Cord Cutter

Letztes Jahr bin ich 30 geworden, habe relativ betrachtet mehr interessante Erfahrungen gemacht als in den Jahren zuvor, meine aktuelle Videospielkonsole war öfter sowie länger in Betrieb als jede Vorgängerkonsole und ich versuche seit ein paar Wochen die Idealvorstellung einer Internetgeneration zu leben. Vor vier Wochen habe ich das Antennenkabel meines TV Receiver getrennt, die Verbindung zwischen Receiver und Fernseher gekappt und konsumiere Medieninhalte anders als meine Eltern oder meine Freunde, nämlich dann wann, wie und was ich will. Ich wurde zum Cord Cutter.

Cord Cutter - TV Kabel und Xbox One Controller

Der Begriff Cord Cutter stammt aus der US-Technologiebranche und bezeichnet Personen die den klassischen TV-Anschluss aufgegeben haben und jegliche Inhalte rein über das Internet beziehen. Anstelle der zeitlich von Anbietern vordefinierten Inhalte steht der individuelle und zeitlich flexible Konsum im Vordergrund und man zahlt nur für die gewünschten Inhalte und entsprechenden Dienste. Die ersten brauchbaren US zentrischen Statistiken gibt es seit dem Jahr 2008 und die Anzahl der Cord Cutter steigt seither stetig aufgrund verschiedenster legaler Dienste via Amazon Instant Video, iTunes, Hulu, Netflix, Xbox Video oder YouTube (und weniger legalen Quellen wie BitTorrent) und der Dienst- und Serviceintegration in TV Geräten, Streaming Boxen oder Videospielkonsolen.

Was sich in der Theorie seit Jahren leicht anhört, erzeugte in der Praxis mehrere Probleme. Das größte davon ist regional, konkreter meine Heimat und lautet Österreich. In verschiedensten Ranglisten der Lebensqualität belegt das wunderschöne Österreich seit Jahren Spitzenplätze (Platz 8 im World Happiness Report 2013 oder Platz 13 im Where-to-be-born Index 2013), war aber bis Mitte letzten Jahres ein Entwicklungsland wenn es um das Thema der legalen Mediendienste ging und damit einhergehend der Verfügbarkeit verschiedenster Apps auf Fernsehgeräten und Streaming Boxen. Innerhalb weniger Monate hat sich dies geändert und getrieben durch die Ankündigung von Netflix in Österreich zu starten, haben Anbieter wie maxdome, Sky Online, Sky Snap oder Amazon Instant Video den Sprung aus Deutschland nach Österreich geschafft. In Kombination mit der seit Jahren unendlich lobenswerten ORF-TVthek sowie dem internationalen Start von US-Sportdiensten wie MLB.TV oder dem NFL Gamepass kann man 2014 endlich als Jahr der legalen Streamingangebote in Österreich bezeichnen. Ideale Voraussetzungen für Cord Cutter, wenn man die richtigen Inhalte konsumieren möchte oder bereit ist genügend zu zahlen, denn nicht alle Inhalte sind überall verfügbar und ins besonders große Sportereignisse sind oft mit hohen Abogebühren verbunden oder glänzen durch Nichtverfügbarkeit. Dass ich persönlich weder der Faszination Fußball noch Formel 1 erlegen bin hilft zumindest mir hier ungemein.

Mein heiliger Gral um den Schritt zum Cord Cutter zu wagen? Microsofts Xbox One, die als universelles Mediacenter angekündigt wurde, deswegen mehr als nur belächelt wurde, aber nach etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung tatsächlich als universelles Mediacenter meinen Medienkonsum vollständig abdeckt, dies besser als jedes andere in Österreich verfügbare Stück Hardware macht und im Gegensatz zu allen anderen Streaming Boxen aufgrund der vorhandenen Apps auf die indirekte Nutzung von Smartphones (Stichwort: AirPlay oder Chromecast) nicht angewiesen ist. Mit einer Harmony-Fernbedienung aus dem Hause Logitech in der Hand sitze ich gemütlich auf der Coach und starte seither die gewünschte Xbox One App anstelle den Sender zu wechseln.

Die Basis meines persönlichen Entertainmentprogramms ist ein kostenpflichtiges Netflix Abo mit Inhalten in Form von Serien und Filmen. Inhaltlich vom Umfang zwar bei weitem nicht so umfassend wie das US oder UK Angebot von Netflix, aber mit mehr als genügend Inhalten für Fans von Serien und noch viel schöner für Nutzer die Serien und Filme in der englischsprachigen Originalfassung bevorzugen. Die aktuelle Dosis an Nachrichten (wie der ZIB 2) gibt es entweder Live oder auf Abruf in der GIS-finanzierten ORF-TVthek App. Hinzu kommen lokal für Österreich produzierte Inhalte wie das grandiose „Willkommen Österreich“ mit Stermann und Grissemann, die manchmal lustigen „Science Busters“, der sonntägliche Tatort, „Soko Donau“, selbstverständlich „Die Helene Fischer Show“ zur Aufheiterung während der Weihnachtsfeiertagen und manchmal auch irgendwas mit Sport (bevorzugt mit Schnee) im Live Stream. Speziellere Interessen werden durch verschiedenste YouTube Kanälen bedient wie zum Beispiel The Game Theorists, DidYouKnowGaming?, Extra Credits, Kurzgesagt oder Crash Course. Die Auswahl hierbei ist quasi unendlich und einige zusätzliche Empfehlungen findet man in der Blogserie „Watch This“ auf fabianpimminger.com. Für das manchmal erforderliche Grundrauschen nebenbei sorgt die Twitch App, wobei ich hier fast immer bei Speedruns von SNES und N64 Spielen aus meiner Jugend hängen bleibe. Den Abschluss bietet das Xbox Video Sortiment, welches die erforderliche Dosis an aktuellen Filmen mittels kostenpflichtigen Individualabruf abdeckt. Und falls alle Stricke reißen? Die viel zu wenig beworbene Media Player App für die Xbox One spielt fast alles vom eigenen USB Stick ab und für alle die es lieber organisiert haben, gibt es noch die Plex App als plattformübergreifenden Medienhub.

Lobhudelei über die Xbox One und das Angebot an Media Apps? Definitiv und die von mir erwähnten Apps sind bei weitem noch nicht alle. Vor zwölf Monate hätte ich den Schritt zum Cord Cutter in Österreich als unrealistisch eingestuft, heute bin überrascht wie schmerzfrei es war und welche Vielfalt an Inhalten auch ohne Antennenkabel möglich ist. Es kostet etwas Überwindung, es kostet teilweise eine monatlich Gebühr für Abos und natürlich die GIS, aber bereits nach vier Wochen traue ich mich zu sagen: Ich möchte nie wieder den Schritt zurückgehen.

Mehr (aber leider nicht vollständig alle) Informationen zu den auf der Xbox One verfügbaren Media Apps gibt es unter www.xbox.com/live/apps/xbox-one. Die restlichen Links zu Diensten und Kanälen finden sich im Text und weitere Empfehlungen werden gerne in den Kommentaren gelesen. Falls nun jemand noch die passende Universalfernbedienung für die Xbox One* und den eigenen Fernseher sucht, ist und bleibt die Harmony Serie von Logitech* (trotz teils anstrengender Ersteinrichtung) eine uneingeschränkte Empfehlung.

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