Lassen wir ausnahmsweise das sonst übliche langatmige Geplänkel beiseite und machen es kurz. Das Blablabla um künstlerische Aspekte und mögliche Visionen der Erschaffer einfach mal weglassen, die emotionale Bindung zugunsten der Objektivität ausklammern und das Vorhandene auf neutraler Basis beurteilen. Child of Light ist das 15 Euro Downloadprodukt eines sonst für Blockbustertitel verantwortlichen Ubisoft Studio. Hübsch verpackt mit Hilfe des UBIArt Frameworks als Grundgerüst wird versucht das Spiel unter anderem durch rundenbasierte Kämpfe im Genre der klassischen japanischen Rollenspiele anzusiedeln. Aufgrund der stark vereinfachten Kampfmechanik, der geringen Anzahl an Nebenaufgaben, dem nicht vorhanden Kauf oder Verkauf von Waffen oder Rüstungen oder Gegenständen, einem minimalistischen Fähigkeitssystem, dem wenig fordernden Schwierigkeitsgrad, der bedingt epischen Geschichte und dem etwa zwölf Stunden lang sich stetig wiederholenden Spielablauf bleibt es bei einem Versuch. Child of Light glänzt zwar audiovisuell, bietet aber wenig Tiefe im Vergleich zu richtigen JPRGs. Ich mag rundenbasierte Rollenspiele, ich bin ein großer Fan von Final Fantasy VII und Child of Light ist für mich das beste Rollenspiel seit dem acht Jahre alten Blue Dragon. Warum? Zeit.
Die Stunden, die ich Child of Light gespielt habe, haben sich gut angefühlt, anders als viele Spiele in der heutigen Zeit. Es fehlt die Hektik, es fehlt der simulierte Adrenalinkick, es fehlt der Stress. Die optisch und akustisch harmonische Kombination kann richtig dosiert fast hypnotisch beruhigend wirken und man kann als Spieler einfach in die Spielwelt abtauchen, sich einfach fallen lassen. Man selbst gibt das Tempo vor und hat zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über die Geschwindigkeit. Die Simplifizierung der Spielmechanik unterstützt den Aspekt spürbar. Der Entwickleransatz ein zugängliches Spiel in einer entschleunigten Spielwelt anzubieten wirkt anfänglich merkwürdig und ist für eine nach Höhepunkten und Komplexität gierende Branche mehr als unüblich. Lässt man sich als Spieler jedoch ohne großes Nachdenken darauf ein, bietet Child of Light eine Gesamtspielerfahrung, die seit Jahren konsequent durch Bang Boom Bang Momente vertrieben wurde.
Eine weitere wichtige Komponente ist die gemeinsame Zeit, die gemeinsame Erfahrung. Xbox Live und das PlayStation Network führten in den letzten Jahren zu einer stetigen Vernetzung der Spielerfahrung und es war nie einfacher mit oder gegen andere Menschen zu spielen. Jedoch schafft es die Übervernetzung nicht das Gefühl des gemeinsamen Spiels vor einem Bildschirm zu ersetzen. Die Betonung liegt auf gemeinsam, denn Child of Light wagt den Spagat eine kooperative Spielerfahrung für jeden zu schaffen. Das Resultat ist ein optional unterstützender Koop-Modus, bei dem die Person mit dem zweiten Controller die Hauptfigur heilen sowie Gegner blenden kann, kleine Schalterrätsel löst, bei der Erkundung der Spielwelt hilft und gezielt den zeitlich Ablauf der Kämpfe manipuliert. Kombiniert mit der Möglichkeit das Spieltempo selbst zu bestimmen, dem Konzept der Vereinfachung und der erforderlichen gemeinsamen verbalen Abstimmung meistert Child of Light diesen Spagat mehr als nur souverän. Videospiele sind heute sozialer und vernetzter als noch vor ein paar Jahren, eine gemeinsame positive Erfahrung aufgrund gemeinsamer Zeit vor einem Bildschirm kann weder heute noch die nächsten Jahre durch technischen Fortschritt simuliert werden. Umso erfreulicher ist es dann, wenn es ein Spiel schafft dieses Erlebnis für eine große Zielgruppe zu öffnen, denn es ist egal ob Profi oder Anfänger, es spielt keine Rolle ob Freundin oder Freund, die von Child of Light geschaffene Koop-Erfahrung funktioniert einfach.
Die Frage ob man nun Zeit in Child of Light investieren soll oder nicht, sollte nach den letzten beiden Absätzen eigentlich keine mehr sein. Aber die Kritikpunkte aus dem ersten Absatz? Themen die teils von Spielejournalisten dem Spiel zu Lasten gelegt werden. Nüchtern betrachtet zu Recht, jedoch ist Spielejournalismus meist unrealistisch. Der treibende Faktor ist oftmals die Zeit, denn es gilt einen Beitrag zu einem Spiel früh und im besten Fall als Erster zu veröffentlichen. Beitrag verfasst unter Zeitdruck, Spiel gespielt unter Zeitdruck. Das Resultat? Auswechselbare Absätze und eine Spielerfahrung die wenig mit der echten Welt, noch weniger mit der Intention der Entwickler und nichts mit dem Großteil der Spieler zu tun hat. Bei vielen Spielen mag dies irrelevant sein, bei Child of Light ist es meiner Meinung nach entscheidend. Child of Light fordert Zeit und belohnt mit Zeit, einer guten Zeit und im Falle des Koop-Modus mit unheimlich guter Zeit.
Gespielt wurde über einen Zeitraum von drei Wochen auf der Xbox One. Child of Light gibt es in den digitalen Marktplätzen für Xbox 360, Xbox One, PlayStation 3, PlayStation 4, WiiU und via Uplay sowie Steam auf dem PC für 15 Euro. Die Deluxe Edition (Download Code inklusive Merchandise) für PlayStation 3/4 und den PC verkauft Amazon* für etwa 20 Euro. Der kostenpflichtige Kauf von Spielgegenständen ist wie bei quasi jedem Spiel der neuen Konsolengeneration vorhanden, aber niemals erforderlich oder künstlich erzwungen hilfreich. Diese Zusatzangebote werden positiverweise nicht proaktiv im Spiel beworben, angepriesen oder angeboten.