Wenn ein Videospiel mit den Konventionen der Vorgänger oder ähnlicher Videospielen bricht, dann stelle ich mir eigentlich immer folgende Frage: Welches Element beziehungsweise welcher Moment hatte die größte Wirkung auf mich? Bei The Legend of Zelda: Breath of the Wild eine äußerst schwierige Frage, da der Titel nicht nur in einigen Aspekten sich von allen bisherigen Teilen des Franchises unterscheidet, sondern nüchtern betrachtet eigentlich komplett. Aber zurück zur Frage, genauer gesagt zur Antwort. Der entscheidende Moment passiert in den ersten Spielminuten, kurz nachdem die Spielfigur Link, geleitet durch die Stimme von Zelda, aus einem sehr langen Tiefschlaf in einer Höhle erwacht. Eine hohe Wand trennt einen vom Ausgang aus der Höhle und dem Tageslicht. Es ist kein Wandschalter sichtbar, es gibt keine Bodenelemente die man auslösen könnte und auch keine rissige Wand die der Start eines alternativen Ausgangs sein könnte. Das entscheidende Element ist die Taste zum Springen, welche gleichzeitig Link an der Wand hochklettern lässt und am Ende die offene Videospielwelt nur mehr wenige Schritte entfernt sein lässt.
Richtig herausgelesen, das Hochklettern zum Beginn des Videospiels ist der in meinen Augen entscheidende Moment. Und keine Sorge, ich verstehe darunter nicht die Möglichkeit des Kletterns selbst. Es handelt sich bei dem Moment auch nicht um ein Rätsel oder dergleichen, da man sich zu diesem Zeitpunkt noch im Erlernen der Steuerung befindet und offensichtlich mittels Texthinweis am Bildschirm auf die Möglichkeit des Kletterns hingewiesen wird. Es ist auch nicht das erste Mal, dass man in der Zelda-Reihe klettern kann, aber es ist das erste Mal, dass man ohne zusätzlichen Gegenstand oder speziell definierter Wand an etwas hochklettern kann. Und ja, natürlich wurde diese Wand speziell platziert um daran hochzuklettern, aber sie wurde im Gegensatz zu früheren Teilen nicht mit einem speziellen Muster markiert. In früheren Teilen war in solchen Situationen die Motivation dem Videospieler zu vermitteln, dass Wände mit einem speziellen Muster zum Klettern geeignet sind. In The Legend of Zelda: Breath of the Wild ist die Nachricht eine andere, denn wenn der Videospieler eine Wand sieht, dann kann er diese erklimmen solange Link genügend Ausdauer hat.
Auf den ersten Blick ein kleiner Unterschied, der es aber nach längerer Überlegung in sich hat. Es geht hierbei in Wirklichkeit nicht um den Aspekt des Kletterns selbst, sondern um das Etablieren einer logischen Regel in der Videospielwelt. Vereinfacht: Wenn du eine Wand siehst, dann kann Link mit genügend Ausdauer hochklettern. Kompliziertere Abwandlungen: Wenn du eine eher steile Wand siehst, dann kann Link daran hochklettern, benötigt aber mehr Ausdauer. Wenn du eine komplett vertikale und glatte Wand hast, dann kann Link nicht daran hochklettern. Wenn es regnet und das Kletterstück rutschig ist, dann rutscht Link ab und verbraucht in kürzester Zeit die gesamte Ausdauer. Alles Aspekte die von The Legend of Zelda: Breath of the Wild nicht direkt erklärt werden, aber dem Videospieler unbewusst bereits vor dem ersten Versuch in der Videospielwelt klar sind.
Der Begriff Spielplatz beschreibt die Videospielwelt ganz gut. The Legend of Zelda: Breath of the Wild vermittelt geschickt verpackt das Regelwerk der Videospielwelt, sowie die Link zur Verfügung stehenden Werkzeuge innerhalb der ersten beiden Spielstunden und lässt danach den Videospieler mit Link alleine. Keine direkten Anweisungen was zu tun ist, keine direkten Empfehlungen in welche Himmelsrichtung man zuerst gehen soll und noch weniger wie fein als auch detailliert die Spielmechaniken sind. Bewegen, Klettern, Kämpfen und mit einem Parasegel gleiten? Perfekt. Waffen haben nur eine geringe Haltbarkeit bevor diese zersplittern, Kleidung modifiziert ähnlich einem Rollenspiel die Werte und Nahrung stellt Lebensenergie als auch Ausdauer her und verleiht im besten Fall vorübergehende Bonuseffekte? Alles klar, alles verstanden und jetzt viel Spaß.
Zugegeben, es klingt surreal für ein Videospiel im Jahr 2017. The Legend of Zelda: Breath of the Wild spielt sich auch surreal und dies ist absolut positiv zu verstehen. Zum einen aufgrund der geringen Anzahl an logischen Grundregeln welche die Spielmechaniken definieren und zum anderen aufgrund eines Effekts den ich am ehesten mit Tarnen und Täuschen beschreiben würde.
Genauer ist es das persönliche Duell des Videospielers mit und gegen das Videospiel. Es geht darum, dass man das Videospiel betrügen möchte, schlauer sein als die Entwickler und die vorhandenen Spielmechaniken in der logischen Videospielwelt so nutzt, dass die virtuelle Welt bricht. Sei es in dem man etwas macht was eigentlich nicht möglich sein sollte oder in dem man eine im logischen Regelwerk der Videospielwelt machbare Aktion ausführen möchte, diese aber vom Entwickler nicht bedacht wurde. Leichter vorstellbar wird diese Thematik, wenn man sich eine von Gegnern bewachte Höhle mit einem Schatz vorstellt. Der geübte Videospieler sieht in einer solche Situation den vom Entwickler vorgesehenen Lösungsweg um auf dem für das Videospiel logischen Weg den Schatz zu erreichen. Der gemeine Videospieler ignoriert diesen Weg und versucht es mit Alternativen. Im optimalsten Fall funktionieren diese aufgrund der Logik in der Videospielwelt, im normalen Fall hat der Entwickler einige alternative Lösungen berücksichtigt und im schlechtesten Fall funktioniert keiner der alternativen Ansätze. Im Falle der optimalen Situation gewinnt das Videospiel das persönliche Duell, im schlechtesten Fall der Videospieler. Im optimalsten Fall verliert man erstaunt und zufrieden, im schlechtesten Fall frustriert, da die Spielmechaniken und die Videospielwelt doch nicht so funktionieren wie es einem der Titel eigentlich glauben lassen möchte. Meine Spielerfahrung mit dem Titel hinsichtlich des Duells? The Legend of Zelda: Breath of the Wild gewinnt, es gewinnt immer und genau dadurch gewinnt der Titel auch beim Videospieler. Dinge die du siehst, kannst du erreichen. Aktivitäten die du machen möchtest, funktionieren gefühlt durchgehend. Die Videospielwelt durch Blödsinn an das Limit bringen, wurde von den Entwicklern korrekt bedacht und fühlt sich unheimlich innerlich befriedigend an.
The Legend of Zelda: Breath of the Wild bricht mit der in den Vorgängern etablierten fixen Reihenfolge der einzelnen Verliese. The Legend of Zelda: Breath of the Wild erklärt die Basisspielregeln innerhalb von zwei Stunden und lässt den Videospieler die Tiefe und Funktionsweise der Spielmechaniken selbst aufgrund von Logik und Versuchen erlernen und verstehen. The Legend of Zelda: Breath of the Wild lässt sich schwierig in Worte fassen, außer dass es positiverweise ein Videospiel wie bisher kein anderes ist. The Legend of Zelda: Breath of the Wild wurde darauf konzipiert ein verdammt gutes Videospiel zu sein, im Gegensatz zu etlichen anderen Titeln mit dem gleichen Mantra ist es jedoch ein ausgezeichnetes Videospiel auf allen möglichen und gefühlt unmöglichen Ebenen.
Gespielt wurde die Nintendo Switch Version von The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Das Videospiel ist seit März für die Nintendo Switch sowie Wii U erhältlich und Amazon verkauft die Standard sowie Limited Edition in Form eines physischen Datenträgers* und als Download-Code*. Hinweis hinsichtlich Transparenz: Nintendo hat mir für diesen Test vorübergehend eine Nintendo Switch und auch das Videospiel zur Verfügung gestellt.