EGX Berlin 2018

Nach etlichen Jahren auf unterschiedlichen Videospielmessen bin ich irgendwie messefaul geworden. Die Games Convention in Köln besuche ich seit 2015 nicht mehr, die Game City in Wien habe ich die letzten beiden Jahre ausfallen lassen und irgendwie ändert sich meine aktuell eher geringe Motivation hinsichtlich Videospielmessen nicht wirklich. Bitte nicht falsch verstehen, die Thematik Videospiele finde ich weiterhin spannend, aber das mit Videospielmessen verbundene Drumherum hat vor einiger Zeit zu nerven begonnen. Neben der oft anstrengenden Anreise mittels Flugzeugs, der oft langwierigen Suche nach leistbaren Unterkünften in der Nähe und dann natürlich die ganzen Strapazen durch die Messe selbst. Unendliche Menschenmassen die sich durch abgedunkelte Räume schieben, stundenlange Wartezeiten um Videospiele tatsächlich anzuspielen, eine Lärmbelästigung die einen nahezu das Gehirn aus dem Kopf sprengt, schlechtes Essen zu überteuerten Preisen und eine Grundstimmung für die der Begriff Hektik eher eine Untertreibung ist. Natürlich gibt es auch die schönen Seiten, wie der Sache, dass man alte und neue Gesichter der Videospielindustrie treffen kann, dass man vor Ort von einer positiven Dynamik mitgerissen werden kann und dass man manchmal in der mittlerweile schier unüberblickbaren Menge an Videospielen doch wieder faszinierende Titel entdeckt. Dieses Jahr wollte ich meine Komfortzone wieder verlassen, dieses Jahr wollte ich irgendwie erneut in den Messetrubel tauchen, dieses Jahr habe ich die EGX Berlin 2018 besucht und es war anders.

Das Format der EGX stammt aus dem Vereinigten Königreich. Konkret sind seit ein paar Jahren die beiden bestehenden Videospielmessen unter der Marke EGX in den beiden Städten Birmingham und London zu Hause. Nach zehn Jahre in Großbritannien war die EGX Berlin 2018 der erste Messeableger unter der Marke EGX außerhalb des Vereinigten Königreichs. Abweichend von anderen Videospielmessen basiert das Format der EGX nicht rein auf Masse, sondern der Fokus ist laut Veranstalter etwas anders und damit wurde auch im Vorfeld geworben: Eine Videospielmesse rein für Erwachsene um alle Titel offen und ohne Einschränkungen zeigen zu können, eine limitierte Anzahl an Tickets um geringe Wartezeiten als auch weniger Gedränge zu haben, anstelle von Präsentationen müssen alle Videospiele anspielbar sein, ein bunter Mix aus Blockbustern sowie Indie-Titeln, E-Sport-Turniere samt der Möglichkeit selbst mitzumachen, ein eigener Bereich für Brettspiele und eine Vielzahl unterschiedlicher Vorträge sowie Panels. Wäre ich mit einer Checkliste auf der EGX Berlin 2018 herumgelaufen, dann hätte bei all diesen Punkten einen Hacken machen können. Nicht immer einen voll zufriedenen Hacken, aber grundlegend einen Hacken.

Das angekündigte Alterskontrolle am Eingang wurde konsequent durchgesetzt, wodurch es am Messegelände weder weitere Alterskontrollen, bunte Bändchen zur Alterskennzeichnung oder irgendwelche hinter Sichtschutzwänden versteckten Anspielstationen gab. Für mich als Österreicher und jemanden der Veranstaltungen wie die Game City im Wiener Rathaus oder Vienna Comic Con in der Messe Wien besucht hat, war dies jetzt keine wirkliche neue Sache, jedoch in Deutschland aufgrund der strengeren Jugendschutzgesetze für die einheimischen Besucher eine bisher eher ungewohnte Situation. Dieser Ansatz hatte ebenso den angenehmen Nebeneffekt, dass man auch während man sich für einen Titel angestellt hat, bereits den anderen Besuchern beim Spielen zusehen konnte und dass die Messehalle durch die fehlenden Sichtschutzwände deutlich offener und luftiger wirkte. Klingt nach einer Kleinigkeit, ist aber durchaus ein wichtiger Aspekt, um mehr von einem Videospiel und auch der generellen Messestimmung aufzunehmen. Die bereits erwähnten Wartezeiten waren überschaubar, ehrlicherweise sehr überschaubar. Sogar so überschaubar, dass ich im Laufe des ersten Tags auf der EGX Berlin 2018 beschlossen habe, die Videospielmesse durchzuspielen. So richtig durchzuspielen, einfach jeden ausgestellten Titel auch tatsächlich anzuspielen. Komplett egal ob persönliches Interesse vorhanden ist oder nicht, einfach so. Das Resultat? Hat funktioniert, hat sogar mit etwas Koordination sehr problemlos funktioniert. Und auch wenn die Grundidee dämlich klingt, war es für mich rückblickend eine sehr gute Idee. Denn dadurch bin ich wieder einmal mit Videospielen konfrontiert worden, die ich mir sonst nicht angesehen hätte und dies betrifft Titel aus dem Bereich Blockbuster, aber auch viele mich immer wieder überraschende Videospiele aus dem Indie-Bereich.

Diese positive Grundstimmung des vorherigen Absatzes ist natürlich schön, jedoch kann man einiges davon auch in eine negative Richtung auffassen. Alle Titel auf einer Videospielmesse ordentlich in einem überschaubaren Zeitraum anspielen bedeutet irgendwie auch, dass der gesamte Umfang der Messe überschaubar war. Und dies ist auch richtig, die Anzahl der Aussteller war gering, die ausgestellten Titel waren für mich zwar eine ordentliche als auch sinnvolle Mischung, aber abgesehen von Sony mit der PlayStation 4 hat sich weder Nintendo mit der Nintendo Switch noch Microsoft mit der Xbox One vor Ort blicken lassen. Ähnliches gilt auch für viele Publisher. Die geringen Wartezeiten in Verbindung mit der geringen Größe bedeuten irgendwie auch wenig oder eine limitierte Anzahl an Besuchern. Klasse statt Masse, ein Versprechen der EGX Berlin 2018, welches aus Sicht der Besucher positiv zu beurteilen ist, stellt sich jedoch die Frage, ob die Aussteller dies ebenso so sehen, zu hoffen wäre es. Und dann sind da noch die kleinen Dinge wie zum Beispiel der große Bereich für E-Sport-Turniere in einer eigenen Halle, welche aber fast durchgehend sehr leer war. Ein dezidierter wenn auch eher kleiner Bereich für Brettspiele, der aber irgendwie von den Besuchern so komplett ignoriert wurde. Die EGX Berlin 2018 war im Prinzip eine direkte Kopie des Formats des Vorbilds in einer flächenmäßig reduzierten Form, jedoch anstelle von britischen Besuchern gab es primär aufgrund der Örtlichkeit deutsche Besucher. Was in Birmingham ausgezeichnet funktioniert, funktioniert in Berlin nicht zwangsläufig auf dem gleichen Niveau. Und dies traf auch leider auf die Vorträge sowie Panels in Bezug auf die Besucher zu.

Weswegen leider? Weil die Vorträge und Panels für mich der wichtigste und beste Aspekt der gesamten EGX Berlin 2018 war, ehrlicherweise sogar der primäre Grund für mich überhaupt die EGX Berlin 2018 zu besuchen. Es ist eine Videospielmesse und natürlich ist das Spielen von Videospielen ein wichtiger Teil einer solchen Veranstaltung, aber noch viel wichtiger sind eigentlich die Menschen dahinter. Die gesamte Videospielindustrie stellt seit eh und je die Titel in den Fokus, die Menschen, die daran arbeiten und Videospiele zu dem gemacht haben was heute das Medium ist, sind für viele leider unsichtbar. Und genau hier setzen die Vorträge und Panels an. Es bringt diese Menschen auf eine Bühne, es entsteht die Möglichkeit etwas wirklich über die Entstehung von Videospielen zu erfahren und es bringt neue Perspektiven auf das Medium. Beispiele? Max Amordeluso von Amazon hat in einer Stunde kurz die Möglichkeiten umrissen wie man für Alexa sprachgesteuerte Videospielerfahrungen entwickeln kann und einige faszinierende bereits veröffentlichte Projekte gezeigt. Sven Vössin bot einen Überblick über die Geschichte und den Ist-Stand des deutschen Jugendschutzgesetzes und dem Thema Indizierung von Inhalten. Journalisten, PR-Mitarbeiter und Influencer diskutierten über die Verschiebung der Relevanz der jeweiligen Kommunikationskanäle und die Standpunkte waren am Ende in der Runde noch unklarer als am Anfang. Total unterschiedliche Themen, erfrischend andere Ansätze, absolut verschiedene Eindrücke, aber am Ende eine für mich enorme persönliche Bereicherung, um das Medium Videospiel teilweise wieder anders sehen zu können. Der Eintrag Vorträge und Panels ist auf meiner gedanklichen Checkliste für die EGX Berlin 2018 mehr als komplett abgehackt und wird in den kommenden Jahren hoffentlich inhaltlich ausgebaut und auch hoffentlich mit entsprechenden Maßnahmen noch prominenter in den Fokus der Besucher gerückt.

Ganz ehrlich, ich möchte die EGX Berlin 2018 und ich bin ein Fan des gewählten Formats. Hinter dem Kürzel EGX findet man keine klassische Videospielmesse, es ist vielmehr eine Mitmachmesse mit einem starken Fokus auf das Medium Videospiele. Kommt man nur um Videospiele zu spielen, ist man vermutlich etwas enttäuscht. Kommt man aber um Videospiele zu spielen und öffnet sich selbst für neue Themen beim Medium Videospiele, kann man unheimlich viel für sich selbst und eines seiner liebsten Hobbys mitnehmen. Sei es in den Vorträgen oder Panels, sei es in Gesprächen mit Gleichgesinnten sowie Branchenvertretern während des Mittagessens oder wenn man sich einfach mal aus seiner Komfortzone bewegt und Dinge macht, die man sonst noch nie auf einer Videospielmesse gemacht hat, zum Beispiel ein Brettspiel spielen.

Die EGX Berlin 2018 fand von 28. bis 30. September 2018 im Messegelände Station Berlin statt. Veranstaltet in Zusammenarbeit von Reed Exhibitions Deutschland und Gamer Network war es die erste deutsche Ausgabe der bereits seit zehn Jahren im Vereinigten Königreich stattfinden EGX Videospielmesse. Weitere Informationen zur Veranstaltung gibt es unter https://www.egx.net/berlin. Hinweis hinsichtlich Transparenz: Der Veranstalter der EGX Berlin 2018 hat mich als Pressevertreter akkreditiert.