Mit dem Reboot eines Reboots des mittlerweile elf Jahre bestehenden Splinter Cell Franchises versucht sich Ubisoft Toronto an den Ursprüngen der Serie zu orientieren und es gleichzeitig im Sinne der Zugänglichkeit allen Recht zu machen. Ein Hauptfokus auf die Schleichkomponente ist für die Stealthfetischen zurück, die Ungeduldigen dürfen auch mal ohne große Konsequenzen darauf los ballern und Einsteiger freuen sich über die „Killing in Motion“-Mechanik, bei der man mittels Tastendruck zuvor markierte Gegner automatisiert eliminiert. Überzogen mit einer amerikanischen Heldengeschichte begeistert Sam Fishers jüngstes Abenteuer die Fachpresse. Polygon lobt die Refokusierung auf die Ursprünge sowie Zugänglichkeit, Kotaku begeistern die teils schweren Nebenmissionen und unterschiedlichen Mehrspielermodi und obwohl die Edge den Kompromiss zwischen „Chaos Theory“ und „Conviction“ suboptimal sieht, geht die generelle Tendenz in Richtung Kaufempfehlung.
Blacklist ist mein zweiter Kontakt mit der Serie. Die ersten Erfahrungen mit Sam Fisher fanden 2002 mit dem Start des Franchises statt und nahmen ein frühes Ende. Es war vermutlich die Mischung aus jugendlicher Ungeduld und dem für mich zu hohen Schwierigkeitsgrad, wodurch mir der Klick-Moment verborgen blieb und die DVD mit einer Ladung Frust ihr Dasein als Mahnmal in einem Regal fand. Warum ich soweit aushole und eine elf Jahre alte Geschichte ausgrabe? Weil es mir bei Splinter Cell Blacklist leider ähnlich geht und ich seit mehreren Spielstunden an der zweiten Mission im Einzelspielermodus scheitere. Leider, weil mir das bis dahin gespielte trotz übertrieben hoher Gewalt durchaus gefällt und die Spiel-DVD demnächst wohl ein ähnliches Schicksal erleiden wird wie damals den Starttitel der Serie. Schade.
Komplett anders ergeht es mir jedoch mit Splinter Cell Blacklist Spider-Bot, denn hier hat es im Gegensatz zum Spiel selbst überraschenderweise Klick gemacht. Hinter dem merkwürdigen Beititel verbirgt sich ein mobiles Spiel für iOS und Android, welches grundlegend eigenständig ist, aber deutliche Ansätze für die bald zum Standard gehörende „Second Screen“-Funktion aufweist. Losgelöst vom Blacklist Geschichtsfaden übernimmt man die Kontrolle einer spinnenähnlichen Drohne und versucht sich in drei unterschiedlichen Spielmodi. Diese spiegeln die grundlegenden Spielarten von Blacklist wieder und reichen vom möglichst heimlichen Sammeln von Daten (Stealth-Bot), der raschen und effektiven Vorgehensweise (Spider-Bot) bis hin zum Einsatz von roher Waffengewalt (Strike-Bot).
Soweit nicht sonderlich spannend und vergleichbar mit jedem x-beliebigen rasch zusammengestöpselten Werbespiel. Spider-Bot wirkt aber auch nach längerer Benutzung weder uninspiriert, umsonst oder rasch zusammengestöpselt. Der Umfang ist mit mehr als 90 Level überraschend groß und die im mobilen Spiel gesammelten Punkte auch für Blacklist sinnvoll. Diese können zum Freischalten von Gegenständen genutzt und oder mit dem hinterlegten Wechselkurs in Credits für die Konsolen- oder PC-Version umgewandelt werden, um die Ausrüstung von Sam Fisher zu verbessern. Nüchtern betrachtet erfindet Ubisoft damit sicherlich nicht das Rad neu, aber das Zusammenspiel zwischen einem Videospiel und einer mobilen Anwendung fühlt sich für mich zum ersten Mal richtig und sinnvoll an. Das liegt am passenden Spielkonzept, dem technisch einwandfrei funktionierenden Transfer zwischen beiden Medien und dem Spielumfang, der bei ein paar Stunden liegen dürfte. Warum quasi niemand die Spider-Bot App kennt? Ubisoft bewirbt diese leider mehr schlecht als Recht. Die Gründe dafür? Sehr schwer zu sagen, denn die Qualität ist es nicht. Vermutlich handelt es sich um den ersten richtigen „Second Screen“-Testlauf und Ubisoft war fälschlicherweise im Vorfeld nicht zu 100% überzeugt. Schade.
Die Spider-Bot App ist weder perfekt noch eine Revolution, aber dennoch auf einem so hohen Niveau, dass der Zeigefinger auch nach drei Wochen noch gerne auf das schwarz-grüne App Icon tippt. Die ersten zaghaften „Second Screen“-Gehversuche vom Ubisoft können durchwegs als gelungen eingestuft werden und machen Lust auf mehr. Mehr ist auch bereits unterwegs, denn mit Watch Dogs und The Crew stehen zwei Ubisoft Titel an, bei denen der zweite mobile Bildschirm ebenso genutzt werden wird. Die „Second Screen“-Nutzung wird mit der anstehenden Veröffentlichung der Xbox One und PlayStation 4 noch deutlich wichtiger als sie eigentlich bereits jetzt schon wäre und umso spannender welche Konzepte künftig präsentiert werden. Zusammenstöpseln reicht jedenfalls nicht mehr aus.
Gespielt wurde eine von Ubisoft zur Verfügung gestellte Reviewversion auf der Xbox 360. Splinter Cell Blacklist ist seit Mitte/Ende August für Xbox 360, PlayStation 3 sowie PC erhältlich und wechselt für etwa 55 Euro den Besitzer (Amazon*). Die Spider-Bot App steht kostenlos für aktuelle iOS (App Store) und Android Geräte (Play Store) zum Download bereit und koppelt sich mittels Uplay Account mit Blacklist.