Es hat zwei kurze Abende gedauert bis ich das Ende von Old Man’s Journey erreicht habe. In Summe waren es vielleicht zwei Stunden, die ich benötigt habe, um den Abspann des Puzzle-Plattformers zu sehen. Spielerisch stellt das Videospiel keine wirkliche Herausforderung dar, was aber eigentlich nicht wichtig ist. Old Man’s Journey ist generell ein simpler Titel. Die genutzte Videospielmechanik wiederholt sich mit minimalen Abwandlungen von Beginn bis Ende, es gibt keine wirkliche Einführung oder Erklärung um was es geht oder was man als Videospieler zu tun hat und auch die Handlung wird rein durch die optische Darstellung am Bildschirm und nicht durch Texte oder andere Elemente erzählt. Diese Komponenten sind wiederum wichtig, denn ohne diese oder in abgeschwächter beziehungsweise anderer Form wäre es Old Man’s Journey nicht gelungen den Eindruck bei mir zu hinterlassen, den es nach besagten zwei Stunden hinterlassen hat.
Die offensichtlichste Art mit einem Text über Old Man’s Journey zu beginnen ist die Beschreibung der ersten Momente im Videospiel. Was man sieht, was man macht und was dann passiert. Ich mache dies nicht. So wie Old Man’s Journey selbst nicht nach den typischen Spielregeln eines Videospiels funktioniert, bin ich nicht immer ein Freund der typischen Spielregeln bei Texten über Videospiele und Old Man’s Journey verdient etwas anderes als einen solchen Text.
Inhaltlich entspricht das Videospiel eigentlich dem Titel, denn man begleitet einen alten Mann auf einer Reise, seiner sehr persönlichen Reise. Dies passiert wie bereits erwähnt ohne großes Drumherum und als Videospieler hat man zu Beginn eigentlich keine Ahnung warum der alte Mann seine Reise antritt und wohin diese am Ende führt. Es gibt keine Einführung hinsichtlich der Ausgangssituation, der gesamte Titel kommt ohne Texte aus und erzählt sich selbst durch die Umgebung, was dort passiert und auch was man als Videospieler entdeckt. Im Verlauf der fast zwei Stunden bewegt man sich durch unterschiedliche Gebiete mit unterschiedlichen Elementen die unterschiedliche Erinnerungen des hervorrufen, die als gezeichnete und minimalistisch gehaltene Standbilder wichtige und entscheidende Momente des bisherigen Lebens des alten Manns chronologisch wiedergeben. Nach und nach erahnt man wohin die Reise geht und noch viel spannender, weshalb der alte Mann die Reise angetreten hat. Mit jedem dieser Abschnitte erfährt man etwas mehr über den alten Mann und was ihn zu dem gemacht hat was er ist, im positiven aber noch viel wichtiger sowie spannender im negativen Sinne. Diese kurzen Momente sind die inhaltlich tragende Komponente des Videospiels und entsprechen so gar nicht der typischen Art von Erzählungen bei Videospielen. Anstelle einer klar präsentierten Geschichte und Hintergrundgeschichte, muss sich bei Old Man’s Journey der Videospieler diese selbst anhand der minimalen Informationen konstruieren. Das Resultat war für mich um intensiver als in vielen anderen Videospielen. Emotional bedeutet dies konkreter, dass ich zwischen Mitgefühl, Verständnis, Zorn und Neugierde hin und her gerissen wurde. Eine ungewohnte Erfahrung, eine intensive Erfahrung und eine Erfahrung, die mir wohl noch Monate oder Jahre in Erinnerung bleiben wird.
Untypisch ist auch die Videospielmechanik des Puzzle-Plattformers. In schönen per Hand gezeichneten zweidimensionalen Bildern bewegt sich der alte Mann durch die Videospielwelt. Anders formuliert steuert man den alten Mann nicht direkt, sondern man bewegt ihn indirekt durch die Videospielwelt. Deutlicher wird dies bei der Rätsel-Komponente von Old Man’s Journey. Hier gilt es nicht mit dem alten Mann die Rätsel zu lösen, sondern für den alten Mann durch Manipulation der Videospielwelt ein voranschreiten zu möglichen. Die zweidimensionalen Bilder am Bildschirm sind hierzu in unterschiedliche Ebenen aufgeteilt und als Videospieler muss man die übereinander liegenden Ebenen entsprechend manipulieren um Übergänge sowie den Wechsel zwischen den Ebenen für den alten Mann zu ermöglichen. Das klingt komplizierter als es in Wirklichkeit ist, denn innerhalb der ersten Momente im Videospiel hat man grundlegend auch ohne weitere Erklärung verstanden wie sich die der alte Mann durch die Videospielwelt bewegen kann und wie die Ebenen verbunden sein müssen, um die Abschnitte absolvieren zu können. Und das war es dann auch schon wieder hinsichtlich der Videospielmechanik, denn recht viel mehr hat Old Man’s Journey hier nicht zu bieten. Klingt etwas wenig, aber das ist eigentlich kein Problem oder gar Thema. Zum einen, weil das Videospiel kurz ist und diese Basis auch immer wieder minimal abgewandelt genutzt wird. Ehrlicherweise habe ich diese Einfachheit erfrischend positiv empfunden, da es genug war um Old Man’s Journey als Videospiel zu empfinden, aber nicht zu sehr angestrengt hat, um von der viel wichtigeren inhaltlichen Komponente abzulenken.
Old Man’s Journey ist ein wunderschönes Videospiel, welches anders funktioniert als die meisten Videospiele. Es ist ein kurzes Videospiel, welches aber intensiv ist. Es ist ein simples Videospiel, welches aber durch diese Einfachheit den Fokus auf die wichtigen Teile des Titels legt. Es ist ein Videospiel, welches ich am ehesten mit einem Film vergleichen würde, obwohl es sehr wenig von einem Film hat und sich auch gar nicht so anfühlt. Es fällt mir schwer den Titel in ein paar Sätzen zu beschreiben oder in einem Fazit zusammenzufassen. Old Man’s Journey hat bei mir unerwartet einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Einen bleibenden positiven Eindruck hinsichtlich der Geschichte, dem Inhalt, der reduzierten Videospielmechanik und der Art wie diese Teile kombiniert werden können. Old Man’s Journey sollte man nicht nur spielen, man sollte es erleben. Erleben auf seine eigene Art und Weise und ohne wirklich zu wissen worum es geht, denn dann funktioniert Old Man’s Journey am besten.
Gespielt wurde Old Man’s Journey auf der Xbox One S. Entwickelt und vertrieben wird der Titel vom österreichischen Indie-Studio Broken Rules. Das Videospiel ist für alle gängigen Plattformen erhältlich. Digitale Bezugsmöglichkeiten sind der Apple App Store (iOS AT Direktkauf), Google Play (Android Direktkauf), Steam (PC Direktkauf), Itch.io (PC Direktkauf), der Nintendo Store (Switch AT Direktkauf), der PlayStation Store (PlayStation AT Direktkauf) und der Microsoft Store (Xbox sowie PC Direktkauf bzw. Xbox Game Pass). Preislich liegt das Videospiel je nach Plattform bei 5 bis 10 Euro.