Good Mood Video Games

Was haben Super Lucky’s Tale, Yoku’s Island Express, Forza Horizon 3, Sonic & All-Stars Racing Transformed, Super Mario Odyssey und Fortnite gemeinsam? Was unterscheidet diese Videospiele von Forza Motosport 7, PlayerUnknown’s Battlegrounds, Hellblade: Senua’s Sacrifice, God of War, Ori and the Blind Forest und Mittelerde: Schatten des Krieges? Alle zwölf Titel sind gute Videospiele, das zuerst genannte halbe Dutzend fällt für mich aber in die Kategorie der Gute-Laune-Videospiele, eine unterschätze und für mich persönlich mittlerweile wichtige Kategorie für das Medium Videospiele.

Okay, um ehrlich zu sein, gibt es die Kategorie der Gute-Laune-Videospiele nicht wirklich und ich habe die Bezeichnung erfunden. In meinen Augen passt die Bezeichnung aber für eine spezifische Gattung an Videospielen und auch wenn etwas wie gute Laune ein stark personalisierter Gefühlszustand ist, gibt es ein paar Bedingungen die verstärkt solche Gefühle hervorrufen. Spannend dabei ist auch, dass die eigenen Vorlieben für unterschiedliche Videospiele fast irrelevant sind, denn Gute-Laune-Videospiele gibt es für alle Genres des Mediums und funktionieren auch für Videospieler, die bisher wenig oder keine Berührungspunkte mit einem speziellen Genre hatten. Aber genug theoretische Ausführungen, ein paar direkte Vergleiche machen es verständlicher.

Forza Horizon 3 und Forza Motorsport 7 gehören beide ins Genre der Rennspiele, beide Videospiele basieren auf der technisch selben Grundlage, beide Titel erfreuen die Herzen von Videospielern mit einer Vorliebe für schöne sowie schnelle Autos und hinsichtlich der Videospielmechaniken geht es darum unterschiedliche Autorennen zu gewinnen um mit mehr Geld noch mehr Autos zu erwerben um noch mehr Rennen absolvieren zu können. Forza Horizon 3 packt dies alles in ein Festival samt guter Musik mit Dauersonnenschein in Australien sowie vielen gut gelaunten Menschen. Die Sprecher im Radio haben immer einen flotten Spruch auf den Lippen und egal ob man ein Rennen gewinnt oder verliert, man schreitet stetig voran. Man könnte fast glauben, dass es weniger darum geht eine gute Platzierung bei den einzelnen Rennen zu erreichen, sondern darum einfach eine gute Zeit zu haben und es wichtiger ist bleibende Momente in Form von Erinnerungen anstelle von Siegen zu sammeln. Forza Motorsport 7 hingegen geht stärker in Richtung Simulation und rückt das eigene Auto, das Tuning des Autos und die Rennen selbst in den primären Fokus. Man muss gewinnen um weiter zu kommen, es gibt keine wirkliche Ablenkung durch Musik oder irgendwelche Sprecher. Der Ausgang des Rennens ist der relevante Faktor, der Fahrstil ist wichtig und man steht unter dauerhafter Anspannung während das Auto auf der Strecke ist. Es gilt Erfolge in Form von Siegen einzufahren, möglichst viele und möglichst effektiv um voranzukommen.

Zwischen Yoku’s Island Express und Ori and the Blind Forest wird es bereits etwas kniffliger den feinen Unterschied zu erkennen. Beide Videospiele gehören zu einem großen Teil in das Unter-Genre der Metroidvanias und ähneln sich vom Ablauf stark. Der Videospieler steuert eine Spielfigur durch eine begrenzt zugängliche Videospielwelt, welche sich mit steigender Spieldauer und dem erfolgreichen Absolvieren verschiedener Herausforderungen immer mehr öffnet. In beiden Titeln erhält die Spielfigur neue Eigenschaften, optisch ist alles wunderhübsch gezeichnet und dennoch gibt es entscheidende Unterschiede, welche Yoku’s Island Express zu einem Gute-Laune-Videospiel machen. Vereinfacht erklärt, nimmt sich Yoku’s Island Express nämlich inhaltlich nicht ernst und bleibt dabei aber der eigenen in sich stimmigen Videospielwelt konsequent treu. Alleine die ersten Minuten reichen aus um dies zu verstehen, denn man landet als Mistkäfer auf einer Insel, wird sofort als Postbote eingeteilt und rollt permanent eine Mistkugel, die als Flipperkugel zweckentfremdet wird, neben sich her. Nicht nur mit etwas Abstand ist der Umstand absurd und wird mit jedem Gespräch und jedem neuen kennengelernten Charakter noch abstruser. Diese Absurdität macht aber innerhalb der Videospielwelt total Sinn und wenn man denkt die Entwickler können jetzt keinen weiteren Wortwitz mehr einbauen, dann folgenden mindestens eine Handvoll weitere Bemerkungen, die gleichzeitig hinsichtlich Videospielmechaniken perfekt passen und von einem Schmunzeln bis hin zu einem lautstarken Lachen viele Momente der guten Laune erzeugen. Ori and the Blind Forest hingegen ist aus Sicht der Videospielmechaniken deutlich perfekter, es ist von der Geschichte deutlich intensiver und arbeitet emotional deutlich stärker mit den Gefühlen des Videospielers. Dadurch ist Ori and the Blind Forest aber auch ernster, funktioniert für mich auf einer komplett anderen Ebene und wurde auch bewusst nicht als Gute-Laune-Videospiel konzipiert.

Die offensichtlichste Einordnung schafft man aber mit PlayerUnknown’s Battlegrounds und Fortnite. Und auch wenn ich mich jetzt etwas aus dem Fenster lehne, beide Videospiele sind grundlegend zu 100% identisch. Aus Sicht der Videospielmechaniken gehören beide Titel zur Mehrspieler-Spielart Battle Royal, 100 Videospieler starten auf einer Insel, es werden Waffen gesammelt und nach etwa 30 Minuten gewinnt der Beste der Meute. Die große Unterscheidung findet im gewählten Basisansatz statt. PlayerUnknown’s Battlegrounds versucht den Ablauf möglichst realistisch, fast schon als militärische Simulation, abzubilden. Fortnite wählt hier den Ansatz der bewussten Übertreibung und treibt den Basisansatz quasi in lächerliche. Realistische Waffen gegen videospieltypische Über-Drüber-Waffen, Fahrzeuge aus Osteuropa oder der Wüste gegen von Raketenwerfern angetriebene Einkaufswagerl und Realismus in der Darstellung gegen eine Optik die aus dem samstagmorgendlichen Fernsehprogramm für Kinder entsprungen sein könnte. Abstruse Tänze der Videospielfiguren, Kostüme die laut nach Aufmerksamkeit schreien und mehr als nur unrealistische Über-Drüber-Momente, die es einem erschweren zu glauben was gerade auf dem Bildschirm passiert. PlayerUnknown’s Battlegrounds ist der Titel den ich persönlich liebend gerne spielen möchte, jedoch muss ich hierzu in der passenden Stimmung sein. Fortnite ist der Titel, den ich am liebsten aufgrund der Überdrehtheit komplett ignorieren möchte, was aber aufgrund der Einordnung als Gute-Laune-Videospiel schwerfällt.

Gute-Laune-Videospiele wirken oberflächlich simpler als andere Titel desselben Genres, jedoch ist eine solche Pauschalierung schlichtweg nicht möglich. Der relevante Unterschied ist, dass sich Gute-Laune-Videospiele im Regelfall nicht immer komplett ernst nehmen und sich für den Videospieler oft eher wie ein Tag am Ponyhof anstelle eines normalen Tags anfühlen. Es ist die den Videospieler innerhalb kürzester Zeit ansteckende Überdrehtheit, welche im Gegensatz zu anderen Videospielen zu einer stärkeren Entkopplung der realen Welt führt. Videospiele sind mittlerweile realistischer den je und Videospiele schaffen es heute auf emotionaler Ebene unglaubliche und für manche auch zuvor unbegreifbare Geschichten zu erzählen und diese auch erlebbar zu machen. Intensive Videospielerfahrungen sind in den letzten Jahren zurecht ein immer größerer Teil des Mediums geworden, jedoch möchte ich nicht immer in solch intensive Erlebnisse eintauchen. Manchmal ist es die Unbeschwertheit und gute Stimmung eines Super Mario Odyssey oder Super Lucky’s Tale die ich nach einem Tag benötigt und weniger die emotionale Intensität von Hellblade: Senua’s Sacrifice oder das ausufernd epische Abenteuer in Mittelerde: Schatten des Krieges. Manchmal sollte ein Videospiel für mich einfach nur ein Videospiel sein, ein Gute-Laune-Videospiel.

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