Manchmal ist man traurig. Ich bin beim Verfassen dieser Worte traurig. Es ist nicht die Art Traurigkeit die unerwartet kommt. In meinem Fall habe ich die Traurigkeit unbewusst erwartet und wusste, dass der Zeitpunkt kommen wird. Ich hatte gehofft, dass der Zeitpunkt ein anderer, vermutlich ein späterer ist. Ich dachte es passiert anders, ich war der Meinung, dass ich es für mich vielleicht steuern könnte. Ich dachte ich habe die Kontrolle oder ich wollte die Kontrolle haben. Es kann sein, dass ich gehofft habe, dass es nicht passiert und ich mich nicht oder anders damit auseinandersetzen muss. Die Möglichkeit bestand, zumindest glaubte ich es. Es ist eine Art von Traurigkeit, die für mich neu ist. Es ist für mich eine merkwürdige körperlich schmerzhafte Traurigkeit. Das Gefühl verschwindet immer wieder mal, kommt aber auch immer zurück. Ich bin traurig und ich hatte am Anfang wenig bis keine Ahnung wie ich damit umgehen kann oder soll. Ich wurde davon überrascht, nicht von der Situation, aber dem Zeitpunkt. Ich hatte keine Kontrolle über beide Aspekte und ich hasse fehlende Kontrolle. Die Versuche mich abzulenken sind nur bedingt erfolgreich. Musik hilft, das Wetter auch. Irgendwas machen beschäftigt mich und auch Freunde, die einfach nur zuhören, sind da. Je mehr Zeit vergeht, desto erträglicher wird es, zumindest scheint es so oder ich rede es mir ein. Ich weiß es nicht.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit einer Situation überfordert bin. In den letzten Jahren haben die Anzahl und die Frequenz solcher Situationen zugenommen und ich habe für mich unterschiedliche Methoden entwickelt damit klarzukommen. Videospiele waren oft ein Teil dieser Methoden und ein Blick auf Beiträge der letzten Monate ist für mich gleichzeitig ein teilweises Spiegelbild von mir. Im Beitrag zu Moonlighter ist der Aspekt von Optimierung und Perfektionierung und der daraus für mich resultierende Stress in einer Leistungsgesellschaft der zentrale Bestandteil des Textes. Als ich mich mit Celeste beschäftigt habe, habe ich mich parallel mit den Gefühlen Angst und Selbstzweifel samt deren Überwindung auseinandergesetzt. Detroit: Become Human hat mich unbewusst getrieben mehr über Empathie, Abgabe von Kontrolle und Vertrauen nachzudenken. Mittelerde: Schatten des Krieges war rückblickend eines der für mich merkwürdigsten Videospiele, da es für mich neben dem Titel auch mit Erwartungshaltung, zwanghaften Versuchen und dem endgültigen Loslassen zu tun hatte. Mein Text über Yoku’s Island Express und der Beitrag zum Thema Good Mood Video Games spiegeln ein interessantes Thema wieder, nämlich zu erkennen was für mich persönlich gut ist und auch Dinge zuzulassen, die rational nicht unbedingt Sinn ergeben. RollerCoaster Tycoon war ein Ausflug in meine Vergangenheit, zu einen Zeitpunkt, an dem vieles gefühlt einfacher war. Schwieriger war es kurz vorher bei Hellblade: Senua’s Sacrifice, einem Titel der auf vielen Ebenen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Auch nach fast einem Jahr schaffe ich es nicht dieses Videospiel auf ein oder zwei Punkte für mich zu reduzieren und es hat mir damals viel über mich selbst beigebracht. Und dann war da auch mein Text über Sea of Thieves, dem wohl persönlichsten Text, den ich bisher über ein Videospiel und mich geschrieben habe. Ein Text, der mich auch heute noch bewegt. Ein Text, über den ich auch nach über einem Jahr stolz bin.
Videospiele erfüllen für mich mehrere Ziele von Ablenkung, Unterhaltung und manchmal auch als Unterstützung um nicht alltägliche Dinge zu erleben, zu erfahren und zu verstehen. Bei vielen Titel, die ich über die Jahre hinweg gespielt habe, war es eine Kombination dieser drei Elemente. Je nach Situation war die Wichtigkeit der einzelnen Elemente anders, aber wenn ich darüber nachgedacht oder mit jemanden darüber gesprochen habe, war es selbstreflektierend durchwegs spannend. War ich glücklich, gab es Videospiele, die halfen dieses Gefühl zu verstärken. Wollte ich kurzfristig das Denken abschalten und einfach einen kurzweiligen Zeitvertreib haben, gab es eine Auswahl an Titel, die dies förderten. Versuchte ich Dinge an mir bewusst oder oft auch unbewusst besser zu verstehen, konnte ich dies erreichen. Bei meiner aktuellen Gefühlslage funktioniert dies nicht so wie ich es erwartet habe
Mit etwas Abstand ist mir durchaus bewusst, dass ich nicht der erste und auch nicht der einzige Mensch bin, der eine solche Phase der Traurigkeit erlebt und durchmachen muss, auch wenn es sich derzeit manchmal so anfühlt. Umso merkwürdiger empfinde ich es, dass für mich so wenig bekannte Dinge funktionieren, um diese Phase zu verarbeiten. Mit noch etwas mehr Abstand sehr merkwürdig, eigentlich erschreckend. Erschreckend aus zwei Gründen. Da ist die Feststellung, dass die Ablenkung mit Videospielen, etwas was in der Vergangenheit funktioniert hat, diese Mal nicht funktioniert und vielleicht auch die Angst, dass es vielleicht zukünftig öfter nicht funktionieren wird. Und dann ist da die Erkenntnis, dass sich Videospiele zwar immer stärker als gesellschaftliche Kulturform festigen wollen, aber inhaltlich noch immer sehr selektiv sind. Zu selektiv, um eine nicht ganz ungewöhnliche Emotion der Traurigkeit abdecken zu können. Ich verstehe zwar die wirtschaftlichen und inhaltlichen Gründe, die gegen einen Titel mit einem solchen Fokus sprechen, mir war dieses Defizit aber bis heute nicht wirklich bewusst.
Auch wenn ich mir ein Videospiel gewünscht hätte, welches mich in Kombination mit anderen Dingen begleitet, bin ich mir mittlerweile gar nicht mehr so sicher, ob es wirklich gut gewesen wäre. Im Verlauf eines Videospiels wächst man an den sich ständig wiederholenden Herausforderungen die sich einem Stellen. Im Verlauf seines Lebens wächst man an immer neuen Herausforderungen die sich einem stellen. In der Vergangenheit gab es immer neue Herausforderungen und ich bin daran gewachsen. Meine Traurigkeit ist eine für mich neue unbekannte und unerwartet große Herausforderung. Eine Herausforderung, für welche meine früheren Methoden nicht funktionieren. Eine neue Erfahrung, eine unbequeme und schwierige Erfahrung. Mit jedem Tag, der vergeht, wird es besser und erträglicher. Wenn ich länger darüber nachdenke ist wohl besser die passendere Beschreibung. Die Situation wirkt für mich nicht normal, aber ich hoffe, dass es irgendwann wieder normal wird. Die Zeit wird es ändern, so wie auch in der Vergangenheit wird die Zeit mich daran wachsen und lernen lassen. Zumindest rede ich es mir ein, ich hoffe es, aber ich weiß es nicht.
Dieser Beitrag behandelt ein aktuelles aber kein tagesaktuelles Thema für mich. Ich war lange unsicher ob ich diesen Beitrag veröffentlichen soll, habe mich aber dann bewusst dafür entschieden. Dieser Beitrag gibt kein vollständiges Bild wieder und soll auch keinen Lösungsansatz für schwierige Emotionen und oder Gefühle darstellen, sondern soll ausgewählte Aspekte und Gedanken von mir wiedergeben. Es sind bewusst Elemente weggelassen und vereinfacht worden. Meine Motivation hinter dem Beitrag war und ist es zum Nachdenken anzuregen, aus einer generellen Perspektive. Bei Fragen oder Feedback ist eine Kontaktaufnahme jederzeit möglich.