwer ist die Relevanz von Onlinemedien wie Blogs einzuschätzen. Zusätzlich erschwert wird dies noch durch die meist fehlende Professionalität, sowie dem Vorwurf / Vorurteil / Fakt, dass es oft nur um kostenlose Spielemuster und oder Merchandise geht. Auch wenn die Aussage von Amrich nicht direkt so formuliert wird, scheint hier ein kleines bisschen der Kampf zwischen Old Media und New Media hervorzukommen. Die Zusammenarbeit mit Onlinemedien mag für die Industrie anstrengender sein als mit herkömmlichen Medien, aber dass diese nicht gemocht werden ist vermutlich etwas polemisch. Im direkten Vergleich werden zwar Printmagazine und klassische Medien durchwegs den Onlinemedien vorgezogen, was aber primär mit der Reichweite und Effektivität zu tun hat und nichts mit persönlichen Präferenzen. Die Aufgabe von PR ist es den Verkauf von Spielen zu fördern und die Mitarbeiter der entsprechenden Abteilungen versuchen dies auf möglichst effektive Art und Weise. Auch wenn ein kleiner Blog oftmals qualitativ deutlich bessere Arbeit leistet als zum Beispiel eine Tageszeitung, wird aufgrund der breiteren und größeren Zielgruppe diese immer zuerst zum Zug kommen. Der Vorwurf, dass viele Onlinemedien nur entstehen um ein Hobby kostengünstig zu finanzieren mag zwar teilweise stimmen (Stichwort: Illusion des Traumjobs und so), aber jeder Mitarbeiter einer PR Abteilung filtert hier im Regelfall rigoros aus. Kostenlose Spiele bieten realistisch betrachtet keine Motivation um Texte zu verfassen und so schnell eine Blog aus rein diesem Grund auch auftaucht, so schnell verschwindet diese wieder in den Tiefen des Internets.
Dem Versuch den beiden Thesen zu widersprechen kann wiederum der Buchuntertitel entgegengesetzt werden, da viele wenn nicht sogar fast alle Autoren von Onlinemedien wie Blogs ihren Lebensunterhalt nicht mit dem Verfassen von Texten über Videospiele erwirtschaften müssen. Vielmehr ist es so, dass Blogs fast ausschließlich analog zum Konsum von Videospielen als Hobby zu betrachtet sind, dadurch nicht dem Handbuch von Dan Amrich folgen müssen und somit das Buch und der Inhalt in sich selbst wieder korrekt sind. Blogs werden zukünftig wohl eine Art Sprungbrett für fähige Schreiber in die kommerzielle Welt des Videospiel-Journalismus sein, aber gleichzeitig auch die stärkste Konkurrenz für diesen im Bezug auf Wahrnehmung und Meinungsbildung. Blogs können, werden und sollen Printmagazine nicht verdrängen, aber verändern.
Trotz den starken Fokussierung auf einen für Europäer fremden (Print)Markt und der vereinfachten Betrachtung von Onlinemedien wie Blogs ist ‚Critial Path: How to Review Videogames for a Living‚ (8,95 € – Kindle eBook; 14,99 € – Taschenbuch; Amazon-Link*) ein Ausflug in eine doch sehr spezielle Sparte des Journalismus, der Bloggern, Neulingen und Interessierten manch leicht zu übersehende Aspekte näher bringt und durchwegs lehrreiche Lektionen im Bereich der sprachlichen Grundtechnik und den oft zu wenig beachteten Social Skills bietet.
Update: ‚Bow Nigger‘ stammt nicht von Kieron Gillen, sondern aus der Feder von Ian Shanahan und wurde unter dem Titel ‚Confessions of a Jedi Knight‘ in der PC Gamer veröffentlicht. Vielen Dank an Dennis für den Hinweis.
Ein Kommentar zu „How to Review Videogames“
Kommentare sind geschlossen.