Alan Wake

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich stolz verkündet, dass Alan Wake nicht in meiner Xbox 360 landen wird (zum Beitrag) und nun ist es doch passiert. Ich kann mich nicht mehr genau an der Grund erinnern, aber Anfang des Jahres habe ich digitale Version vom Xbox LIVE Marktplatz heruntergeladen und kurz darauf flimmerte die erste Episode des inhaltlich eindeutig von der Fernsehserie Twin Peaks inspirierten Videospiel über mein Fernsehgerät.

Wenn man es sich leicht machen möchte, dann reduziert man am einfachsten das finnische Spiel auf seine Basiselemente, beurteilt diese und kommt dann zu einem eher mittelmäßigen Gesamtresultat. Die Gruselstory des namensgebenden Romanautors mit Schreibhemmungen, der sich selbst in (s)eine Geschichte schreibt ist zwar neu, aber nüchtern betrachtet nicht sonderlich kreativ. Der Grafikengine sieht man die etwa siebenjährige Entwicklungszeit deutlich an und die zum Teil eher eintönige Kulisse von Bright Falls sorgt ebenso wenig für Begeisterungsstürme, erst Recht da der größte Teil des Spiels Nachtpassagen sind. Die Vielfalt an Gegnern ist eingeschränkt und das Gameplay selbst ist relativ schnell monoton und stark repetitiv. Sehr lobenswert ist jedoch sowohl Soundtrack, Soundeffekte und die hervorragende deutschsprachige Synchronisation inklusive der stimmigen Sprachausgabe der Charaktere. Auf Basis dieser Einschätzungen klingt alles nach Standardkost und genau das ist falsch, denn Alan Wake war zurecht eines der besten Spiele in seinem Erscheinungsjahr und verdient auch darüber hinaus das Prädikat bemerkenswert.

Es ist die Art der Erzählung und die inhaltliche Tiefe, die einfach das Gewisse etwas hervorrufen. Nichts davon ist revolutionär oder einzigartig, die Zusammensetzung jedoch bisher schon. Dies beginnt beim episodenhaften Aufbau der einzelnen Kapitel, der stark an die US Fernsehserien Lost erinnert. Offensichtlich ist dies bei der kurzen Zusammenfassung am Anfang jeder Episode, aber auch der Aufbau dieser zeigt starke Ähnlichkeiten mit der Systematik des Fernsehvorbildes, da sich die relevanten Story ebenfalls primär am Anfang sowie am Ende der Episode abspielt. Dazwischen findet man sich selbst im nächtlichen Geplänkel mit nicht wohlgesonnenen Holzfällern und anderen sonderbaren Einheimischen. Diese spielerisch wenig herausfordernden und abwechslungsfreien Passagen werden aber durch die inhaltliche Dichte der Kleinstadt Bright Falls deutlich aufgewertet. Es gibt unzählige Schilder, Plakate, Rundfunkempfangsgeräte und Fernsehgeräte die der Stadt und den noch wohlgesonnenen Einwohnern ein Art Leben und auch eine gewisse Tiefe geben.

Neben der Spannung auf die kommenden Ereignisse, lebt Alan Wake auch von den Themen Angst, Furcht und Ungewissheit. Der finnische Entwickler Remedy Entertainment arbeitet hier jedoch nicht mit Splatter-Effekten oder sonstigem Tamtam, sondern setzt lieber deutlich subtilere Mittel ein. Da ist zum Beispiel das Spiel mit Licht und Schatten in den nächtlichen Abschnitten, welches einfach ein gewisses Unbehagen hervorruft. Mit nur einer kleinen Lichtquelle bewaffnet macht man sich auf in unbekanntes Terrain und der erfahrene Videospieler erwartet dank geschickt angepasster Audiokulisse jeden Moment einen Schreckmoment, der dann jedoch meist ausbleibt. Diese Erwartungshaltung wird zusätzlich durch die im Spiel auffindbaren Romanseiten verstärkt, da diese neben vergangenen Momenten in der Episode auch zukünftige Ereignisse behandeln. Genau zu wissen was passiert, aber oftmals weder eine örtliche noch zeitliche Angabe zu haben, kann innerlich sehr aufreibend sein, aber bietet natürlich einen gewissen Reiz. Zusätzlich wird durch raffinierte Kniffe ein dauerhaftes Furchtgefühl hervorgerufen, welches bei mir sogar soweit ging, dass ich mich selbst überwinden musst die (sehr gelungenden) Fernsehsendungen im Spiel anzusehen. Der Inhalt der von Twin Peaks inspirierten Kurzformate regt durchwegs zum Nachdenken an und während man sich auf den eher hellen (Ingame-)Fernseher am sonst dunklen Bildschirm konzentriert, sieht man nicht nur einmal einen verdächtigen Schatten an einer Tür oder einem Fenstern vorbeihuschen, was meist zu einer Übergegenreaktion führt (Waffe ziehen, Taschenlampe fokussieren und vorsicht die benachbarten Räume prüfen).

Obwohl das inhaltliche Ende für mich nicht wirklich zufriedenstellend war (Hinweis: ich habe keine herunterladbaren Inhalte gespielt, sondern rein das Hauptspiel), hat mich Alan Wake sehr positiv überrascht. Die optischen und spielerischen Mängel werden durch die Nachtpassagen (Thema: Dunkelheit und Taschenlampe) sowie das dauerhafte Furchtgefühl (Thema: Schlauchlevels, die aufgrund des Furchtgefühls nicht wirklich auffallen) geschickt kaschiert und dank des großteils fairen Schwierigkeitsgrades halten sich die Frustmomente stark in Grenzen. Die Story fesselt innerhalb kürzester Zeit und abgesehen von den eher merkwürdig eingebauten und wenig passenden Sammelobjekten (Thema: Warum soll jemand freiwillig in solchen Situationen Thermoskannen sammeln?) besticht der finnische Videospielexport mit einer selten dagewesenen inhaltlichen Tiefe und Glaubwürdigkeit.

Alan Wake ist auch mehr als ein Jahr nach dem Erscheinen einen Blick wert und eine der besten storygetriebenen Einzelspielerfahrungen, die man in den letzten Jahren auf der Xbox 360 erleben konnte. Alan Wake kostet mittlerweile nur mehr 30 Euro und steht sowohl als physischer Artikel bei Amazon* oder auch als digitaler Download am Xbox LIVE Marktplatz zur Verfügung.

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