Pause – Start, Stop And Continue

„Christoph, Mittagessen ist fertig!“ hallte es früher durch den Gang in Richtung Kinderzimmer. Meine Antwort darauf war klassisch: „In 5 Minuten, ich muss noch den Level fertig spielen und kann gerade nicht pausieren.“ Damals eine doppelte Lüge, denn natürlich musste ich den Abschnitt nicht fertig spielen und in Wirklichkeit hätte ich einfach die Start-Taste auf dem Controller drücken können um das Videospiel zu pausieren. Eine überaus praktische Funktion um den Ausflug in die virtuelle Spielwelt zu unterbrechen und kurz ins echte Leben zu flüchten. Ebenso eine Funktion die für mich seit Anbeginn meiner Videospiellaufbahn selbstverständlich war und der ich eigentlich nie besondere Beachtung geschenkt habe. Der letzte Satz nutzt bewusst die Vergangenheitsform, denn die Pausenfunktion scheint ein Auslaufmodell zu sein.

Pause - Start, Stop and Continue - Press Start To Pause

Schuld an dieser Entwicklung ist die Hyperkonnektivität der aktuellen Generation an Videospielkonsolen. Immer online, immer verbunden und immer am aktuellen Stand wandern Funktionen die es zuvor nur im Mehrspielermodus gab immer stärker in Richtung der Einzelspielererfahrung. Diese Entwicklung finde ich grundlegend auch gut, da es ein relativ einfacher aber effektiver Weg ist um ein Videospiel interessanter und auch persönlicher zu gestalten. Ein gutes Beispiel sind Rennspiele, bei denen man zwar gegen von der Videospielkonsole gesteuerte Konkurrenten antritt, jedoch zusätzlich den Vergleich hat, wie die eigenen Freunde dasselbe Rennen gemeistert haben. Spielmechanisch hat es meist keinen Einfluss ob ich besser oder schlechter bin als meine Freunde, jedoch die eigene emotionale Zufriedenheit, wenn die Zeit eines Freundes unterboten wurde ist deutlich höher, als wenn ich nur gegen die Computergegner gewinne.

Die genutzten Ansätze für eine solche asynchrone Einbettung von Onlinedaten sind unterschiedlich. Bei Forza Motorsport 6 und Forza Horizon 2 sind es zum Beispiel die sogenannten Drivatare, gegen die man antritt und die ein den Freunden ähnliches Fahrverhalten an den Tag legen. Bei Assassin’s Creed Syndicate aktiviert man durch besondere Aktionen spezielle Ereignisse in der Spielwelt von Freunden und deren Aktionen zeigen ebenso Auswirkungen auf die eigene Spielwelt. Der üblichste und wohl generischste Ansatz ist eine Rangliste am Ende eines Abschnitts, in der messbare Werte wie Punkte oder Abschüsse verglichen werden. Alles noch kein Hindernis für die Pausenfunktion, da es sich wie bereits erwähnt um eine asynchrone Vernetzung handelt. Jemand spielt, die Daten werden online erfasst, von meiner Videospielkonsole geladen und dynamisch in meine lokale Einzelspielererfahrung integriert.

Doch leider wird dieser asynchrone Ansatz seit ein paar Monaten teilweise, und ich befürchte künftig immer stärker, durch eine zwingende, aber nicht für jeden Spielertyp sinnvolle, synchrone Vernetzung ersetzt beziehungsweise erweitert. Ein klassisches Beispiel für den synchronen Ansatz sind MMOGs (Massively Multiplayer Online Game) wie World of Warcraft. Dort wird eine an zentraler Stelle berechnete konsistente Spielwelt geboten, in der unzählige Spieler gleichzeitig gemeinsam und auch alleine Abenteuer absolvieren können. Eine Pausenfunktion ist hier technisch nicht möglich und wird auch aufgrund der Ausrichtung von niemanden erwartet. Aber genau dieser synchrone Ansatz hält seit dem letzten Generationswechsel auch langsam aber sicher Einzug auf den heutigen Videospielkonsolen und bei aktuellen Videospielen.

Das prominenteste Beispiel der letzten Monate ist Destiny. Ein First-Person-Shooter der zwar einen sehr starken Fokus auf die Mehrspielerkomponente legt, aber laut Entwickler auch alleine gespielt werden kann. Dieses Versprechen funktioniert auch, da man sich zwar wie bei einem MMOG die globale Spielwelt mit anderen Spielern teilt, aber die einzelnen Missionen auch alleine absolvieren kann. Jedoch spielt man diese Missionen dennoch auf dem zentralen Onlinedienst und auch wenn ich just in diesem Moment isoliert bin, bin ich in Wirklichkeit ein kleiner Teil der zentral betriebenen Spielwelt von Destiny und wurde damit trotz Einzelspielererfahrung der Pausenfunktion beraubt. Ein Blick auf die Karte oder schnell die Ausrüstung anpassen? Menü aufrufen und hoffen, dass man sich tatsächlich in einer gesicherten Umgebung befindet und nicht der nächste Gegner bereits auf einen losstürmt.

Aber nicht nur Rollenspiele, Shooter oder Action-Adventures sind von diesem Trend betroffen, auch früher klassische Einzelspielertitel wie Need for Speed folgen dem Muster. Der aktuelle ziffernlose Teil nutzt ebenso zentrale Onlinekomponenten und verbindet den Spieler, unabhängig ob er will oder nicht, mit anderen Rennfahrern in der offenen Spielwelt. Startet man ein Einzelspielerrennen merkt man davon zwar nichts und liefert sich klassisch ein Duell gegen computergesteuerte Kontrahenten, aber man merkt es indirekt durch die ebenfalls fehlende Pausenfunktion. Wo man früher bei vollem Tempo mittels Taste am Controller kurz pausierte, die Strecke verinnerlichte und genau an derselben Stelle fortsetzte, fährt man nun bei vollem Tempo gegen die Wand, den Gegenverkehr oder ins nirgendwo.

Nur warum ist dies ein Problem? Weil (m)ein Leben neben dem Videospiel weitergeht und ich erwarte, dass sich das Videospiel eher den Spielgewohnheiten anpasst und nicht umgekehrt. Ich spiele liebend gerne Einzelspielerfahrungen und egal ob ich alleine in Destiny Unmengen an Gegner eliminieren oder in Need For Speed diverse Straßenrennen absolvieren möchte, ich möchte Start drücken und das Videospiel pausieren können. Sei es, dass jemand nach Hause kommt, das Smartphone läutet oder der Gang zum stillen Örtchen ansteht, die Möglichkeit zu Pausieren ist auch 2015 noch relevant. Die Hyperkonnektivität mag viele neue Funktionen ermöglichen, solange jedoch keine dieser Funktionen mir als Einzelspieler einen tatsächlichen Mehrwert bietet, rechtfertigt keine dieser Funktionen das Weglassen der Pausenfunktion. Egal wie immersiv die Spielwelt auf fernen Planeten oder dynamisch der Straßenverkehr in einem Rennspiel auch sein mag, wenn ich alleine spiele, dann muss beim Drücken der Menü-Taste die virtuelle Welt für die echte Welt zumindest kurz pausieren.

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