Vor fast genau drei Jahren wurde an dieser Stelle ein Beitrag mit demselben Titel, aber der Versionsnummer 3.0 veröffentlicht. 36 Monate sind in der Videospielindustrie eine lange Zeit und seit dem Beitrag wurden die damals noch jungen Videospielkonsolen durch neue Revisionen ersetzt, Sony hat die Leistungsdaten mit der PlayStation 4 Pro hochgedreht, die Nintendo Switch ist auf den Markt gekommen, Microsoft versucht mit Project Scorpio die Thematik der unterschiedlichen Generation an Videospielkonsolen abzuschaffen, Amazon hat die Streamingplattform Twitch gekauft und YouTube Gaming sowie Beam kämpfen mittlerweile auch um die Gunst von Streamern und den Zusehern. Im Bereich des Videospiel-Journalismus ist Print im Jahr 2017 weiterhin tot. Die Relevanz von Streamern ist in den letzten drei Jahren zumindest gleichgeblieben, gefühlt eher etwas gestiegen. Die in anderen Branchen bereits stärker vertretenen Social Media Influencer auf Plattformen wie Snapchat, Instagram und YouTube rücken langsam auch in den Fokus der Videospielindustrie. Und dann waren da noch die Onlinemagazine und Blogs. Die Anzahl dieser hat rasant zugenommen, aber aktuell rasen diese mit voller Geschwindigkeit in Richtung Irrelevanz und Waschmaschinenjournalismus. Das Merkwürdige daran? Noch scheint es niemand so wirklich zu realisieren und alle Beteiligten reden sich die Gesamtsituation schön.
Viel Information für einen Absatz, eigentlich sehr viel Information für den ersten Absatz eines Beitrags. Um es kurz zu machen, 2016 war ein schwieriges Jahr um mit klassischer Berichterstattung von Videospielen seinen Lebensunterhalt zu verdienen und 2017 wird es nicht leichter. Der gedruckte Videospiel-Journalismus verlor den jahrelangen Kampf gegen die Online-Berichterstattung aufgrund der starren Erscheinungstermine der Magazine und dem antrainierten Muster ein Videospiel wie eine Waschmaschine zu betrachten. Onlinemagazine punkteten durch Geschwindigkeit und einer höheren Experimentierfreudigkeit die Texte auch mal anders zu gestalten. Videospieler wechselten das Medium, die Zugriffszahlen stiegen, die Anzahl der Berichterstatter wuchs und es startete das Rennen die eigenen Texte vor allen anderen zu veröffentlichen.
In der Online-Berichterstattung von Videospielen wurde dieser Geschwindigkeitsaspekt in den letzten Jahren so trainiert, dass es heute als normal gesehen wird ein Videospiel innerhalb weniger Tage zu spielen, einen Text darüber zu verfassen, eine Bewertung abzugeben, den Beitrag zu veröffentlichen und den Ablauf mit dem nächsten Videospiel zu wiederholen. Der Fokus ist so starr, dass nur wenige bemerken, dass die grundlegende Motivation einen Beitrag zur Unterstützung einer Kaufentscheidung möglichst früh zu veröffentlichen immer sinnloser wird. Weshalb? Weil die wenigsten Videospiele eine in sich geschlossene Spielerfahrung bieten, sich im Laufe des Lebenszyklus verändern und im Laufe der Zeit immer weniger mit dem Videospiel zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und damit gleichzeitig zum Zeitpunkt des Textes zu tun haben. Immer mehr Titel haben eine spielverändernde Onlinekomponente, herunterladbare Inhalte, kostenpflichtige als auch kostenlose Erweiterungen und oder vom Hersteller über die Zeit kalkulierte Anpassungen am Gesamtprodukt.
Ein paar Beispiele gefällig? The Division als auch Steep von Ubisoft, Hitman von Square Enix, Halo 5 Guardians sowie Gears of War 4 von Microsoft, Battlefield One aus dem Hause Electronic Arts, Destiny oder Call of Duty Infinite Warfare von Activision und natürlich Grand Theft Auto 5 von Rockstar Games. Alle diese Titel haben heute im Vergleich zum Tag der Veröffentlichung einen deutlich größeren Umfang, zusätzliche Spielmodi und manchmal wurde auch die dem Spielsystem zugrundeliegende Spieldynamik massiv geändert. Die Hersteller sehen diese Titel nicht als Einmalprodukt, sondern als langfristige und im optimalen Fall gewinnbringende Plattform. Was dies für Berichte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bedeuten? Je länger dieser zurückliegt, desto irrelevanter ist dieser. Einen Beitrag laufend zur Veränderung des Videospiels adaptieren? Findet nicht statt, da dies im Gegensatz zum nächsten ersten Beitrag zu wenig Zugriffszahlen generiert. Und wer füllt die Lücke der Berichterstattung zwischen der Veröffentlichung und dem Ist-Stand? Immer öfter die Hersteller der Videospiele selbst. Bei The Division ist es ein wöchentlicher Livestream, Podcast und Newsbeitrag der über aktuelle Änderungen informiert. Bungie berichtet auf der eigenen Seite über alle Veränderungen in Destiny und der dazugehörigen Community. Microsoft hat mit Waypoint ein komplettes Community Portal für alle Titel aus dem Halo-Universum geschaffen.
Die Motivation der Hersteller ist relativ einfach, da es neben dem Fällen der Lücke der fehlenden Berichterstattung auch eine Möglichkeit der kompletten Kontrolle der Berichterstattung darstellt. Onlinemagazine und Blogs optimieren in Richtung Zugriffszahlen um Geld zu erwirtschaften, Hersteller optimieren in Richtung Qualität und investieren Geld um die Videospieler langfristig an die eigene Berichterstattungsplattform zu binden. Klingt unrealistisch? War auch meine Meinung, bis ich mein letztjähriges Konsumverhalten hinsichtlich der Berichterstattung durchdacht habe. Die Art und Weise ist nicht neu, sondern bei MMOGs (Massively Multiplayer Online Game) wie World of Warcraft seit Jahren üblich. Natürlich gibt es auch spezifische Anlaufstellen geschaffen von und für die Community einzelner Titel, jedoch bevorzuge ich mittlerweile die Berichterstattung aus den offiziellen Kanälen. Weshalb? Bequemlichkeit, denn die offiziellen Informationen sind für jemanden der nicht unendlich viele Stunden mit einem Videospiel verbringt leicht und angenehm zu konsumieren.
Und dann sind da noch die Social Media Influencer, zu denen ich auch Streamer auf den Plattformen Twitch, Beam und YouTube Gaming zähle. Neben den regelmäßigen Übertragungen auf den Portalen versorgen diese Persönlichkeiten die eigene Fangemeinschaft auf immer mehr sozialen Kanälen mit einem mal mehr mal weniger inszenierten eigenem Leben, welches einen Bezug zum Thema Videospiele hat. Auf Instagram gibt es schöne Fotos, Snapchat sowie Instagram Stories werden mit optischen Wegwerfinhalten befüllt und Twitter sowie Facebook dienen für Statusupdates sowie für Ankündigungen von anstehenden Übertragungen oder sonstigen relevanten Aktivitäten. Es ist die klassische und seit Jahrzehnten existente Methode des Personenkults, welcher durch Social Media eine breite Masse erreicht und heute jegliche Interessensgebiete abdeckt. Die Videospielindustrie versucht mit der Zusammenarbeit entsprechend Aufmerksamkeit für Videospiele in einer breiten Masse zu generieren und Social Media Influencer versuchen gleichzeitig durch neue Inhalte den Status quo zu halten beziehungsweise im besten Fall die Reichweite auszubauen.
Aber halt, wo ist die unabhängige und neutrale Berichterstattung zu Videospielen geblieben? Printmagazine sind aufgrund der eigenen Ignoranz bezüglich Veränderung tot. Onlinemagazine sowie Blogs optimieren durch Geschwindigkeit bei der Berichterstattung in Richtung Zugriffszahlen und bewegen sich damit in Richtung inhaltlicher Irrelevanz. Die Hersteller von Videospielen bieten die beste Konsumerfahrung in Hinblick auf die Berichterstattung. Social Media Influencer generieren belanglose aber unterhaltende Inhalte zwecks Aufmerksamkeit für Videospiele, Events und Marken. Aber seien wir ehrlich: Videospiele sind Unterhaltung und die Berichterstattung zu Videospielen ist Unterhaltung. Willkommen in der Version 4.0 des Videospiel-Journalismus, der Generation Aufmerksamkeit, bei der Unterhaltung die Berichterstattung ist.