Ein Videospiel wird veröffentlich, das Entwicklungsstudio dahinter geschlossen, die Mitarbeiter auf andere interne Entwicklungsteams aufteilt oder diese verteilen sich in der Videospielindustrie, trotz eher geringer Verkaufszahlen entwickelt sich um den Titel eine Fangemeinde und es folgt nichts. Die Ankündigung eines Nachfolgers bleibt aus, von Jahr zur Jahr sinkt die Wahrscheinlichkeit und dann wird plötzlich in einem Meeting beschlossen, dass man nach acht Jahren einen Nachfolger produzieren möchte und steht vor vielen Herausforderungen: Einen inhaltlichen und spielmechanischen Bezug zum Vorgänger herstellen, das Spielgefühl für die bestehende Fangemeinde beizubehalten, genug Anpassungen um dieses Mal wirtschaftlich erfolgreich zu sein, die Problematik einer wirtschaftlich und technisch anderen Videospielindustrie als damals und einem nicht mehr vorhandenen Entwicklungsstudio beziehungsweise Team. Herausforderungen die unrealistisch zu meistern sind, eine Kombination bei der man es man Ende eigentlich niemanden Recht machen kann. Willkommen zu einem Text über Halo Wars 2, dem Nachfolger zu einem Videospiel, dessen Geschichte in diesem Absatz kurz umrissen wurde. Halo Wars war 2009 der spielmechanisch erfolgreiche, aber wirtschaftlich erfolglose Versuch das Genre der Echtzeitstrategie auf Videospielkonsolen zu etablieren. Halo Wars 2 setzt den Vorgänger fort, in beiden Aspekten, leider.
Am einfachsten erklärt man Halo Wars 2 in dem man das Videospiel in die Einzelkomponenten zerlegt. Es ist im Genre der Echtzeitstrategie angesiedelt und der Ablauf ist der vereinfachte Bau einer Basis, die Produktion von Einheiten und das Eliminieren von gegnerischen Einheiten sowie Gebäuden. Spielmechanisch ist der Ausbau der Basis durch die von der Spielzeit abhängige Gewinnung von Ressourcen gesteuert und das Kampfsystem arbeiten mit Infanterie, Fahrzeugen und Flugeinheiten nach dem klassischen Schere-Stein-Papier-Prinzip. Ebenso zeitlich limitierte globale Spezialfähigkeiten, besondere Angriffe von Einheiten und Anführer-Fähigkeiten in Mehrspielerpartien durchbrechen das Grundkonzept. In der Kampagne spielt man zwölf etwa 30 bis 45 Minuten lange Missionen, welche das Schema durch kleinere Anpassungen am Spieldesign von Missionen auflockern und alle paar Missionen die Geschichte mit äußerst hübschen Zwischensequenzen vorantreiben. Aus Mehrspielersicht lässt sich die Kampagne kooperativ, der klassischer Versus-Modus für zwei bis sechs Spieler in Teams sowie der neue auf den Bau einer Basis verzichtende Blitz-Modus inklusive Varianten spielen. Über alle Arten ist ein globales Level- und Erfahrungssystem gezogen, durch welches die für den Blitz-Modus erforderlichen Kartenpakete mit Einheiten und Fähigkeiten freischaltet werden.
Ich habe 2009 Halo Wars geliebt und ich liebe, nein ich mag 2017 Halo Wars 2. Seit dem ersten Videospiel der Halo-Reihe habe ich mich anfangs unbewusst in das Universum verliebt und bin auch noch nach Jahren über die Feinheiten der erdachten Welt begeistert. Das eher untypische daran ist aber, dass ich kein großer Freund der anderen Titel des Universums bin, da ich schlichtweg keine Videospiele im Genre Shooter bevorzuge. Halo Wars war vor acht Jahren genau mein Spiel: Es war Halo, es war Echtzeitstrategie und es war für mich eine schwer in Worte fassbare positive Erfahrung. Mein Interesse für Halo Wars 2 war im Vorfeld gering. Der Grund ist auch einfach, da ich gelernt habe meine besten Erinnerungen an Videospiele nicht durch in meine Augen suboptimale Nachfolger zu zerstören. Wie bereits erwähnt waren die Herausforderungen und Anforderungen an Halo Wars 2 so hoch, dass die Chance einer persönlichen Enttäuschung im Prinzip unausweichlich war.
Die Neugier hat am Ende jedoch gesiegt und ich musste feststellen, wie falsch und richtig ich doch lag. Halo Wars 2 macht alles richtig. Das für die Serie neue Entwicklungsstudio hat die unglaubliche Herausforderung bezüglich des Transports des früheren Spielgefühls gemeistert und Halo Wars 2 fühlt sich exakt wie der Vorgänger an. Es machte einfach Klick und ich hatte dasselbe Spielgefühl wie früher. Es ist eigentlich alles wie beim Vorgänger, einfach schöner, größer und besser und genau darum liebe ich die Kampagne alleine oder in kooperativer Form. Nüchtern betrachtet ist auch der Mehrspielerbereich mit dem Fortbestand der klassischen Spielmodi und der Erweiterung um den Blitz-Modus eine Steigerung. Emotional betrachtet freue ich mich aber nicht über diese Verbesserung, denn durch die Mehrspielermodi ist Halo Wars 2 zu viel oder versucht zu viel zu sein.
Bitte nicht falsch verstehen, spielmechanisch und vom Umfang ist es eine massive Erweiterung. Die unterschiedlichen Modi sorgen für Abwechslung, der Blitz-Modus bringt einen komplett frischen Ansatz für kurze Partien und Tages- sowie Wochenaufgabe inklusive Belohnungen motivieren zu regelmäßigen Spielsitzungen. Mein Problem ist der seit Jahren immer stärker in Erscheinung tretende Ansatz einen Titel als Plattform zu etablieren und damit durch unterschiedliche Arten langfristig zu monetarisieren. Im Fall von Halo Wars 2 sind es Kartenpakete, die man durch regelmäßiges Spielen freischaltet oder gegen echte Geld kauft. Diese erweitern und stärken die Möglichkeiten im Blitz-Modus. Der zweite eher statische Hebel sind die unterschiedlichen Anführer und deren Spezialfähigkeiten in allen Mehrspielerpartien, welche entweder als Komplettpaket oder individuell gekauft werden können. Keine der beiden Arten zu Monetarisieren sind für nicht zahlenden Videospieler störend und sorgen auch für keinen Nachteil.
Aber muss im Jahr 2017 wirklich fast jedes Videospiel eine langfristige Plattform bieten? Ich glaube nicht und gefühlt wäre Halo Wars 2 ohne dieses Konzept zwar bei weitem nicht so umfang- und abwechslungsreich geworden, jedoch für mich um keinen Fall schlechter. Ich liebte das erste Halo Wars wegen des Universums, der Kampagne und den Zwischensequenzen. Der damalige Mehrspielermodus war eine nette Beigabe für eine Handvoll Partien mit Freunden. Ich liebe Halo Wars 2 wegen des Universums, der Kampagne und den noch hübscheren Zwischensequenzen. Der Mehrspielermodus ist aber zu viel und verschreckt mich. Ich würde manchmal gerne eine Partie absolvieren, mache es aber nicht. Es ist nicht die Angst die ersten paar Stunden laufend zu verlieren, es ist der Respekt vor der zu investierenden Zeit um so weit im System zu kommen, dass ich Spaß an der Sache finde.
Die Lösung? Videospiele wieder Videospiele sein lassen. Manchmal ist weniger mehr, im Falle von Halo Wars 2 wäre ich mit einer Kampagne und überschaubare Mehrspielermodi glücklich gewesen. Das Problem? Die Spieler wollen lautstark möglichst viel Spielzeit für jeden ausgegebenen Euro und der klassische Videospiel-Ansatz befriedigt diesen Aspekt im Vergleich mit anderen Titel immer seltener. Eine Alternative? Den Funktionsumfang sinnvoll wählen und den Verkaufspreis relevant reduzieren. Chance auf Erfolg? Ich fürchte gering. Und Halo Wars 2? Eine einfache Wiederholung: Ich liebte das erste Halo Wars wegen des Universums, der Kampagne und den Zwischensequenzen. Ich liebe Halo Wars 2 wegen des Universums, der Kampagne und den noch hübscheren Zwischensequenzen.
Gespielt wurde die Xbox One Version von Halo Wars 2. Das Videospiel ist seit Februar für die Xbox One sowie Windows 10 PCs erhältlich und Amazon verkauft die Standard sowie Ultimate Edition in Form eines physischen Datenträgers* für die Xbox One und als Download-Code* für Xbox Play Anywhere auf der Videospielekonsole und Windows 10 PCs. Hinweis hinsichtlich Transparenz: Microsoft hat mir vorab einen Xbox One Download Code für Halo Wars 2 zur Verfügung gestellt.