Lange habe ich überlegt, ob ich die nächsten beiden Absätze überhaupt schreiben soll. Fast noch länger musste abgewogen werden, in wie weit ich meine bisherige Erfahrung im Bereich der Community Arbeit einarbeite und wie genau auf vergangene Sachen eingegangen werden soll. Wem gegenüber wäre der Beitrag unfair? Für die Auftraggebeer, für die Mitstreiter oder gar für die Community beziehungsweise einzelnen Personen daraus? Eigentlich ist es mittlerweile egal, denn das Thema Community Arbeit liegt (weit) hinter mir (Beitrag 1, Beitrag 2 und Beitrag 3) und ich blicke mit einem weinenden und auch einem lachenden Auge zurück. Es hat oftmals unheimlich viel Spaß gemacht, war aber noch öfter einfach nur frustrierend. Vor kurzem habe ich wieder bemerkt, wie wenig sich eigentlich in den letzten Jahren verändert hat und wie verzogen und arogant viele Core Gamer sind.
Vielleicht bin ich in einer zu heilen Welt aufgewachsen oder meine Eltern haben mich zu höflich und freundlich erzogen, aber wenn ich an meine Zeit auf Spielemessen zurückdenke, dann erschrecke ich heute noch. Da war zum Beispiel die Games Convention in Leipzig, zu der ich zwei Jahr lang dutzende Webmaster, Modder und Fans im Auftrag eines großen Publishers einladen durfte (siehe Beitrag 3 weiter oben). Es wurden ganzen Jugendherbergen und Hotels gebucht, es wurden Fachbesucherkarten gekauft und dank einer Grundverpflegung in Form von belegten Brötchen, Softdrinks und täglichen Cateringutscheinen war der Hungertod am Messegelände auch in weite Ferne gerückt. Zusätzlich gab es einen Rückzugsbereich mit WLAN, T-Shirts, Q&A Sessions mit den Entwicklern und eine richtig gelungen Party am letzten Abend (auch wenn Selbstlob stinkt, die Partys waren immer verdammt gut). Die geladenen Gäste konnten für wenig Geld (die Anreise war selbst zu finanzieren, wurde aber in Härtefällen zum Teil übernommen) ein richtig gutes Wochenende mit Gleichgesinnten verbringen und ich persönlich wäre vermutlich unheimlich glücklich und auch dankbar gewesen. Es gab einige Gäste die ähnlich dachten und fühlten, aber für etwa 40% war dies alles nicht genug. Man reicht die Hand und plötzlich merkt man, dass der gesamte Arm brutal weggerissen wurde und die Schuld trägt man natürlich selbst. Die Aktion „Ich versuche mir jeden Tag fünf Cateringgutscheine zu holen“ ist vermutlich das geringste Thema überhaupt gewesen. Sehr bemerkenswert fand ich dabei immer, wie skrupellos gegrinst wird, wenn man die Sache aufgeklärt hat und der Webmaster, Modder oder Fan ohne zusätzliche Gutscheine das Feld räumen muss. Die Frage nach zusätzlichen Fachbesucherkarten für Freunde, Freundin, Hund oder Clankollegen fällt auch in den gleichen Bereich und der versuchte Klau von Partyeinladungen ist eigentlich auch keine wirkliche Erwähnung mehr wert. Eine meiner Lieblingsaktionen war jedoch die Belagerung eines Zimmers in einer Jugendherberge. Das Zimmer war für drei geladene Gäste vorgesehen, wovon zwei aus persönlichen Gründen vorzeitig abreisen musste. Der übrig gebliebe Gast wurde kurz darauf von mir rausgeworfen, nachdem ich vom Betreiber gegen 22:00 angerufen wurde und vor Ort festgestellt habe, dass plötzlich acht (!) Freunde zusätzlich das gemütlich eingerichtete Dreibettzimmer bezogen haben (inkl. Feldbetten und Schlafsäcke). Es wird weder gefragt oder Rücksprache gehalten, es wird einfach auf Teufel komm raus probiert, gelogen und betrogen. Ähnlich war das Ding mit der Party, für die jedes Jahr Einladungen verteilt wurden (und ich spare mir das Thema mit zusätzlichen Einladungen für die Oma oder die Freundin). Die Einladungen waren (versteckt) markiert und so war es möglich zu erkennen, welche Einladung wem gegeben wurde. Nicht nur einmal ist es passiert, dass jemand seine Einladung im Hotel vergessen hat und etwa 15 Minuten später die markierte Einladung von jemand anderen vorgezeigt wurde. Meist wurde der Einlass auch gewährt (weil es praktisch egal war), aber ich verstehe die Gedankengänge dahinter einfach nicht. Da bekommt man praktisch alles in den Arsch geschoben und lügt und betrügt trotzdem soweit es geht …
Gleichzeitig sind das aber auch die Gamer, die im Internet die Klappe am weitesten aufreißen. Zuletzt ist mir dies vor und während des Kinect Launches aufgefallen, da zu diesem Zeitpunkt Microsoft seine Marketingstrategie massiv geändert hat. Die Fokussierung der Zielgruppe wurde deutlich aufgeweicht und Kinect wurde in Richtung Otto Normalverbraucher vermarktet. Dies gefällt natürlich dem jahrelang verwöhnten Core Gamer von heute nicht und das Weinen in den Foren war unheimlich groß. Phrasen wurden geschwungen und der Untergang der Xbox 360 als Core Gamer Konsole war schon am Horizont erkennbar. Niemand wollte verstehen, dass diese neue Zielgruppe für Microsoft unheimlich wichtig ist und noch unverständlicher war die Eventpolitik. Es gab keine Pulse Events mehr, aber dafür wurde in die Game City investiert, die ja nichts für richtige Spieler ist. Das Traurige daran ist aber, dass es die Core Gamer eigentlich nicht anders verdienen. Ich erinnere mich noch an den Versuch eines Forentreffen des offiziellen Xbox Forums auf der Game-City, zu dem dann ganze zwei Personen (inklusive mir) erschienen sind. Dann gab es Anfang des Jahres eine Gears of War 3 Preview Tour mit Stationen in Graz, Innsbruck in Wien und obwohl der Zahnrad Shooter wohl der Core Titel für dieses Jahr ist, war die Anzahl der Besucher … sagen wir mal eher niedrig. Da wird massiv Geld in die Hand genommen um wieder etwas für die Zielgruppe von früher zu machen und das Einzige was folgt ist die Enttäuschung. Der Besuch von einer solchen Veranstaltung ist natürlich mit einem gewissen Aufwand verbunden und mir ist auch bewusst, dass nicht jeder an jedem Tag Zeit haben kann, aber eine solch geringe Beteiligung ist einfach nur traurig. Ähnlich war auch die Sache mit der Verlosung von Gears of War 3 Beta Codes im offiziellen Xbox Forum, bei der in Summe nur eine einzige Person mitgemacht hat.
Sind Core Gamer wirklich so verzogen und faul oder habe ich immer mit den falschen Leuten zu tun? Sehe ich nur noch die negativen Beiträge und Kommentare? Wird das Motto „Don’t be a dick“ wirklich nicht mehr gelebt? Mir ist bewusst, dass man sich eher an die schlechten Erfahrungen erinnert und die guten Momente leichter vergisst, aber eine gewisse Grundarroganz ist leider feststellbar.
Eine kleine Bemerkung am Rande: Dieser Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder und manche Sätze sind gewollt überspitzt formuliert. Zusätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass ich während der letzten Jahre viele angenehme Gaming Bekanntschaften erleben durfte, aber leider auch massive Enttäuschungen hinnehmen musste.