Hype

Vor ein paar Tagen, konkret am 7. September 2018, ist das Videospiel Spider-Man für die PlayStation 4 erschienen. Über Monate hinweg hat der Publisher Sony eine Marketingkampagne für den Titel orchestriert und mit Unterstützung der über Videospiele berichtenden Medien einen regelrechten Hype um den Titel inszeniert. Nicht unüblich, wenn man sich die umgangssprachlich großen Videospiele der letzten Jahre ansieht, im konkreten Fall von Spider-Man hat dieser Hype aber zusätzlich dank des Superhelden-Themas auch die breite Masse zumindest gestreift. Am Tag der Veröffentlichung hat gefühlt jeder in meinem Umfeld mit einer PlayStation 4 das Videospiel gespielt und alle waren durchgehend begeistert. Im Prinzip alles gut, denn Sony freut sich über den nun eintretenden wirtschaftlichen Erfolg des laut der Berichterstattung besten Superhelden-Videospiels überhaupt und die Vorfreude der Videospieler wurde erfüllt.

Aber wie funktioniert so ein Hype im Umfeld von Videospielen überhaupt. Auf den ersten Blick ist es die Vorfreude von vielen Videospielern auf einen Titel und daraus resultiert organisch der Hype. Grundlegend soweit richtig, jedoch ist das organisch gar nicht so wirklich organisch. Eher ist es so, dass der Hype mittlerweile ein wichtiger Teil der vom Publisher geplanten Marketingkampagne ist. Konkret beginnt diese mit der Informationsstrategie. Bedeutet, dass bereits Monate vor der Veröffentlichung eines Videospiels auf den Tag genau geplant ist wann welche Informationen in welchen Umfang wie bekanntgegeben werden. Inhaltlich sind hierbei keine Grenzen gesetzt und die Inhalte können von spielmechanischen Elementen, über die Zusammenarbeit mit Künstlern oder auch Teile der Geschichte des Videospieles gehen. Die Art variiert ebenso wie in Form einer Ankündigung in Textform, einem erklärenden Video, dem mitreißenden Trailer und auch dem bewussten Streuen von Informationen als Gerüchte. Wichtig hierbei ist, dass der Informationsgehalt nach umfassenden Informationen am Beginn im Laufe der Zeit zunimmt und kurz vor der Veröffentlichung seinen Höhepunkt erreicht. Zeitlich so abgestimmt, dass die Zeiträume zwischen den Informationshappen immer kürzer werden, damit der interessierte Videospieler den Titel stets im Hinterkopf hat.

Unterstützt wird dieses Vorgehen von der Berichterstattung über Videospiele. Unzählige Medien im Internet die primär über Videospiele berichten, nehmen die vom Publisher bereitgestellten Informationen dankend an und veröffentlichen diese, wenn überhaupt mit minimalen Anpassungen, als berichtenswerte Neuigkeit. Geschwindigkeitsgetrieben und ohne wirkliche Bewertung hinsichtlich Relevanz, werden vom Publisher definierte Inhalte einer breiten Masse präsentiert, von anderen Medien im Internet weiter kopiert und beim Videospieler entsteht durch diese Art der Berichterstattung ein verfälschter Eindruck bezüglich der Relevanz von Informationen und auch dem Videospiel selbst. Quasi synchron zur Marketingkampagne des Publishers verbreiten eine hohe Anzahl an Berichterstattern dieselben Informationen, modifizieren zur Optimierung der Zugriffszahlen am ehesten die Überschrift und helfen den vom Publisher gewünschten Hype zu stärken.

Und keine Sorge, dies wird kein Mimimi-Beitrag, in dem ich mich über den fragwürdigen Zustand der Berichterstattung über Videospiele ärgere. Die Berichterstattung zu Videospielen fällt in die Sparte des Unterhaltungsjournalismus und im Prinzip ist es absolut egal ob der Großteil der Berichterstattung aus dem Kopieren von Pressemeldungen besteht oder nicht. Mich ärgert vielleicht etwas, dass eine solche Handhabung von manchen als journalistische Leistung gesehen wird und die dadurch entstehende Echokammer an Inhalten ebenso manchmal als Rechtfertigung für die Relevanz der irrelevanten Inhalte herangezogen wird. Vereinfacht gesagt wird nämlich nur die Strategie des vom Publiher geplanten Hypes als Argument genutzt weshalb man just diesen Hype verstärkt. Ein verrücktes Gedankenkonstrukt, wenn man mit etwas Abstand darüber nachdenkt, aber leider ein reales Gedankenkonstrukt.

Wirtschaftlich sind mir die Gründe des Hypes klar, denn ein hohes Interesse der Videospieler zur Veröffentlichung eines Videospiels ist gleichbedeutend mit guten Verkaufszahlen und den damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolg für den Publisher und die Berichterstatter freuen sich gleichzeitig über viele Zugriff und Klicks. Hohe Klickzahlen bedeuten anscheinend irgendwas, glauben zumindest manche, aber das ist ein Thema für einen eigenen Beitrag.

Es gibt aber auch zwei tatsächliche Probleme solcher Hypes, die Lebensdauer und der Inhalt. Betrachten wir die zwei Aspekte am Beispiele Spider-Man. Mit der Veröffentlichung erfolgt ein letztes Aufzucken der Hype-Kampagne in Form von Testberichten, aber spätestens nach zwei Wochen ist das Videospiel hinsichtlich der Berichterstattung nicht mehr relevant. Es wurde durch das nächste Videospiel ersetzt, welches auf den Höhepunkt der eigenen Hype-Kampagne hinsteuert und kurz vor der Veröffentlichung steht. Die zuvor veröffentlichten Inhalte sind in den digitalen Archiven verschwunden, der wirtschaftlich wichtige erste Schwung Videospieler hat gekauft und die Erinnerungen an die monatelange Vorfreude ist in dem zeitlich überschaubaren Zeitraum in dem man Spider-Man durchgespielt verpufft. Das zweite Thema sind die Inhalte, denn es gibt unverhältnismäßig viele Inhalte in der Berichterstattung, die vom Publisher unreflektiert und nicht bewertet übernommen wurden und die Eigenleistung der Medien reduziert sich im Prinzip auf den Testbericht pünktlich zur Veröffentlichung. Ein Beitrag, der im Regelfall unter Zeitdruck entstanden ist um diesen möglichst früh veröffentlichen zu können. Mit etwas Abstand die eigene Erfahrung mit dem Videospiel beurteilen? Passiert nicht. Die Wertung über die Wirkung eines Videospiels im Laufe der Zeit? Findet noch seltener statt. Warum? Weil man lieber dem nächsten Hype folgt und nicht Videospiele.

Schade, denn das Berichten über Videospiele ist meiner Ansicht nach mehr als das Befolgen von Informationsstrategien die als Hype-Kampagnen ihre Relevanz tarnen. Videospiele sind ein Medium welches man durchaus mit Abstand, mit Skepsis und mit persönlichen Erfahrungen betrachten und beschreiben sollte. Natürlich sind Videospiele im Jahr 2018 noch immer mehr Unterhaltungsmedium als Kulturgut, dennoch ist dies kein Grund sich nicht differenzierter an das Medium heranzuwagen. Je mehr man sich mit dem Thema Videospiele beschäftigt, desto schwieriger ist es sich nicht von Hypes mitreißen zu lassen. Je intensiver man sich mit dem Thema Videospiele beschäftigt, desto einfach ist das Konzept, die Strategie und die Gründe hinter einem Hype zu verstehen.

Aber zurück zum Start des Beitrags, zurück zu Spider-Man für die PlayStation 4, dem Videospiel mit der wohl intensivsten Hype-Kampagne des Jahres 2018. Einem Videospiel, welches vorab in höchsten Tönen gelobt wurde und mit der Veröffentlichung diese Erwartungen auch erfüllt ohne Revolutionen hinsichtlich Videospielmechaniken abzuliefern. Mein Beitrag zum Titel folgt in ein paar Wochen, einem Zeitpunkt, an dem die meisten Videospieler Spider-Man bereits leider wieder fast vergessen haben.

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