Superhot

Vor zwei Jahren habe ich das erste Mal etwas von Superhot gesehen. Es war ein Trailer für die Kickstarter Kampagne für einen auf den ersten Blick stark stilisierten First-Person-Shooter und ich war innerhalb weniger Sekunden von der adaptierten Grundidee bezüglich der Spielmechanik fasziniert. Trotz dieser Faszination konnte ich mich aufgrund schlechter Erfahrungen mit Projekten auf Kickstarter nicht hinreißen für die Idee vorab zu bezahlen und das Videospiel ist mit dem Schließen des Browserfensters von meiner Bildfläche verschwunden. Erneut in den Fokus kam der Titel auf der letztjährigen gamescom mit der Ankündigung einer Xbox One Version, noch tiefer ins Bewusstsein durch eine spielbare Version auf der Game City letzten September und Anfang Mai landete Superhot im Austausch einiger digitaler Euro zwecks Befriedigung der eigenen Neugier auf dem Datenträger meiner Xbox One.

Superhot - Logo

Anstelle sich an anderen Vertretern des Genres zu orientieren und kleinere Adaptierungen an den Spielmechaniken vorzunehmen, hat das polnische Entwicklerteam bei Superhot einfach ein fundamentales Grundprinzip von First-Person-Shootern für sich neu definiert, nämlich den Faktor Zeit. Die Änderung besteht darin, dass man als Spieler mit der eigenen Bewegung den zeitlichen Ablauf in der Spielwelt steuert. Bedeutet konkret, dass beim eigenen Stillstand das Spielgeschehen im Prinzip ebenso stillsteht, bei langsamer Bewegung ebenso mit reduzierter Geschwindigkeit abläuft und erst bei normalen Lauftempo der digitalen Spielfigur in der vom Spieler gewohnten Echtzeitgeschwindigkeit abläuft. Dieses spielmechanische Grundprinzip gilt für alles im gleichen Umfang und auch das Nachladen der eigenen Schusswaffe ist genau wie die durch die Luft fliegenden Kugeln von der eigenen Bewegung abhängig.

Diese gezielte Manipulation einer gewohnten Spielmechanik fügt Superhot eine Puzzle-Komponente hinzu, welche realistisch betrachtet einen deutlich wichtigeren Bestandteil einnimmt als alle anderen Komponenten zusammen. Durch den Stillstand der Zeit entsteht die Möglichkeit jeden Angriff auf die rot stilisierten Gegner in der hellgrauen schemenhaften Level-Struktur genau zu planen und auch zwingend erforderlich zeitlich abzustimmen, da man im Regelfall mit mehr als nur einem Gegner aus allen virtuellen Richtungen konfrontiert wird. Anstelle per Reflex diese der Reihe nach zu eliminieren, gilt es die Gegner anhand der aktuellen Gefährdung in der passenden Reihenfolge zu erledigen, dabei in Bewegung zu bleiben und im optimalen Fall bereits zwei Schritte weiterzudenken um nicht aufgrund einer unüberlegten Bewegung durch den Kontakt mit einer Kugel sofort das zeitliche zu segnen und den Abschnitt von vorne starten zu müssen.

Abgesehen vom Brechen dieser spielmechanischen Konvention überrascht das Videospiel nur bedingt. Die erzählte Geschichte regt zwar oberflächlich zum Nachdenken an, ist aber im Prinzip relativ generisch und mehr als Platzhalter zu sehen. Spielmechanisch gilt es alle in der Spielwelt existenten Gegner mittels unterschiedlicher Waffen in den in wenigen Minuten zu absolvierenden Level-Abschnitten zu eliminieren. Nach einer Spielzeit von etwa vier Stunden hat man Superhot das erste Mal durchgespielt und dennoch kann man mit hoher Sicherheit den Controller nicht aus den Händen geben.

Im Gegensatz zu quasi allen in den letzten Jahren erschienenen First-Person-Shootern fühlt sich Superhot anders an, nämlich erfrischend anders. Abgesehen von der direkt von der Bewegung abhängig verlaufenden Spielgeschwindigkeit würde sich Superhot in nur wenigen bis keinen Aspekten von anderen Vertretern des Videospiel-Genres unterscheiden und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als stilisiertes und hübsches Indie-Spiel ein Dasein auf den digitalen Marktplätzen fristen. Tut es glücklicherweise nicht, denn der Mut etwas Bestehendes komplett anders zu machen, hebt das Videospiel vom generischen Einheitsbrei der Call of Duty oder Battlefield Ableger der letzten acht Jahre mehr als nur deutlich ab. Jeder der auch nur einmal in Kontakt mit einem First-Person-Shooter gekommen ist, versteht die Grundmechanik von Superhot. Jeder der einmal in Kontakt mit Superhot gekommen ist, lernt das jahrelang an konditionierte Spielverhalten abzulegen und einen neuen Zugang zum zuvor bereits bekannten Videospiel-Genre zu erlernen und zu entdecken. Es ist der Faktor des Neuen und Unbekannten in bekannter Form, der einen in Superhot vorantreibt. Es ist das Gefühl welches man als Kind hatte, wenn man etwas Neues gelernt und erlebt hat. Es ist das Gefühl welches ein Videospiel durch das Schaffen von digitalen neuen Welten hervorrufen sollte und Superhot als eines der wenigen Videospiele der letzten Jahre auch tut.

Die Grundidee und der erste Prototyp von Superhot entstand Ende 2013 im Rahmen eines Game Jam, wurde im folgenden Jahr durch einen erfolgreiche Kickstarter Kampagne von der Community finanziert und ist seit Anfang des Jahres für den PC und seit Anfang Mai für die Xbox One erhältlich. Bewegte Bilder sieht man im Launch Trailer auf YouTube. 25 Euro verlangt das polnische Entwicklerstudio auf superhotgame.com für Superhot, welches nach dem ersten Durchspielen mit etlichen weiteren Spielmodi noch einige Stunden gute und vor allem erfrischend neue Unterhaltung bietet.

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