Fable III

In den letzten Tagen war ich glücklich, traurig, kampflustig, verliebt, verspielt, stolz und habe auch einen gewissen Hass gegen mich selbst und meine Entscheidungen entwickelt. Ich leide nicht an einer dissoziative Identitätsstörung, bin aber seit etwas mehr als einer Woche im Königreich Albion mit meinem Alter Ego unterwegs. Mit Fable III hat es Peter Molyneux geschafft den Spieler in eine andere (märchenhafte) Welt zu entführen und schickt dabei zusätzlich die Gefühlswelt des geneigten Consoleros auf eine rasante Achterbahnfahrt voller Höhen und Tiefen.

Ich werde versuchen möglichst wenig auf den Verlauf der Geschichte einzugehen, da diese jeder selbst am eigenen Leibe erfahren sollte. Um auf einige Aspekte des Spiels eingehen zu können, werden aber die groben Punkte umrissen und auch einige Details aus der ersten Spielstunde verraten. Sollte jemand absolut uneingenommen in die Spielwelt von Albion eintauchen wollen, dann sollte nur noch dieser Satz zu Ende gelesen werden und nach etwa 15 Spielstunden und mit dem Ende des Abspanns erst der restliche Beitrag zum besten Casual-Rollenspiel ever.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Teilen der Serie startet man nicht mit seiner Kindheit, sondern wacht ein halbes Jahrhundert nach Part Due im Schloss Bowerstone als Erwachsener auf. Als der rebellische zweite Sohn des letzten Helden von Albion verbrachte man bisher ein Lotterleben, während der eigene Bruder als tyrannischer Herrscher die Bewohner knechtet und sogar auf drastischen Methoden wie Kinderarbeit zurückgreift um die industrielle Revolution zu finanzieren und voranzutreiben. Dass es so nicht weitergehen kann ist schnell klar und so entscheidet man sich vom Hof zu flüchten, um eine Revolution gegen sein eigen Fleisch und Blut anzuzetteln und dadurch die Zukunft des Landes selbst lenken zu können.

Spielerisch besteht der Titel aus drei Abschnitten, wobei der erste mit etwa 80% den Großteil in Anspruch nimmt. In bester Fable Manier zieht man durchs Land um Quests zu erfüllen, Monster zu verprügeln, Schätze zu finden und betätigt sich auch als Immobilienmagnat, Konditor, Schmied oder musikalisch als Lauten Hero. Die restlichen 20% nimmt die Zeit als neuer König von Albion in Anspruch, während der man primär Entscheidungen über das Wohl der Menschheit zu fällen hat. Danach wartet das variable End-Game, in dem die noch nicht abgeschlossenen Quests, sowie die bereits aus dem Vorgänger bekannten Sammelquests in Angriff genommen werden können.

Spielerisch bleibt der dritte Teil der Serie treu, aber der stetige Trend zur Entfrustung hat auch vor Fable nicht halt gemacht. Die Kämpfe wurden einfacher, die eigene Lebensenergie regeneriert sich selbst, Zaubersprüche verbrauchen kein Mana mehr, Rüstungswerte gibt es nicht mehr, der Balken für die Lebensenergie wurde abgeschafft und natürlich kann man auch nicht wirklich das Zeitliche segnen. Der Fähigkeitenbaum wurde in Form der so genannten Siegesstrasse abgebildet und auch deutlich vereinfacht. Anstatt von Erfahrungspunkten wird mit Gildensiegel bezahlt, die man durch das Erfüllen von Questa, dem Töten von Gegner sowie durch die Interaktion mit Einwohner erhält. Die Waffen entwickeln sich parallel mit dem Spieler und so ist es auch nicht zwingend erforderlich selbst einzugreifen. Das primäre Ziel hat man immer vor Augen und um im Hauptquest voranzukommen, muss eine stetig steigende Anzahl besagter Siegel gesammelt werden. Wie und wo diese gesammelt werden, ist dem Spieler freigestellt und dank der großen Auswahl an Möglichkeiten, stellt dies nie wirklich ein Problem dar. Dem Spieler steht erneut ein vierbeiniger Freund zur Seite, der neben dem leuchten Pfad als lebendes Navigationsystem zu Schätzen, Questgegenständen und vergrabenen Objekten dient. Fable III ist noch weniger Rollenspiel als die ersten beiden Teile der Reihe, aber möchte dies eigentlich gar nicht sein, denn eigentlich steht die Entscheidung zwischen Gut oder Böse im Vordergrund und hier werden auch viele Pluspunkte gesammelt.

War in früheren Teilen die Wahl zwischen Gut und Böse relativ klar, so ist nun die Grenze zum Teil sehr verschwommen und im Gegensatz zum zweiten Teil wird man bereits zu Beginn vor harte Entscheidungen gestellt, für die man sich selbst hassen möchte. Eine der ersten Figuren die man kennenlernt ist je nach Geschlechtswahl die eigene Freundin oder der eigene Freund, mit der oder dem man Hand in Hand über das Schlossgelände läuft, um einige Momente später gemeinsam vor dem eigenen Bruder im Thronsaal zu stehen. Dieser stellt den Spieler vor eine verwerfliche Entscheidung und so hat man die Wahl ob man den liebsten Menschen oder alternativ einen kleinen Teil des Volkes über den Jordan schicken möchte. Egal ob man nun das eigene Wohl über das Wohl der Anderen stellt oder umgekehrt, sterben muss immer jemand. Durch den Hass auf den regierenden Unhold wird man zwar während des kompletten ersten Abschnitts automatisch auf die gute Seite gedrängt, hat aber im Spiel alle Möglichkeiten seiner Gesinnung freien Lauf zu lassen. So kann man sich zum Beispiel von seiner Ehefrau scheiden lassen und verliert dabei die Hälfte seines Vermögens. Alternativ nimmt man seine Frau zwecks gemeinsamer Aktivitäten mit zur Hobbe Jagd und stellt dabei fest, dass Unfälle leider passieren können. Während des zweiten Spielabschnitts warten weitere Entscheidungen auf den Spieler und ich selbst habe mich während dieser Phase mehrmals selbst verflucht und innerliche Grabenkämpfe sowie Kriege ausgetragen, denn egal wie positiv eine Entscheidung sein mag, irgendwann holen diese einen ein und bei Fable III ist dies früher als man eigentlich möchte.

Wo Licht ist, ist auch Schatten und durch die Vercasualisierung fallen leider einige Punkte auf, die einige Ecken noch unrunder erscheinen lassen. So ist das Kampfsystem nicht wirklich fordernd, die Interaktionsmöglichkeiten mit den Einwohner wurden auf ein Minimum reduziert und auch Reaktionen dieser sind mehr als berechenbar und eigentlich nur simpel. Die Verwaltung der eigenen Immobilien nervt relativ schnell und auch die Ausübung von Berufen in Form von Minispielen gleicht sich und macht nach etwa fünf Minuten keinen Spaß mehr. Durch den Wegfall von Rüstungswerten dienen diese nur zur optischen Veränderung des Helden und durch die automatische Anpassung der Waffenwerte ist es ohne Probleme möglich mit der ersten Waffe das Spiel zu beenden.

Trotz dieser Probleme ist Fable III das beste (Casual-)Rollenspiel auf dem Markt, welches es schafft durch die geschickt erzählte Geschichte den Spieler mehrmals in die moralische Zwickmühle zu befördern. Die Gefühlsachterbahn zieht einen nur noch tiefer in die farbenfrohe und umfangreiche Welt von Fable III und in keiner Spielesammlung sollte dieser Meilenstein der aktuellen Videospielgeneration fehlen. Ich ziehe meinen Hut vor den Lionhead Studios und auch vor Peter Molyneux, denn kein Videospiel hat es bisher geschafft solche Emotionen in mir zu wecken und mich für (bisher) 20 Stunden dermaßen zu fesseln.

Fable III ist seit Ende Oktober für die Xbox 360 in der Standardausführung* sowie als Limited Edition* erhältlich. Einen sehr gelungenen Test gibt es auf eurogamer.de und weitere Informationen zur erfolgreichen Spieleserie gibt es auf der Lionhead Seite.

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