Untitled Goose Game

Also ein Videospiel, in dem man in die Rolle einer Gans schlüpft und dann Aufgaben erfüllt, was vereinfacht immer auf etwas Randale und leichtes Chaos bei den Bewohnern der Videospielwelt rausläuft. Man navigiert mit der Gans durch unterschiedliche Szenarien und überlegt auf welche Art und mit welchen Hilfsmitteln die pro Bereich individuelle Liste an Aufgaben erfüllt werden kann, um schlussendlich zum nächsten Bereich zu gelangen. Das eigene Bewegungsrepertoire ist der Tatsache geschuldet, dass man die Rolle eines Geflügeltiers einnimmt, entsprechend limitiert und so kann man mittels Tastendruckes etwas schneller laufen, die Flügel ausbreiten, den Schnabel zum Boden neigen, mit Objekten interagieren und schnattern. Klingt minimalistisch merkwürdig, funktioniert aber soweit um das Videospiel, welches eine Mischung der Genres Stealth, also Schleichen, und Puzzle, also Rätsel lösen sowie kombinieren, darstellt, innerhalb von etwa zwei bis drei Stunden erstmalig zu beenden. Was zwischen Start und Ende passiert? Erkunden der Umgebung, Analyse der Ist-Situation, Lösungsfindung zur gewünschten Soll-Situation, etwas herumprobieren, sich selbst die Frage stellen weshalb die Gans so böse ist, unkontrolliertes Schnattern zur eigenen Erheiterung und sich mehrfach die Frage stellen was man da eigentlich gerade tut.

Untitled Goose Game - Xbox One Packshot

Es ist ein ungewöhnlicher Beginn für einen meiner Texte, aber Untitled Goose Game ist ein ungewöhnliches Videospiel. Die Erklärung wie ich zu einem solchen Fazit komme, ist an dieser Stelle wohl überflüssig. Erst recht, wenn man erneut den allerersten Satz des Textes langsam liest und dabei über die vom Titel erzeugte Situation für den Videospieler ein paar Minuten nachdenkt. Es liest sich absurd, es klingt absurd und es ist schlichtweg absurd.

Ähnlich wie die Tatsache, dass man als Videospieler in Untitled Goose Game in die Rolle einer abgrundtief bösen, hinterhältigen, unerbittlichen, heimtückischen, rücksichtslosen, Randale stiftenden und von Egomanie getriebenen Gans schlüpft. Man manipuliert Wasserleitungen um im Garten arbeitende Bewohner nass zu machen, man klaut Strohhüte damit sich jemand einen Sonnenbrand am Kopf holt, manipuliert die Kleidung eines Jungen mit Sehschwäche um dessen Brille zu stehlen, bestraft grundlos die Besitzerin eines Geschäfts mit Freiheitsentzug in einer Garage, wühlt im Müll um die Mittagsruhe mit durchs Hilfsmittel verstärkten Schnattern zu stören oder sorgt dafür, dass sich ein eingeschränkt mobiler Pensionist fast einige Knochen bricht und dadurch neben einem Besuch im Krankenhaus möglicherweise dauerhafte Schäden davon trägt. Was sich mir bis zum Ende des Titels nicht erschlossen hat, ist der Grund für diesen Hass des Geflügeltiers. Die Motivation der Gans die Bewohner der idyllisch wirkendenden Kleinsiedlung zu terrorisieren ist unverständlich und meiner Ansicht nach weder von der Ausgangsituation im Videospiel noch aus einem von der realen Welt inspirierten Verhalten von Gänsen ableitbar.

Lässt man diesen Aspekt bei Seite und tut ihn mit der standardmäßigen Erklärung für Videospiele ab, nämlich dass es ein Videospiel ist und man einfach nicht darüber nachdenken soll, dann stellte sich bei mir während des Spielens ein Gefühl der Befriedigung sowie eine kindliche Freude ein. Befriedigung, wenn ein von mir geschmiedeter Plan zur Absolvierung einer Aufgabe so funktioniert hat wie ich es mir vorgestellt habe und kindliche Freude, wenn ich grundlos für Angst und Schrecken bei den Bewohnern sorgte. Also so ohne wirklichen Grund, aber es ist einfach unheimlich witzig, wenn man sich langsam einen Bewohner nähert, ein fast schon nervenaufreibendes Starr-Duell zwischen Gans sowie Bewohner entsteht, man dann seine Flügel ausbreitet und wie ein verrückter auf die Taste zum Schnattern einhämmert. Das Resultat ist selbsterklärend, denn die Gans geht als Gewinner dieser Begegnung hervor und wenn ich darüber nachdenke, möchte ich gar nicht wissen wieviele der virtuellen Bewohner nach meinem Abenteuer Anzeichen oder gar die Diagnose einer Anatidaephobie mit sich herumtragen.

Aber warum macht ein solches Verhalten mir als Videospieler unerwartet viel Spaß. Im Falle von Untitled Goose Game ist es die Kombination aus der abwechselnden Videospiel-Mechanik zur Lösung von Rätseln sowie dem damit einhergehenden sehr befriedigenden Element, dass eine Aufgabe wortwörtlich von der Liste gestrichen wird und der Möglichkeit ohne Konsequenzen für Chaos zu sorgen. Ich vermute sehr stark, dass der zweite Punkt, also die Konsequenzlosigkeit der Aktionen die man als Gans setzt, im Vergleich zu anderen Videospielen anders ist. Anders formuliert, man kann einfach alles machen, man kann dabei erwischt werden und man hat absolut nichts zu befürchten. Teilweise etwas, was man so ähnlich auch in anderen Videospielen mit offener Videospielwelt machen kann, aber dort ist das eigene Handeln im Regelfall mit Konsequenzen als Teil einer Videospiel-Mechanik, wie zum Beispiel einer Bestrafung für den Videospieler, verbunden. Ein weiteres Element mag die geringe Relevanz der Dinge sein, die man als Gans so macht und deswegen das eigene Vorgehen viel mehr als unverfängliches Spiel und weniger als moralisch fragwürdiges Handeln gesehen werden kann. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Kann man in anderen Videospielen beispielsweise unbeteiligten Personen so nebenbei töten, so sind in Untitled Goose Game das Zerstören einer Tomate, das Zerbrechen eines Kehrbesens und das Verjagen von Personen durch Schnattern schon die größten Verbrechen.

Es ist diese ungewohnte Leichtigkeit als Videospieler, überspitzt formuliert ein massives Arschloch in Form einer Gans zu sein, ohne dass das eigene Handeln eine negative moralische Bewertung hat, welches sich neben der grundlegenden Idee des Titels so anders und irgendwie ungewohnt neu für das Medium anfühlt. Isoliert betrachtet ist man eine abgrundtief böse Gans und als Videospieler blüht man förmlicher mit einem diabolischen Dauergrinsen in der Rolle des Geflügeltiers auf, aber umgelegt auf den moralischen Kompass den wir als Menschheut haben, fallen fast alle Aktionen der Gans schlichtweg in die Kategorie Lausbubenstreiche. Dieses Spielgefühl erinnert mich sehr an früher, als man gemeinsam mit anderen einen Plan ausgeheckt hat, dieser dann mehr oder weniger funktioniert hat und der Tag im Zweifel mit einer Bestrafung wie dem kurzfristigen Hausarrest geendet ist. Genau dieses Gefühl bringt mich aber auch zur besten Art, um Untitled Goose Game unter optimalen Voraussetzungen zu erleben, nämlich gemeinsam. Egal ob mit Freunden im selben Raum oder gemeinsam mit vielen auf einer Streaming-Plattform der Wahl, gemeinsam spielt es sich als Unruhe stiftende Gans besser, gemeinsam lacht man mehr, durch gemeinsame Erlebnisse blüht man bei Untitled Goose Game erst so richtig auf.

Gespielt wurde Untitled Goose Game auf der Xbox One. Entwickelt wurde der Titel vom australischen Entwicklungsstudio House House und vertrieben wird der Titel vom amerikanischen Publisher Panic Inc.. Das Videospiel ist für PC, Mac, Nintendo Switch, PlayStation 4 und die Xbox One erhältlich. Digitale Bezugsmöglichkeiten sind der Epic Game Store (PC & Mac Direktkauf), der Nintendo Store (Switch AT Direktkauf), der PlayStation Store (PlayStation AT Direktkauf) und der Microsoft Store (Xbox Direktkauf). Preislich liegt das Videospiel bei etwa 20 Euro.

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