Die letzten Jahre waren für mich der Abenteuertrip den ich als Jugendlicher immer erleben wollte. Ich erinnere mich als ich vor 20 Jahren die ersten Berührungspunkte mit dem Medium Videospiele hatte. Die Faszination für das Medium steigerte sich mit dem Einzug eines Computers in das Kinderzimmer und intensivierte sich als ich Videospiele nicht nur anhand der Verpackung kaufte, sondern mich durch die monatlichen Branchenmagazine gelesen und mit Freunden über alle möglichen sowie unmöglichen Aspekte unterhalten habe. Die Videospielbranche hat mich fasziniert, die Redakteure der Magazine habe ich teilweise bewundert, von Pressereisen oder Branchenmessen geträumt und die Art und Weise wie ein Videospiel entsteht war unvorstellbar. Heute ist alles anders.
In den letzten zehn Jahren habe ich etliche Videospielmessen im deutschsprachigen Raum in verschiedenen Rollen besucht, war auf der E3 in Los Angeles, besuchte Entwicklerstudios in Europa sowie den USA, wurde als Vortragender für Konferenzen angefragt, wirkte an einer Handvoll Videospielen mit, wurde von Microsoft als erster sowie bisher einziger Österreicher als Xbox MVP ausgezeichnet und verbrachte Anfang des Jahres einige Zeit am Microsoft Campus in Redmond um dort unter anderem über die Zukunft der Plattform zu diskutieren. Der Zugang zu Rezensionsexemplaren ist vorhanden, Einladungen zu Veranstaltungen landen im Wochentakt in meinem E-Mail-Postfach und PR-Agenturen fragen telefonisch nach, wenn ich nicht antworte. Hätte mir damals jemand gesagt was alles in den kommenden zwei Jahrzehnten passieren wird, hätte ich es vermutlich als Spinnerei abgetan.
Das Problem dabei ist, dass der mittlerweile erfüllte Jugendtraum als Teil der Videospielbranche in Realität gar nicht so erstrebenswert ist, wie ich es damals und lange Zeit geglaubt habe. Jede Reise, jeder Besuch in einem Entwicklungsstudio, jede Videospielmesse und auch jedes Projekt im Umfeld davon sind neutral betrachtet eine spannende Erfahrung, aus meiner emotionalen Perspektive betrachtet jedoch nicht. Meine ursprüngliche Faszination für Videospielen war getrieben als gemeinsames Hobby mit Freunden. Man diskutierte in der Schule, am Bahnhof während man auf den Zug wartete und traf sich zu Hause zum gemeinsamen Spielen. Aus Nachmittagen wurden Tage und aus Tage wurden Wochenenden die gemeinsam vor Bildschirmen verbracht wurden. Die eigene Euphorie wurde geteilt und das eigene Umfeld relativierte das Hobby Videospiele zur normalsten Sache der Welt.
Ein Jahrzehnt später hat man sich aus den Augen verloren. Mein damaliges Umfeld hat sich so wie auch ich weiterentwickelt und das Medium Videospiele ist teilweise oder komplett aus dem Fokus verschwunden. Bei einigen mehr als bei anderen, aber neutral betrachtet bei allen deutlich stärker als bei mir. Die Anzahl der Spieler im Rahmen der gemeinsamen Videospielabende reduzierte sich innerhalb der letzten Jahren. Anfangs war man zu viert, irgendwann nur noch zu zweit, dann reduzierte sich die Anzahl der Abende und irgendwann war ich alleine. Niemand im sozialen Umfeld ist so intensiv im Medium Videospiele hängengeblieben wie ich und damit einher reduzierte sich die Menge an Menschen in meinen Leben, mit denen ich meine Euphorie bezüglich meines erfüllten Jugendtraums teilen könnte.
Es gibt die unterschiedlichsten Ansätze um dies bewusst oder unbewusst zu kompensieren und Veranstaltungen innerhalb der Videospielbranche wirken auf den ersten Blick als optimaler Nährboden hierfür. Wo wenn nicht dort ist es einfacher die sozialen Kontakte mit demselben Grundinteresse zu erweitern und mit anderen Menschen die eigene Euphorie zu teilen. Problematisch nur, wenn man sich nicht in der örtlichen Nähe zu solchen Veranstaltungen befindet und hierbei ist es prinzipiell egal ob einen wie bei mir dreizehn Stunden Flugdauer von Seattle oder zwei Stunden im Auto nach Wien trennen. Es ist ein leichtes in der eigenen Scheinwelt zu leben und unbewusst das eigene Leben um das Medium Videospiele auszurichten. Mit steigenden Alter wird es jedoch schwieriger sein Leben um ein Hobby zu planen, wodurch sich die emotionale Lage dazu deutlich verändert, konkret verschlechtert. Je seltener ich Veranstaltungen im Videospielumfeld besuchte, desto weiter entfernte ich mich aus der Videospielbranche. Gewonnene Freunde wurden zu Bekanntschaften, Bekanntschaften wurden zu flüchtigen Kontakten. Je größer der soziale Abstand zu teils unbewussten Bezugspersonen wurde, desto geringer war die Motivation die entstehenden Aufwände und Kompromisse weiterhin in Kauf zu nehmen.
Jahre die für andere Menschen wie die interessantesten Jahre meines Lebens gewirkt haben, waren zwar spannend, haben jedoch auch indirekt zu einer Isolierung geführt. Nichts bringt etwas, wenn man es nicht teilen kann. Manchmal war es leichter mit der Problematik umzugehen, manchmal schwierig. Die letzten Monate haben mir verstärkt gezeigt wie sinnlos vieles der letzten Jahre war und wie sinnfrei manche Verhaltensmuster waren um einen aus heutiger Sicht teilweise absurden Jugendtraum zu erfüllen. Das Thema Videospiele und die Videospielbranche ist spannend und fasziniert mich weiterhin. Im Gegensatz zu früher jedoch nicht mehr um jeden Preis und definitiv nicht zu Lasten anderer Dinge.