RollerCoaster Tycoon

Ein lauer Abend im Sommer 2018, ich sitze vor dem PC und spiele ein Videospiel. Eigentlich ungewöhnlich, da ich seit Jahren fast ausschließlich auf Videospielkonsolen mein liebstes Unterhaltungsmedium konsumiere. Es ist nicht irgendein Videospiel welches mich stundenlang vom Weg ins Bett abhält, es ist RollerCoaster Tycoon. Der erste Teil der Serie, der Titel der mich im Jahr 1999 das Genre der Wirtschaftssimulationen lieben lernte und dessen Genialität von keinem seither veröffentlichten Videospiel der Serie oder des Genres für mich erreicht wurde. Seit der Veröffentlichung zieht mich RollerCoaster Tycoon immer wieder in den Bann, etwas was kein anderes Videospiel in einer solchen Ausprägung und auch nicht über einen so langen Zeitraum geschafft hat.

Wie bereits erwähnt gehört RollerCoaster Tycoon in das Genre der Wirtschaftssimulationen. Man übernimmt die leitende Rolle in Vergnügungsparks und baut diese in unterschiedlichen Szenarien auf oder erweitert was man vorfindet. Je nach Szenario gilt es nach Ablauf einer gewissen Zeit ein Ziel zu erreichen, welches von wirtschaftlichen Kennzahlen wie dem Wert des Vergnügungsparks über eine gewissen Anzahl an Besuchern oder eine aus unterschiedlichen Werten berechnete Bewertung zum Spaßfaktor geht. Optisch in einer nüchternen aber zeitlosen isometrischen 2D-Darstellung baut man Attraktionen wie Autoscooter, Schiffsschaukeln, Wasserfahrgeschäfte, Miniatureisenbahnen und die im Namen enthaltenen Achterbahnen in allen erdenklichen Varianten. Zusätzlich kümmert man sich um die Infrastruktur in Form von Wegen, Warteschlangen, Parkdekorationen, Infokiosken, Essensständen und auch WC-Anlagen. Man stellt Personal als Mechaniker, Reinigungskräfte, Sicherheitsmitarbeiter und Maskottchen ein und kann hierbei soweit ins Detail gehen, dass man einzelnen Mitarbeitern spezifische Aufgaben und oder abzudeckende Gebiete zuweist.

Der grundlegende Reiz des Simulationsteils des Videospiels liegt in der unglaublichen Tiefe, einer faszinierenden Komplexität mit der die Systeme ineinandergreifen und dennoch die offensichtliche Logik und Klarheit. Die Basis der Simulation von RollerCoaster Tycoon sind die Besucher des Vergnügungsparks, konkreter jeder einzelne Besucher. Dieser hat ein für den Videospieler nicht sichtbares Set an Attributen, welche gegen die Attribute des Vergnügungsparks als auch der Attraktionen angewendet werden. Darüber wird bestimmt wieviel Geld der Besucher ausgibt, welche Intensität ein Fahrgeschäft haben darf und in welchem Verhältnis die Vorfreude als auch der Preis pro Fahrt mit einer Attraktion liegen müssen damit es tatsächlich zu einer Fahrt kommt. Obwohl der Videospieler diese Parameter nicht sieht, kann er jederzeit die Gedanken eines jeden einzelnen Besuchers sehen, durch die Gruppierung etwaige Tendenzen erkennen und sich auch die aktuellen Positionen der gruppierten Besucher im Vergnügungspark ansehen. Das klingt etwas kompliziert, aber funktioniert im Prinzip einfach. Nach einer intensiven Achterbahnfahrt ist vielen Besuchern schlecht, was bedeutet, dass man im Umfeld des Ausgangs der Attraktion entsprechend WC-Anlagen als auch Mistkübel platzieren sollte. Tut man dies nicht, übergeben sich die Besucher auf den Gehwegen und eine erhöhte Anzahl an Besuchern wird sich gedanklich über den verschmutzten Zustand des Vergnügungsparks beschweren. Die Lösung ist zusätzliches Reinigungspersonal einzustellen und deren Tätigkeit auf das Reinigen der Gehwege zu limitieren, optimalerweise auch primär im Umfeld der für die Besucher intensivsten Attraktionen. Besucher fürchten sich? Sicherheitspersonal ist die Lösung. Etliche Besucher in einem Bereich müssen Ihre Notdurft verrichten? Zu wenige oder schlecht platzierte WC-Anlagen sind das Problem. Einzelne Attraktionen werden häufiger defekt als andere? Das Wartungsintervall manuell reduzieren, die Nutzungsdauer pro Fahrt reduzieren oder abreißen und durch einen Neubau wiederauffrischen. Besucher loben die günstigen Preise? Gleich mal anpassen. Die Wartezeit in einer Warteschlange ist zu hoch? Den Preis für die Attraktion anheben und damit die Wartezeit durch weniger Besucher reduzieren bei gleichzeitig im besten Fall höheren Einnahmen. In RollerCoaster Tycoon kann man alles laufend optimieren und das für mich Beste daran, alles ist komplett logisch, einfach nachvollziehbar und Auswirkungen sind innerhalb von Sekunden oder spätestens Minuten sichtbar. Direkte Hinweise mit Pfeilen oder blinkenden Elementen? Gibt es nicht und braucht man in RollerCoaster Tycoon auch nicht.

Fast ebenso wichtig ist jedoch die Möglichkeit Attraktionen selbst zu gestalten, konkret die Achterbahnen, noch konkreter baut man Achterbahnen so komplett ohne Vorlage aus dem Nichts. Achterbahnen gibt es in den unterschiedlichsten Varianten im Videospiel und wenn man eine Pause von der wirtschaftlichen Simulation benötigt, dann ist das Bauen eine Achterbahn die perfekte Ablenkung. Mit unterschiedlichsten Modulen reicht die Varianz von klassischen Varianten aus Holz oder Stahl, hin zu Wagen in denen die Besucher in einer hängenden Superman-Position durch Loopings jagen oder auch der Möglichkeit einen Katapult-Start anstelle oder zusätzlich zu einem Drop zu implementieren. Als großer Vorteil stellt sich hierbei die isometrische 2D-Darstellung und ein quadratisches Kachelmuster als Basis heraus, denn entgegen aktuellerer Videospiele mit ähnlichen Möglichkeiten in 3D, ist in RollerCoaster Tycoon die Planung sowie das Vollenden der Strecke um ein Vielfaches einfacher und auch frustbefreiter. Aber nicht nur dies, denn die Achterbahn sieht gleichzeitig bei geringeren Aufwand um vieles besser aus als in aktuellen Videospielen und ist auch, wenn man möchte, vollständig am Papier plan- als auch berechenbar. Ziel beim Bau einer Achterbahn ist es eine spannende Attraktion zu schaffen, mit möglichst geringer Intensität um eine möglichst breite Menge an Besuchern anzusprechen um dadurch Geld zu verdienen. Es ist ein Abwägen zwischen Steigungen und Gefälle, Steilkurven und Loopings, Länge als auch Anzahl der Wagons um das perfekte Fahrgeschäft für seinen Park zu finden. Indirekt wieder ein Spiel mit Zahlen, welches jedoch im Gegensatz zum gesamten Vergnügungspark nur für eine einzelne Attraktion gilt. Alternativ kann man natürlich auch einfach die beste Achterbahn auf der gesamten Welt bauen. Weshalb? Weil es einfach Spaß macht.

Der Detailgrad und die dem Videospieler gegebenen Möglichkeiten in RollerCoaster Tycoon klingen unheimlich hoch sowie granular und das sind diese auch. Was jedoch die Genialität des Titels ausmacht, dass dieser den Videospieler nicht überfordert. Egal wie detailliert auch Dinge sind, im Endeffekt muss man nicht auf Perfektion optimieren um die Ziele zu erfüllen oder einfach Spaß zu haben. Grobe Anpassungen in die richtige Richtung sind ausreichend um die Szenarien zu absolvieren, wodurch man RollerCoaster Tycoon zumindest ein bisschen so spielen kann wie man es persönlich möchte. Hat meine keine Lust auf das Bauen von Achterbahnen, nutzt man einfach die vorgefertigten Vorlagen. Ist das Zuweisen von Aufgaben und Gebieten für das Personal zu viel Mikromanagement, dann stellt man einfach die doppelte bis dreifache Menge an Mitarbeitern ein. Erhöht zwar die monatlichen Ausgaben, jedoch nur minimal im Gesamtkontext. Dieser grundlegend sehr tolerante Ansatz vom Videospiel gegenüber nicht optimierten Parametern im Bereich der Wirtschaftssimulation ist auch beabsichtigt, schließlich läuft der Vergnügungspark während des Bauens einer Achterbahn weiter und aus einer videospielmechanischen Sicht wäre es eher negativ, wenn man während dieser Tätigkeit permanent unterbrochen wird um Anpassungen im Bereich Infrastruktur, Preisgestaltung oder Simulation vornehmen müsste.

RollerCoaster Tycoon ist für mich ein Gute-Laune-Videospiel, welches fordert und gleichzeitig entspannt. Es bietet konkrete Ziele, bietet aber ebenso genügend Freiraum um diese zu erreichen. Es bietet Tiefe und Komplexität, bedarf jedoch keines Wirtschaftsstudiums oder das Lernen von Zahlentabellen um bis ins kleines Detail zu optimieren. Es ist zweckmäßig, es macht Spaß, es funktioniert zwischendurch für eine halbe Stunde und es funktioniert auch über mehrere Stunden bis hin zum Sonnenaufgang am nächsten Tag. Die Kombination zwischen Wirtschaftssimulation und dem Sandkasten in Form des Bauens von Achterbahnen funktioniert einfach. Es ist ein lauer Abend im Sommer 2018, ich sitze vor dem PC und spiele ein fast 20 Jahre altes Videospiel, ich spiele RollerCoaster Tycoon.

Gespielt wurde die PC Version von RollerCoaster Tycoon in der Deluxe Edition. Entwickelt wurde der Titel von Chris Sawyer und vertrieben durch Hasbro Interactive sowie Atari. Das Videospiel ist seit März 1999 für den PC erhältlich und wurde 2003 in der Deluxe Edition erneut veröffentlicht. Bezugsmöglichkeiten sind GOG.com (PC Direktkauf) und Steam (PC Direktkauf). Preislich liegt der Titel bei etwa 5 Euro.

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