Spider-Man

Also ein Beitrag über Spider-Man, eines der vor Veröffentlichung meisterwartetesten Videospiele des Jahres 2018, einem der bisher am besten verkauften Videospiele des Jahres 2018 und irgendwie auch einem der überhaupt besten Videospiele des Jahres 2018. Von Berichterstattern gemocht, von Fans der Marke geliebt und eigentlich von jedem Videospieler als guter Titel empfunden, hat das Entwicklungsstudio Insomniac Games mit dem exklusiv für die PlayStation 4 erschienenen Videospiel neue Standards gesetzt. Jetzt weniger hinsichtlich der Videospielmechaniken, der genutzten Elemente und dem grundlegenden Aufbau, denn diese Dinge sind weder neu, innovativ noch etwas Besonderes. Alles bereits seit Jahren in unterschiedlichen Videospielen vorhanden gewesen, aber Spider-Man hebt sich durch zwei Elemente ab. Da ist zum einen die nahezu perfekte Integration und das Zusammenspiel der Elemente wie sammelbare Gegenstände, Nebenaufgaben, Herausforderungen, der erzählten Geschichte und dem dahinter liegenden durch die Systeme kombinierten Belohnungssystem. Und dann ist da noch die eine für mich spannende Sache, die herausragende Traversal-Mechanik oder anders formuliert, das Schwingen durch die digitale Videospielwelt ist grandios perfekt süchtig machend sowie befriedigend.

Anders als bei anderen Videospielen, aber so wie man es von einem Videospiel mit Spider-Man erwartet, ist der primäre Weg der Fortbewegung in der offenen Videospielwelt nicht zu Fuß oder per Fahrzeug, sondern in dem man sich im Prinzip von Haus zu Haus schwingt. Mit der Fähigkeit Netze aus dem Handgelenk zu schießen und diese als Schwungseil zu nutzen, bewegt man sich durch die unterschiedlichen Gebiete im digital abgebildeten New Yorker Stadtbezirk Manhattan. Mal zwischen Hochhausschluchten im Financial District, nahe am Boden aber mit hoher Geschwindigkeit durch Harlem oder aufgrund der fehlenden höher gelegenen Objekte zur Befestigung besagter Schwungnetzseile mit eingeschränktem Bewegungsradius im Central Park. Eine immer gleichbleibende Videospielmechanik, die sich aber aufgrund der Position in der Videospielwelt unterschiedlich anfühlt und auch spielt.

Am Controller funktioniert diese Art der Fortbewegung mittels der rechten Schultertaste. Man drückt und hält diese gedrückt, um ein Schwungnetzseil automatisch aus dem Handgelenk zu schießen und sich wie ein Pendel fortzubewegen. Lässt man die Taste los, löst man im Videospiel das Schwungnetzseil bis man erneut die Taste drückt und hält, um so kontinuierlich durch die Videospielwelt zu schwingen. Ist man als Videospieler trotz der Einfachheit die ersten Minuten etwas mit der horizontalen und vertikalen Richtung der Pendelbewegung überfordert, gewöhnt man sich relativ rasch daran. Nachdem man sich an die Eigenheiten des Schwingens gewöhnt hat, lernt man diese zur Optimierung zu nutzen. Lässt man die rechte Schultertaste an der richtigen Position der Schwungbewegung los, wird Spider-Man mit hoher Geschwindigkeit nach vorne katapultiert und baut mit jedem zeitlich korrekt abgestimmten Schwung eine immer höhere Geschwindigkeit auf. Lässt man die rechte Schultertaste relativ spät aus, reduziert dies etwas die horizontale Bewegung, hilft aber um Höhe zu gewinnen. Erweitert wird diese Basis noch mit einigen kleineren optionalen Bewegungsarten wie der katapultähnlichen Nutzung von Absprungpunkten, dem horizontalen Entlanglaufen an Gebäuden oder dem Schwung um die Ecke ohne etwas von der aufgebauten Geschwindigkeit zu verlieren. Eine Videospielmechanik, die in der Basis einfach ist, minimal mehr als das simple Drücken sowie Halten einer Taste erfordert, aber im Laufe des Videospiels und mit steigenden Fähigkeiten des Videospielers eine Tiefe hinsichtlich Komplexität und Effektivität entwickelt.

Die Art der Steuerung mit dem Drücken und Halten einer Taste für jeden einzelnen Schwung hat einen weiteren Nebeneffekt, es ist eine haptische Methode, um den Inhalt am Bildschirm auf eine Tätigkeit des Videospielers zu übertragen und dadurch das von den Entwicklern gewünschte Gefühl des Schwingens besser zu vermitteln. Mit dem Drücken der Taste schießt das Schwungnetzseil aus dem Handgelenk, mit dem Halten der Taste wird das Halten am Schwungnetzseil simuliert und mit dem Loslassen erfolgt die Freigabe als auch gleichzeitige Vorbereitung auf den nächsten Schwung. Die Finger der rechten Hand arbeiten synchron mit dem Helden am Bildschirm, der Vibrationseffekt des Controllers verstärkt zusätzlich das Gefühl, dass man selbst als Spider-Man durch die Videospielwelt schwingt. Um hier eine noch intensivere Erfahrung zu bieten, werden auch diverse audiovisuelle Kniffe genutzt. Befindet man sich im freien Fall in Richtung Boden, wird der sichtbare Bereich am Bildschirm kleiner, um dadurch den Effekt der Beschleunigung zu verstärken. Optisch werden zusätzlich mit steigender Geschwindigkeit die Randbereiche des Bildschirms unscharf und auch der theoretisch entstehende Windzug mit entsprechenden Linien angedeutet. Akustisch ändert sich ebenso die Soundkulisse, das Hintergrundrauschen, je nach vertikaler Position. Je näher man sich an den Straßen befindet, desto lauter hört man den Verkehr dort und auch die Gespräche der Passanten. Aber damit nicht genug, denn auch die Telefonate, die in Spider-Man unter Anderem zum Erzählen der Geschichte genutzt werden, ändern sich akustisch je nach Status der Bewegung. Befindet man sich wartend auf einem Dach während des Gesprächs, klingt die Stimme von Spider-Man normal, bewegt man sich jedoch während des Telefonats schwingend durch die Videospielwelt, klingt die Stimme der Hauptfigur angestrengt und teilweise auch außer Atem. Viele Kleinigkeiten, die den meisten Videospielern nicht bewusst auffallen, aber unbewusst das Gefühl der Immersion stärken und in einer solche Detailliebe mir in bisher keinem Videospiel untergekommen sind.

Für mich ist das Gefühl des Schwingens am Schwungnetzseil von Spider-Man mit einer Achterbahnfahrt vergleichbar. Schwingt man bis zum Ende, ist es wie der Spannungsaufbau in der Achterbahn vor dem ersten Abhang. Der Moment, in dem man das Schwungnetzseil loslässt und kurz in Luft schwebt, ist mit dem Gefühl am höchsten Punkt der Achterbahn und dem dabei Einsetzen der kurzen Schwerelosigkeit zu vergleichen. Und dann kommt die Beschleunigung beim ersten Abhang in Kombination mit Beschleunigungskräften und der inneren Erleichterung durch das Überwinden von Angst, welche der menschliche Körper in Glücksgefühle umwandelt. Bei einer Achterbahn folgt nach dem ersten Abhang die nächste Steigung, ein Looping oder eine Steilkurve, bei Spider-Man wiederholt sich der zuvor beschriebene Ablauf immer wieder innerhalb weniger Sekunden und funktioniert einfach bis zum Ende des Titels perfekt. Spider-Man funktioniert nicht primär wegen der perfekten Integration und dem Zusammenspiel bereits bestehender Elemente von Videospielen, Spider-Man funktioniert, weil die Art der Fortbewegung sich wie eine perfekt simulierte Achterbahnfahrt über etliche Stunden hinweg anfühlt.

Gespielt wurde die PlayStation 4 Version von Spider-Man auf einer PlayStation 4 Pro. Entwickelt wurde der Titel vom amerikanischen Studio Insomniac Games und vertrieben wird der Titel von Sony PlayStation. Das Videospiel ist seit Anfang September 2018 exklusiv für die PlayStation 4 erhältlich. Digitale Bezugsmöglichkeit ist der PlayStation Store (PlayStation Direktkauf). Physische Versionen gibt es bei Amazon (Versionen mit Datenträger)*. Preislich liegt die digitale Version bei etwa 70 Euro, die physische Version mit Datenträger kommt auf etwa 60 Euro.

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