Im Sommer 2017, wenige Tage nach dem Start des Xbox Game Pass, veröffentlichte ich einen gleichnamigen Beitrag um den Abo-Dienst von Microsoft für Videospiele zusammenzufassen. Gleich im ersten Absatz folgte der Vergleich mit den Videoplattformen Netflix und Prime Video. Zwei Dienste, bei denen man für einen pauschalen monatlichen Betrag uneingeschränkten Zugriff auf einen Katalog von Filmen und Serien bekommt und diese je nach Zeit, Interesse und Motivation konsumieren kann. Der Xbox Game Pass scheint nach demselben Prinzip zu funktionieren, anstelle der Filme und Serien finden sich unterschiedliche Videospiele im Katalog, welche je nach Zeit, Interesse und Motivation gespielt werden können. Obwohl die Veröffentlichung des Beitrags noch nicht unverhältnismäßig lange in der Vergangenheit liegt, hat sich einiges verändert. Trotz allgemeiner anfänglicher Skepsis hat sich der Xbox Game Pass in weniger als zwei Jahren zu einem Erfolgsmodell entwickelt, Microsoft stärkte Anfang 2018 den Dienst mit der Ankündigung künftige selbstvertriebene Titel parallel zur Veröffentlichung auch im Xbox Game Pass zu veröffentlichen, der Katalog ist ebenso positiv hinsichtlich Umfang als auch Diversität gewachsen und meine damalige Beschreibung des Xbox Games Pass als Netflix für Videospiele fühlt sich mittlerweile irgendwie falsch an.
Meine damalige Annahme kommt von dem Umstand, dass sowohl das inhaltliche Konzept als auch das Bezahlmodell eine starke Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Konzept von Netflix hatte. Inhaltlich bedeutet im konkreten Fall die Art der verfügbaren Inhalte im Katalog. Netflix startete ursprünglich als Alternative zu Videotheken, wechselte nach einer Zeit zu einem Flatrate-Preismodell für das Ausleihen, fokussierte sich Jahre später auf den Vertrieb von lizenzierten Inhalten durch Online-Streaming und setzt seit ein paar Jahren aus Gründen massiv auf die Produktion von eigenen, exklusiv nur auf Netflix verfügbaren, Filmen und Serien. Der Xbox Game Pass im Vergleich befindet sich mitten drinnen, der Abo-Dienst von Microsoft für Videospiele operiert aufgrund vorhandener Infrastruktur und der veränderten Ausgangslage im Jahr 2017 von Beginn an als Online-Vertrieb und inhaltlich war es primär die Zweitverwertung von Videospielen verschiedener Publisher. Videospiele, deren Erstverwertung im Einzelverkauf nicht mehr lukrativ genug war und deren Zeit für eine Resteverwertung als Zugabe zur Onlinemitgliedschaft Xbox Live Gold noch nicht gekommen ist. Ähnlich wie Netflix änderte Microsoft das ursprüngliche Konzept der Zweitverwertung durch die Erweiterung des Xbox Game Pass mit den eigenen Titeln parallel zur Veröffentlichung im Einzelverkauf und einigen weiteren Maßnahmen.
Netflix setzte den Schritt in Richtung Produktion von eigenen Serien und Filmen um unabhängiger von Lizenzverträgen mit Produktionsfirmen zu sein, sowie um den Dienst mit eigenen Inhalten von technisch gleichfunktionierenden Konkurrenten abzuheben. Microsoft setzte den Schritt zur parallelen Veröffentlichung, um den Abo-Dienst für Videospiele aufzuwerten, mehr zahlenden Kunden zu generieren und damit gleichzeitig ein attraktiveres Angebot für andere Publisher zu schaffen. Ein Plan der, wenn man sich die Neuzugänge des Xbox Game Pass in den letzten zwölf Monaten ansieht, zu funktionierend scheint. Ein Plan, der sich vom heutigen inhaltlichen Gedanken von Netflix unterscheidet. Ein Plan, der das Fundament für zukünftige Videospiele und damit auch einem Geschäftsmodell für Videospiele legt. Und jetzt kommt der Abschnitt, in dem es ehrlicherweise etwas komplizierter wird, denn um den Xbox Game Pass heute zu verstehen, gilt es verschiedene Aspekte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Die Perspektive des Endkunden ist relativ einfach, denn für einen fixen monatlichen Betrag, erhält man unlimitierten Zugriff auf den im Abo-Dienst enthaltenen Katalog an Videospielen. Monatlich wird der Katalog um neue Titel erweitert, monatlich werden Titel entfernt. Alle Videospiele im Vertrieb durch Microsoft stehen parallel mit dem klassischen Verkauf ohne Aufpreis im Xbox Game Pass zur Verfügung. Einige weiter Titel, meist unabhängige Produktionen von Indie-Entwicklern, werden ebenso am Tag der Veröffentlichung in den Abo-Dienst aufgenommen. Der große Teil an verfügbaren Titeln ist Stand heute mehrere Monate bis Jahre alt und landet oftmals im Rahmen der Zweitverwertung im zur Verfügung stehenden Katalog.
Die Perspektive von Microsoft ist auf der wirtschaftlichen Ebene zu suchen und der Xbox Game Pass bedeutet am Ende höhere und noch viel wichtiger, regelmäßige direkte planbarere Einnahmen. Anstelle der Einnahmespitzen in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung eines Videospieles, generiert der Xbox Game Pass jeden Monat konstante Einnahmen. Konstant bedeutet hier, dass die Anzahl der Abonnenten zwar in einem gewissen Bereich schwankt, aber bei weitem nicht so abhängig ist von diversen Faktoren wie der wirtschaftliche Erfolg im klassischen Vertrieb. Ein weiterer Vorteil für Microsoft ist die direkte wirtschaftliche Beziehung zum Kunden, denn der monatliche Betrag für den Abo-Dienst geht direkt an Microsoft und wird nicht durch Margen des Einzelhandels reduziert. Aber dabei bleibt es nicht, denn auch der Wegfall des Gebrauchtmarkts aufgrund der Bereitstellung als rein digitaler Service und eine stärkere Bindung an die Xbox-Plattform sind förderliche Teile der wirtschaftlichen Strategie hinter dem Xbox Game Pass.
Die Perspektive anderer Publisher ist eine Kombination aus Zweitverwertung, einem Marketing-Instrument und auch als möglicher Hebel in speziellen Situationen. Setzt ein Titel im Rahmen der Erstverwertung nicht mehr genug um, dann ist eine Platzierung im Xbox Game Pass eine Möglichkeit, um ein Videospiel im mittlerweile sehr kurzen Lebenszyklus wieder in den Kopf von Videospielern zu bekommen. Eine Aufnahme in den Xbox Game Pass wird auch von Microsoft entsprechend finanziell vergütet und erzeugt damit eine weitere Einnahmequelle auf mittellange Sicht. Der Nutzen geht aber weiter, denn der Xbox Game Pass kann auch als Werkzeug hinsichtlich Marketings genutzt werden, um zum Beispiel das Interesse an einem bald erscheinenden Nachfolger zu einem Titel zu erhöhen oder stärken. Dazu reicht es den Vorgänger eines bald erscheinenden Videospiels etwa ein halbes Jahr vor dem Erscheinen des Nachfolgers in den Dienst aufzunehmen, um interessierte aber vielleicht noch unentschlossene mögliche Käufer von der Qualität einer Videospiel-Reihe zu überzeugen. Und dann ist da noch der Hebel in speziellen Situationen, welcher bei wirtschaftlich nicht erfolgreichen Titeln genutzt werden kann. Ein Beispiel sind Titel mit Fokus auf den Mehrspielermodus, welche sich in der Erstverwertung zu schlecht verkaufen, um die erforderliche kritische Masse an Videospielern für einen funktionierenden Mehrspielermodus zu erreichen. Eine Aufnahme in den Xbox Game Pass verschafft solchen Titeln einen neuen Schwung an neuen Videospielern, wodurch der Mehrspielermodus entweder erneut belebt wird oder erstmalig so belebt wird, dass ein weiteres Wachstum des Videospiels möglich ist. Für Publisher nicht der angenehmste Ausweg, aber oft ein besserer Weg als einen Titel wenige Woche nach der Veröffentlichung bereits sterben zu lassen oder durch eine massive Preissenkung die früheren Käufer noch mehr zu verärgern.
Drei unterschiedliche Perspektiven, welche meiner Meinung nach die unterschiedlichen Motivationen verdeutlichen und auch zeigen, dass ein direkter Vergleich mit Netflix nicht wirklich möglich ist. Filme und Serien sind auch ein komplett anderes Medium, denn diese bestehen aus einem Anfang, einem Mittelteil und einem Ende. Dann ist es vorbei. Videospiele funktionieren teilweise auch anhand dieser Struktur, aber immer mehr Videospiele sind auf Langfristigkeit ausgelegt und sind grundlegend ebenso eine zeitlich längere und persönlich intensivere Erfahrung, für die ein stärkeres Bekenntnis des Videospielers hinsichtlich Zeit erforderlich is als bei anderen Medien. Videospiele haben auch neben dem klassischen Verkauf mittlerweile Geschäftsmodelle innerhalb der Spielerfahrung und funktionieren heute wirtschaftlich einfach anders. Einige Aspekte sind ähnlich und ähnlich wie bei Netflix sieht man auch beim Xbox Game Pass ein gestiegenes Nutzungsverhalten hinsichtlich der individuellen Zeit mit Videospielen aufgrund des fixen monatlichen Pauschalbetrags, aber damit enden derzeit auch die Gemeinsamkeiten.
Für mich zum Beispiel hat sich der Xbox Game Pass in den letzten Jahren als Dienst für das Entdecken von Videospielen etabliert. Es gibt Titel, an denen ich immer schon ein gewisses Interesse hatte, die ich aber am Ende aus diversen Gründen nicht gespielt habe, aber welche ich jetzt spiele. Es gibt Titel, von denen ich noch nie etwas gehört habe, die aber von Freunden gespielt oder auch empfohlen werden und diese Titel spiele ich auch mittlerweile. Es gibt Titel in Genres, die mir grundlegend eigentlich nicht liegen, aber durch die sofortige Verfügbarkeit ohne wirkliche Einschränkungen ebenso von mir nun gespielt werden. Mit etwas Abstand betrachtet spiele ich seit der Einführung des Xbox Game Pass mehr, ich spiele mehr unterschiedliche Videospiele und ich spiele grundlegend länger. Ich erlebe Videospiele, die ich sonst nicht erlebt hätte und um viele dieser Erfahrungen bin ich froh. Der Xbox Game Pass ist nicht das Netflix der Videospiele, es ist der erste und zweite Schritt in die Zukunft meines Hobbys.
Der Xbox Game Pass ist ein Abo-Dienst von Microsoft für Videospiele auf der Xbox-Plattform. Für eine monatliche Gebühr erhält man uneingeschränkten Zugriff auf einen Katalog mit mittlerweile mehr als 150 Videospielen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Genres und unterschiedlichen Typs. Digitale Bezugsmöglichkeit sind Amazon (Code Direktkauf*) und der Microsoft Store (Xbox Direktkauf). Preislich liegt der Dienst bei etwa 10 Euro pro Monat oder 100 Euro pro Jahr.