Die Videospielindustrie durchlebt einen wirtschaftlichen Wandel in Bezug auf den Verkauf von Videospielen. Die Verkäufe des Einzelhandels verlagern sich seit Jahren immer mehr auf die digitalen Marktplätze der Hersteller von Videospielkonsolen. Unabhängig der Vor- und Nachteile für die Beteiligten, entstand durch diese Transformation auch ein Graumarkt, welcher ebenso von diesem Wandel profitieren möchte. Soweit so uninteressant, spannender wird es jedoch, wenn sich der Graumarkt als teilweiser Schwarzmarkt herausstellt. Im nachfolgenden Text ist der Einfachheit halber immer die Rede von den digitalen Marktplätzen der Hersteller von Videospielkonsolen, die selbe Problematik gilt natürlich auch für Videospiele am PC und den dort relevanten Anbietern von digitalen Marktplätzen.
Graumarkt beschreibt den Handel mit Gütern über Vertriebswege, die nicht vom Hersteller gewünscht sind oder beliefert werden. Diese Güter werden ohne direkte Zustimmung verkauft und der Verkauf unterliegen auch keinen Vereinbarungen zwischen dem Hersteller und dem Verkäufer. Der Graumarkt ist hierbei nicht mit dem Thema Parallelimport zu verwechseln, bei dem im Ausland erworbene Güter ohne Zustimmung des Herstellers importiert und verkauft werden. Gründe für Parallelimporte sind im Regelfall eine andere Preispolitik des Herstellers oder auch steuerliche Vorteile aus dem Quellland. Der dritte relevante Begriff ist der Schwarzmarkt, welcher sehr ähnlich zum Graumarkt ist. Es ist ebenso der Handel mit Gütern über nicht vom Hersteller gewünschte Vertriebswege, jedoch ist hier der Verkauf illegal, da dieser das Fördern einer Schattenwirtschaft darstellt, welche Verbrechen wie Diebstahl, Geldwäsche oder vorsätzlichen Betrug unterstützen. Sehr vereinfacht lässt sich zusammenfassen, dass der Graumarkt durch Parallelimporte beliefert wird und beides zwar nicht gewünscht ist, aber bei korrekter Abwicklung der involvierten Parteien rechtlich wenig daran auszusetzen ist. Kommt es jedoch beim Parallelimport zu Fehlern oder gar bewussten Betrug, mutiert der eigentlich legale Graumarkt zum illegalen Schwarzmarkt.
Einfacher zu verstehen wird es, wenn man sich die Szenarien anhand von Beispielen durchdenkt. Um im Bereich Videospiele zu bleiben, dient als Gut ein Download-Code, kurz Token, für einen Titel. Eigentlich sind Token für den stationären und ortsunabhängigen Einzelhandel gedacht, der anstelle eines Datenträgers die Nutzungslizenz in Form eines auf den digitalen Marktplätzen der Plattformbetreiber einlösbaren Token verkauft. Token sind praktisch, haben aber eine für die Videospielindustrie eine unangenehme Eigenschaft, nämlich die nahezu perfekte Eignung für Parallelimporte. Das Endprodukt, die Nutzungslizenz für ein Videospiel, ist weltweit ident, der regionale Verkaufspreis variiert stark aufgrund des lokalen Einkommensniveaus und die physischen Aufwände wie Lagerung oder Logistik sind für den Parallelimport praktisch nicht vorhanden. Günstig kaufen, Token gegebenenfalls digital erfassen und dann legal in ein anderes Land mit höheren Preisniveau teurer verkaufen. Dieser Verkauf findet dann man Graumarkt statt, der initiale Einkauf des Tokens und die Belieferung des Graumarkts sind der Parallelimport.
Der Graumarkt mit Fokus auf Videospiele scheint groß zu sein, entsprechende Angebote in Form von Webshops gibt es mittlerweile etliche. Diese dienen als Plattform für verschiedene Händler. Das Konstrukt dient dazu um als standardisierter und konsolidierter Webshop wahrgenommen zu werden und gleichzeitig als kostenpflichtige Dienstleistung die für die Händler erforderlichen Systeme zum Verkauf anbieten zu können. Konkret die Präsentation, die Bewerbung des Webshops, Inventarführung, Hilfestellung für Käufer und auch die Kaufabwicklung samt Bezahlsystem inklusive Betrugserkennung auf Seiten des Käufers. Aus rechtlicher Sicht findet das Verkauf nicht zwischen dem Kunden und dem Betreiber des Webshops, dem Graumarkt, statt, sondern zwischen Käufer und dem Händler, der wiederum den Webshop über Parallelimporte beliefert und die Plattform auch für den Verkauf nutzt. Die Finanzierung erfolgt durch die Händler, welche bei jedem Verkauf vom Betreiber des Graumarkts eine Gebühr in Rechnung gestellt bekommen, beziehungsweise diese Kosten gleich vom erzielten Verkaufspreis einbehalten werden. Solche Konstrukte sind den Hersteller von Videospielkonsolen ein Dorn im Auge und moralisch in Hinsicht auf eine sinnvolle Wertschöpfungskette fragwürdig, jedoch grundlegend nicht illegal.
Solche Graumarkt-Konstrukte haben aus wirtschaftlicher Sicht einen großen Vorteil. Aufgrund der fehlenden physischen Komponente, skaliert es unheimlich gut. Kein physischer Versand, geringe logistische Herausforderungen und das Vorhalten von mehr Artikeln oder ein größeres Sortiment erfordert kein reales Lagerhaus. Die Geschwindigkeit des Geschäfts ist aufgrund des digitalisierten Guts hoch und die Anzahl der anbindbaren Händler aufgrund der nicht vorhandenen Fixkosten pro Händler beliebig offen nach oben. Anstelle des eigentlichen Herstellers als zentraler Lieferant, übernehmen für den Graumarkt unzählige kleine Händler die Aufgabe der Belieferung mit Parallelimporten. Der Betreiber des Webshops agiert als Plattform für diese Händler und stellt den Graumarkt dar.
Der Vorteil der Geschwindigkeit kann aber in bestimmten Szenarien problematisch werden. Konkret wenn einer der unzähligen Händler illegale Aktivitäten bei der Beschaffung der Token nutzt. Der Einfachheit wegen bleibt das Beispiel mit der Beschaffung eines Tokens in einem beliebigen Land, die Abwicklung des Verkaufs findet am Graumarkt statt und der Token wird vom Käufer, dem Endkunden, eingelöst. Erfolgt hierbei die initiale Beschaffung des Tokens vom Händler mit gestohlenen Zahlungsdaten einer Kreditkarte, dann wird es schwierig bis problematisch. Schwierig wenn sich der Token vom Endkunden nicht einlösen lässt, problematisch wenn der illegal beschaffte Token zum Zeitpunkt der Nutzung auf der Plattform noch gültig ist.
Das Thema hierbei ist, dass beim initialen Kauf im System der Hersteller von Videokonsolen jeder ausgegebene Token mit einem anonymisierten, aber nachverfolgbaren Zahlungsvorgang verknüpft wird. Mit der erfolgten Bezahlung, beispielsweise mit den gestohlenen Zahlungsdaten einer Kreditkarte, wird der Token ausgegeben und aktiviert. Diese zu diesem Zeitpunkt funktionierenden Token landet durch den zuvor beschriebenen Parallelimport auf dem Graumarkt und werden gesteuert durch eine attraktive Preisgestaltung möglichst rasch an Endkunden weiterverkauft. Wenige Tage oder Wochen später wird der Vorfall mit den gestohlenen Zahlungsdaten der Kreditkarte bemerkt und die Firma hinter der Kreditkarte storniert damit getätigten Zahlungen. Sobald dies der jeweilige Hersteller der Videospielkonsolen, der auch die Hoheit über alle ausgegebenen Token hat, feststellt oder vom initial verkaufenden Händler darüber in Kenntnis gesetzt wird, wird der zuvor ausgegeben Token als ungültig und auch gestohlen markiert.
Hat der Endkunde den auf dem Graumarkt erworbene Token noch nicht eingelöst, kann dieser Token schlichtweg nicht mehr eingelöst werden. Unangenehm, aber im Zweifel ein lösbarer Supportfall für den Betreiber des Graumarkts, der als Vermittler agiert hat. Hat der Endkunde den Token bereits eingelöst, dann wird es für den Endkunden problematisch. Der jeweilige Hersteller der Videospielkonsole hat die Informationen welcher Token von welchem Endkunden für welches Videospiel wann eingelöst wurde. Im einfachsten Fall wird die erteilte Nutzungslizenz entzogen und der Endkunde kann den am Graumarkt gekauften Titel nicht mehr nutzen. Etwas unangenehmer wird es, wenn der Hersteller der Videospielkonsole vom Endkunden die erneute Bezahlung des eigentlich aus Sicht des Endkunden bereits bezahlten Videospiels fordert. Massiv unangenehm wird es jedoch, wenn einfach das komplette Benutzer-Konto des Endkunden und damit auch alle anderen Inhalte dauerhaft gesperrt wird. In allen drei Szenarien kann der Betreiber des Graumarkts nicht helfen und am Ende muss sich der Endkunde selbst um das Problem kümmern. Im einfachsten Fall ist es der Verzicht und der Verlust der am Graumarkt getätigten Zahlung, im unangenehmen Fall die doppelte Zahlung und im schlimmsten Fall ein Totalverlust. Ein Totalverlust der den Verlust alle Speicherstände, aller digital gekauften Inhalte als auch Videospiele bedeutet und im Zweifel auch die Sperre der Videospielkonsole darstellt.
Stellen sich nur ein paar Fragen warum hier von den Herstellern der Videospielkonsolen so vorgegangen wird. Die einfachste Antwort ist, weil diese es können und der Endkunde auch der einzige greifbare Punkt ist. Aus Sicht der Hersteller von Videospielkonsolen gibt es zwei Datenpunkte, nämlich den Kauf des Tokens mit nicht legalen Zahlungsinformationen und einen Endkunden der den Token einlöst. Die Zwischenstationen mit dem Händler der den Token für den Parallelimport gekauft hat und dem Graumarkt der als Verkaufsplattform dient, sieht niemand und damit bleibt nur die Maßnahme beim Endkunden. Eine Motivation ist sicherlich, dass der Token, die Nutzungslizenz, nicht bezahlt wurde und ohne Bezahlung es keinen Grund für die Bereitstellung gibt. Hierbei ist nebensächlich ob der Inhalt bereits bereitgestellt wurde, denn durch das Rechtesystem kann die zugrundeliegende Nutzungslizenz jederzeit widerrufen werden.
Die eigentliche Motivation ist aber eine andere, denn oftmals sind nicht die gestohlenen Zahlungsdaten der Kreditkarten das primäre Problem, sondern das Thema Geldwäsche. Hierbei werden mit dem illegal erwirtschafteten Geld beziehungsweise Vermögenswerten am Schwarzmarkt gestohlene Zahlungsdaten von Kreditkarten gekauft, mit diesen dann ein Produkt und dieses gelangt über den Graumarkt zum Endkunden. Durch diese Transaktion bekommt der für den Parallelimport zuständige Händler einen Zahlungseingang, welcher nicht direkt in direkten Zusammenhang mit dem ursprünglich illegal erwirtschafteten Geld in Verbindung gebracht werden kann. Illegale Einkünfte werden durch diesen Vorgang sauber gewaschen und können danach problemlos genutzt werden. Der einzige der in der Kette das Problem am Ende hat, ist der Endkunde, aber aufgrund der nicht nachvollziehbaren Zwischenstationen zu keinem Zeitpunkt der Graumarkt oder der Händler mit dem Parallelimport. Geldwäsche ist rechtlich ein schwieriges Thema, ein Thema gegen welches die Hersteller der Videospielkonsolen mit massiver Härte vorgehen und dies aufgrund der Gesetzeslage auch müssen.
Aus Sicht eines Endkunden eine unangenehme Situation. Die Nutzung des Graumarkts ist soweit in Ordnung, solange die Güter nicht illegal beschafft wurden. Schwierig hierbei ist jedoch, dass weder der Endkunde noch der Betreiber des Graumarkts zuverlässig bewerten können, ob die Beschaffung des Tokens über den Parallelimport legal war. Laut den Betreibern der Graumärkte gibt es Schutzsysteme die hier Endkunden schützen sollten, jedoch aufgrund der hohen Skalierbarkeit und der damit hohen Anzahl an dahinterliegenden Händlern sind diese Systeme schnell mittels eines neuen Händlerkontos umgangen. Der Kauf von einem Token an einem Tag kann problemlos sein, derselbe Kauf am nächsten Kauf problematisch. Zwei Käufe, zwei Tage, derselbe Prozess aus Sicht des Endkunden, aber im Endeffekt zwei unterschiedliche Händler. Quasi russisches Roulette, bei dem sowohl der Betreiber des Graumarktes als auch der für den Parallelimport zuständige Händler gewinnt. Der Verlierer am Ende ist der Endkunde.
Rechtliche Schritte gegen den Graumarkt? Schwierig, da die Betreiber der Plattformen, der Webshops, fast immer aus der Sonderverwaltungszone Hongkong in der Volksrepublik China agieren und somit nicht realistisch greifbar sind. Ebenso treten diese primär als Vermittler und nicht Verkäufer auf. Die Lösung? Für ein paar Euro mehr bei einem vom Hersteller autorisierten Händler einkaufen. Eine Hilfestellung? Unrealistische Preise hinterfragen, denn wenn man Token für Guthaben, Mitgliedschaften oder Videospiele kauft und am Graumarkt nur ein Bruchteil des üblichen Preises oder des Nennwertes verlangt wird, dann ist es am Ende fast immer ein hinkendes Geschäft ohne Möglichkeit zur Rückabwicklung.