Der Summer of Arcade ist noch in vollem Gange und für mich praktisch auch schon wieder vorbei, denn mit „From Dust“ aus dem Hause Ubisoft Montpellier ist mein Limbo beziehungsweise Braid des Jahres 2011 veröffentlicht worden. Das Spielkonzept wirkt nicht wirklich neu, einiges ist nicht ausgereift, manche Stellen sind unfair laden zum mehrmaligen Spielen ein, aber trotzdem macht es mehr Spaß als die zweiundzwanzigste Kopie von Call of Duty.
Ubisoft spricht von einem von Populous inspirierten Titel, wobei spielerisch der Titel mehr mit dem von mir zutiefst geliebten und gehassten „Black & White“ gemein hat, als mit dem Urvater der Götterspiele. Inhaltlich unterstützt man mit seiner göttlichen Kraft ein Volk, welches auf auf der Suche nach Spuren zu seinen mystischen Vorfahren ist. Man kämpft im Gegensatz zu den ideologischen Vorbildern nicht gegen andere Völker oder Kreaturen, sondern gegen die Natur oder genauer gesagt dessen Gewalten. Kämpfen ist jedoch das falsche Wort, denn eigentlich versucht man in einer gewissen Koexistenz zu leben, zu überleben.
Im Gegensatz zu den Peter Molyneux Spielen gibt es in dem von Eric Chahi geschaffenen Werk nur wenig bis praktisch keine Interaktion mit dem Volk. Man hat keine göttliche Kreatur und unterstützt auch nicht sein Volk durch Optimierung von Bauflächen oder dergleichen. Man manipuliert viel mehr die Welt aus Wasser, Sand, Gestein und Lava um damit den Dorfbewohnern einen Weg zu schaffen. Der Weg führt im Regelfall zu Totems, welche von den früheren Bewohner des Landes zurückgelassen wurden und meist mystische Kräfte entfesseln. Die beiden einzig möglichen Anweisungen sind „Gehe zum Toten“ und „Gehe nun doch nicht mehr zum Toten“. Was zwischen der Anweisung und dem Ziel passiert, kann nur mehr indirekt durch Manipulation der Welt geschehen und genau hierhin liegt der Reiz des Spiels.
Die Welt ist nicht starr, sondern lebt sein eigenes (physikalisch möglichst korrektes) Eigenleben. Da sind zum Beispiel Flüsse, sie sich Ihren Weg durch Gestein und Sand bahnen und im späteren Spielverlauf auch Lavaströme, die bei Berührung mit Wasser zu Stein erstarren und so neues Land schaffen. Durch die göttliche Kraft und Manipulation der Welt kann der Weg der Flüssigkeiten manipuliert werden und aus reißenden Strömungen wird innerhalb von Sekunden ein trockengelegtes Flussbett, wodurch zum Beispiel ein Totem letztendlich erreichbar wird. Solche von Spielerhand hervorgerufene Änderungen an der Natur können natürlich auch zu Nebenwirkungen führen, die sich im späteren Spielverlauf durchaus rächen können. Wenn man zum Beispiel einen kleinen Bach in einen Gebirgskessel umlenkt, füllt sich dieser unweigerlich mit Wasser und wird aufgrund des stetig steigenden Pegels nach wenigen Minuten instabil, um unerwartet die halbe Karte zu fluten. Gleiches gilt für die zäh fliessende Lava, welche nach und nach erstarrt und dadurch plötzlich einen neuen (steinigen) Weg über einen anfänglich schützenden Meeresarm bildet und damit die Fauna und Flora am anderen Ufer innerhalb kürzester Zeit abfackelt. Zusätzlich gibt es noch zyklische Naturgewalten wie Springfluten, Vulkanausbrüche, stark schwankene Meeresspiegel oder sinflutartige Regenfälle, die für einen gewissen Zeitdruck sorgen. Die Natur unterstützt den Spieler im Spielverlauf aber auch mit speziellen Pflanzen (Feuerbaum, Wasserbaum oder Knallbaum) die sowohl Vor- als auch Nachteile haben und mit Bedacht eingesetzt werden sollten (ein falsch platzierter Feuerbaum sorgt schnell für die komplette Auslöschung aller Dörfer und Einwohner). Neben der Manipulation der Natur erhält der Spieler durch das Erreichen der Totems auch spezielle Kräfte, die eine zeitlich begrenze Hilfestellung bieten (zum Beispiel mehr Materie aufsagen, das Wasser „einfrieren“, Wasser verdunsten lassen, Feuer ersticken oder auch Materie in ein schwarzes Loch saugen).
Es gibt abgesehen der physikalischen Grenzen sehr wenig Limitierungen und die innerhalb kürzester Zeit entstehende Atmosphäre erweckt Sandkastengefühle. Nicht nur einmal habe ich mich dabei ertappt auch nach Erfüllung der Aufgaben in einem Level zu verbleiben, um mit der Landschaft zu spielen. Ein zusätzlicher Flussarm dort, etwas Lava hier und auch der Sandhügel dort drüben könnte etwas flacher sein. Das Zusammenspiel zwischen optischen Reizen und der gelungen physikalischen Umsetzung der Natur zieht einen einfach in seinen Bann und obwohl keine neuen Belohnungen mehr freigespielt werden können, beginnt man zu optimieren und experimentieren. Es ist unheimlich schwer dieses Gefühl zu beschreiben, aber magisch trifft es irgendwie ganz gut, denn genau dadurch werden auch die nicht ausgereiften Elemente (ab und zu ist die Steuerung etwas merkwürdig; am Anfang eines Levels ist man oft hilflos; man lernt mehr durch probieren als durch Texte studieren) mehr als nur kompensiert. Manche Stellen sind trocken betrachtet eher unfair und führen unweigerlich zu einem Neustart des Levels, aber im Gegensatz zu so vielen anderen Spielen stört es nicht. Es ist einfach der Wille die Natur und meist hat man durch sein früheres Handeln eine langsam schleichende Kettenreaktion ausgelöst, die sich vielleicht erst nach einer halben Stunde rächt, aber beim nächsten Anlauf ist man sich der potentiellen Gefahr bewusst und wählt einen anderen (hoffentlich besseren) Lösungsweg.
„From Dust“ ist nicht für Fans von God Games einen Blick wert, sondern darf ebenso wie Limbo oder Braid in keiner ordentlichen Spielesammlung fehlen. Der günstige Preis von etwa 15 Euro (1200 MS Points*) sorgt für etliche Stunden an Unterhaltung und spielt dank der kreativen sowie mehr als nur gelungenden Umsetzung jeden 0815 Shooter mit Leichtigkeit an die Wand. Neben dem kürzlichen Release auf dem Xbox LIVE Arcade Marktplatz ist ebenfalls eine Veröffentlichung via Steam und Playstation Network geplant. Weitere Buchstaben gibt es in einem ausgezeichneten Review von GamersGlobal.de, die auch mit einem sehr gelungen Testvideo einige Karmapunkte sammeln.