Sehr geehrte PR Mitarbeiter, Werte Kollegen, Liebe Freunde,
die ersten Zeilen eines Briefes sind für mich immer die schwersten Zeilen. Auch dieser Brief bildet keine Ausnahme und das Thema macht es noch kniffliger. Ich versuche es kurz zu machen und komme direkt zum Punkt, denn meiner Erfahrung nach, bringt es nichts um den heißen Brei herum zu schreiben: So gerne ich mit euch, den PR Mitarbeiter der unterschiedlichsten Firmen, auch zusammenarbeite, so sehr geht ihr mir manchmal auf die Nerven, so richtig auf die Nerven. Oft sind es nur kleine Dinge und vieles ist auch sicherlich nicht böse gemeint, aber über die Zeit summieren sich diese kleinen Dinge. Manchmal, wenn auch selten, kommt aber auch so ein PR Spezialist der alles in den Schatten stellt und so richtig danebengreift. So sehr, dass ich am liebsten den Arbeitsort des Enfant terrible aufsuchen möchte um zu fragen, ob eh noch alles in Ordnung ist. Alternativ kann man aber auch einen Brief schreiben und hoffen, dass sich die richtigen Leute angesprochen fühlen.
Natürlich ist es nicht fair eine gesamte Berufsgruppe über einen Kamm zu scheren, aber im Endeffekt macht ihr es nicht anders. Früher war alles noch einfacher, früher als noch das Denken in Schubladen funktioniert hat. Da gab es neben einer Handvoll an klassischen Medien wie Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen noch ein paar Fachmagazine, mit denen man sich als PR Mitarbeiter gut arrangieren konnte. Im Bereich der Videospiele war dies vermutlich einfacher als im Vergleich zu anderen Themengebieten, da man schlichtweg Unterhaltung verkauft und deswegen immer alle super gut drauf sind und sich weniger mit echten Problemen beschäftigen müssen. Die Videospielindustrie hat von Beginn an die Berichterstattung über sich selbst quer- und oder mitfinanziert und auch wenn es niemand laut ausgesprochen hat, alle haben es gewusst und vermutlich auch unbewusst ein kleines bisschen danach gelebt. Aber irgendwann hat das alte System nicht mehr funktioniert, das Internet hat sich durchgesetzt und euer Job wurde komplizierter.
Es waren diese Blogger, die irgendwann so wichtig wurden, dass man sie nicht länger ignorieren konnte. Diese Blogger waren euch von Anfang an suspekt und ich verstehe auch warum. Schreiben im Internet über Produkte die ihr betreut und sind schlichtweg schwierig einzuschätzen. Manche schreiben, weil sie einfach schreiben wollen und man stolpert eher per Zufall über die Texte. Andere melden sich bei euch regelmäßig und wollen irgendwelche Informationen oder gar so wie die eingesessenen Journalisten der klassischen Medien behandelt werden. Fast ein Skandal, da keiner von diesen Bloggern ein Journalist ist und auch keinen Presseausweis hat. Und ihr steht nicht alleine da mit dieser Meinung, denn auch die Journalisten mit denen ihr seit Jahren zusammenarbeitet, die sehen es so wie ihr und sind auch von Anfang an eher skeptisch gegenüber diesen Bloggern gewesen.
Euer Job ist die Reichweite des von euch betreuten Produkts zu maximieren und im besten Fall das Produkt auch noch optimal zu positionieren. Wo es früher gereicht hat mit ein paar wenigen Leuten zu arbeiten, muss man sich aufgrund der sinkenden Relevanz von klassischen Medien im Bereich der Videospiele nun mit deutlich mehr Leuten aus dem Internet beschäftigen. Ja, ich meine noch immer diese Blogger. Die Zusammenarbeit hat am Anfang auch irgendwie funktioniert, aber irgendwann wurden es immer mehr Blogger, bis der Überblick verloren gegangen ist und ihr dazu übergegangen seid, diese Leute aus dem Internet in eine eigene gedankliche Schublade zu stecken.
Der Grund ist nämlich, dass euch etwas aufgefallen ist. Manche die sich gemeldet haben, wollten sich gar nicht mit dem von euch betreuten Produkt beschäftigten, sondern einfach irgendwas kostenlos haben. Eure Lösung war einfach, denn die Skepsis die ihr zu Beginn hattet, hat sich bewahrheitet und Blogger wurden zu dem nicht laut ausgesprochenen Übel was es gibt und mit dem man irgendwie arbeiten muss, aber eigentlich nicht arbeiten möchte. Euer Lösungsweg? Minimalismus. Versuchen relativ schnell den Blogger einzustufen, einfach nett sein und hoffen, dass man mit dem geringen Aufwand eines Textbausteins dieses notwendige Übel möglichst effektiv abfertigen kann. Wird schon niemanden auffallen, wird schon in der Masse untergehen habt ihr euch gedacht.
Ich verrate euch mal etwas: Nicht alle Blogger sind gleich und nicht alle Blogger fallen auf diese Taktik des Minimalismus rein. Und noch etwas: Ich mag es nicht in Schubladen gesteckt zu werden und auch wenn eure Absage höflich formuliert ist, muss ich diese nicht stillschweigend akzeptieren. Noch weniger, wenn wir vorher ein paar Mal hin und hergeschrieben haben, ihr alle möglichen Zugriffszahlen zum Blog sowie Social-Media-Kanälen wolltet und am Ende dann nur ein 0815-Textbaustein mit einer Absage kommt. Die Absage dabei ist gar nicht das Problem, das wirkliche Problem ist der generische Textbaustein, der im Prinzip bedeutet, dass ihr feig seid. Zu feig um zu sagen, warum die Absage kommt. Egal ob wegen der geringen und mittlerweile nicht mehr so relevanten Reichweite, dem nicht optimalen Umfeld zur inhaltlichen Platzierung oder ob ihr einfach keine Lust habt mit mir zu arbeiten, sagt es doch einfach. Sich auf die vielen Anfragen und oder irgendwelche künstlichen Limitierungen rauszureden ist schon etwas zu einfach und auch unfair. Ja, man macht sich vielleicht nicht beliebt mit der Wahrheit, aber so wie ihr ehrliche Antworten möchtet, so könnt ihr euch ehrlich zu mir sein. Ich verkrafte sowas schon und bin ich auch bei Absagen nicht persönlich beleidigt. Und noch was, nehmt es nicht persönlich, wenn ich auf einen solchen 0815-Textbaustein antworte, meinen Standpunkt dazu mitteile und mich nach dem wirklichen Grund erkundige. Es geht dabei nicht gegen euch, das Produkt oder euren Arbeitgeber, es ist in meinen Augen ein normaler Dialog und die ehrliche Beantwortung auch Teil eures Jobs.
Das Problem hinter dem nicht aussprechen der Wahrheit ist nämlich, dass es irgendwann nicht mehr funktioniert. Zum einen Reden manche Blogger miteinander und in seltenen Fällen reden manche Blogger auch mit den von euch bevorzugten Journalisten. Was vielleicht im ersten Moment als höfliche Notlüge funktioniert, wird irgendwann einfach zu einer billigen Lüge und unangenehm.
Mir ist klar, es ist alles nicht so einfach. Ihr habt sauber ausgearbeitete PR Strategien und versucht alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Kanäle mit großer Reichweite müssen bevorzugt behandelt werden im Vergleich zu Kanälen mit geringerer Reichweite. Medien, die zeitlich geplante Inhalte pünktlich veröffentlichen, sind klarerweise beliebter als Medien mit eigenen Zeitplänen. Unkomplizierte Beiträge werden lieber gesehen, als wenn sich jemand kritisch mit eurem Produkt auseinandersetzt. Blogger wie ich, machen das alles nicht einfacher, aber es ist nun mal eurer Job alles unter einen Hut zu bekommen.
Und zum Schluss noch ein Hinweis, der zumindest bei mir in den letzten Monaten mehrfach zum Tragen gekommen ist: Man trifft sich immer zweimal im Leben. Nein, es ist keine Drohung oder irgendwas, aber das berufliche Umfeld im Bereich der Videospiele ist klein und damit die Wahrscheinlichkeit auf ein erneutes Zusammentreffen groß. Blöd ist es dann, wenn sich die Ausgangspositionen geändert haben und ihr plötzlich etwas von mir möchtet. Egal ob es Fotos von einer Veranstaltung sind, ein Textbeitrag zu einem Videospiel über das sonst niemand berichtet oder Informationen die nur ich liefern kann. Wenn ich in der Vergangenheit nur mit unqualifizierten Bullshit abgefertigt wurde, dann ist meine Motivation gegenüber euch relativ gering. Und wenn ihr dies mitbekommt, dann helfen euch auch keine Textfloskeln wie „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, „Win-Win-Situation“ oder „Eine Hand wäscht die andere“. Sowas funktionierte vielleicht früher wie man noch mit Schubladen arbeiten konnte, aber ich passe in keine Schublade.
Es geht mir nicht um exklusive Informationen, Pressereisen, kostenlose Spiele oder sonstige Dinge. Das soll auch kein unqualifizierter Mimimimi-Alle-Sind-Gemein-Zu-Mir-Brief sein. Wenn ich etwas möchte, dann kaufe ich es mir, denn zum Glück bin ich im Gegensatz zu den alteingesessenen Berichterstattern finanziell nicht auf euch oder eure Auftraggeber angewiesen. Mir ist klar, dass meine Reichweite und Relevanz anders ist, als die von anderen Medien. Lasst uns aber bitte dennoch einfach ehrlich miteinander umgehen und wenn es aus welchen Gründen mal nicht passen sollte, dies auch so sagen. Ihr bevorzugt die Wahrheit, viele Blogger bevorzugen ebenso wie ich die Wahrheit. Es bedarf ein Umdenken bei euch und es ist sicherlich auch nicht immer einfach, aber es ist nachhaltig sinnvoll und erspart unangenehme zukünftige Situation. Nehmt es nicht persönlich, Blogger nehmen qualifizierte Absagen auch nicht persönlich. Versteckt euch nicht hinter Textbausteinen, kommuniziert einfach. So wie man nicht immer der beliebteste Blogger sein muss, so muss man auch nicht immer der beliebteste PR-Mitarbeiter sein. Ich werde euch auch wirklich nicht böse sein, denn Ehrlichkeit und Offenheit führen eher zum Gegenteil.
Liebe Grüße,
Christoph