Schein und Sein

Die letzten Tage war es hier eher ruhig und durch einen Tweet bin ich gestern Abend über einen Blogbeitrag von Luca gestolpert, der wiederum mehr Ergänzung als Antwort auf einen Text von Monica ist. Beide Texte haben mich nachdenklich gestimmt und obwohl ich mich bereits Mitte Mai ausgeweint habe, ist da noch viel übrig.

Viele Beiträge (wenn nicht sogar alle) in den letzten beiden Jahren waren oberflächlich und geben nur einen Teil von mir wieder. Ich bin hier eigentlich nie wirklich persönlich und vermeide es auch soweit es geht mein privates oder berufliches Umfeld zu thematisieren oder aufzuarbeiten. Natürlich kommt es ab und zu vor, dass private Themen mitverarbeitet werden, aber diese sind im Regelfall für den Leser nicht sichtbar oder nur schwer erkennbar. So schön sich mein bisheriges Leben anhand der Beiträge auch lesen mag, so kompliziert und verworren ist es doch ab und zu. Das Blog dient als eine Art optimierte Selbstdarstellung und wie jeder Mensch neige auch ich zu einer Art Idealisierung.

Was hier steht ist nicht mein Leben, was hier steht ist mein Hobby und eine Art kreativer Ausgleich zum normalen Alltag. Ich spiele nicht Tag ein Tag aus Videospiele und reise nicht quer durch die Welt um auf Branchenevents unterwegs zu sein. Die hier veröffentlichten Beiträge spiegeln einen kleinen (wenn auch sehr schönen) Teil meiner Freizeit wieder und auch nicht mehr oder weniger. Meine frühere Zeit in der Unterhaltungsindustrie scheint vielleicht die beste Zeit meines jungen Lebens gewesen zu sein, ehrlich gesagt glaube ich dies mittlerweile nicht mehr. Ich habe unheimliche viele Leute kennengelernt, von denen ich einige (sehr) wenige schon fast als Freunde bezeichnen würde, aber noch viel mehr Leute haben mich enttäuscht, ausgenutzt, ausgespielt und oder massiv über den Tisch gezogen. Vielleicht war ich zu leichtgläubig in meiner Heilen-Welt-Blase, aber mittlerweile bin ich doch ganz froh die Industrie nach etwa sieben Jahren Zugehörigkeit von einer anderen Seite sehen zu können.

Auch wenn viele Beiträge eine Art Unnahbarkeit vermitteln, ich bin es nicht. Der eine oder andere nimmt mich vielleicht sogar als eine Art idealisiertes Vorbild wahr, was aber falsch ist. Meine Darstellung im Blog ist wie bereits erwähnt nur ein kleiner Teil, der idealisierte Teil. In Realität bin ich oftmals weit weg von dem dargestellten Bild und kämpfe mit Problemen, die vermutlich jeden bereits beschäftigt haben oder beschäftigen. Da ist zum Beispiel meine massive Schüchternheit vor neuen Kontakten und eine gewissen Introvertiertheit. Ich bin oft (gerne) alleine und denke auch viel nach, vermutlich zu viel. Scheinbar spontane Aktionen sind oftmals nicht ganz so spontan und auch das Thema Selbstzweifel ist mir nicht unbekannt. Unsicherheit und Angst wird oftmals durch gespielte Arroganz und Gemeinheit überdeckt, was mir im Nachhinein nicht nur einmal leid getan hat, da ich dadurch andere Menschen enttäuscht, gekränkt und auch verletzt habe. Gleichzeitig habe ich auch Angst etwas zu versäumen, was vermutlich mit meinem frühen Einstieg in die Unterhaltungsbranche zu tun hat (ich war 16 oder 17), da ich früher mehr gearbeitet als gelebt habe (Hallo Wochenende, Hallo Samstagabend, …).

Mittlerweile ist vieles anders und vermutlich auch besser. Die Probleme sind (teilweise) noch da, aber ich bin mir meiner Fehler besser bewusst und versuche niemanden darunter leiden zu lassen. Ich vermeide es eigentlich offen darüber zu sprechen, denn ich bilde mir ein, dass es nicht dem gesellschaftlichen Bild eines jungen Mannes entspricht. Glücklicherweise habe ich zwei verdammt gute Freunde, die mich in den letzten Jahren unterstützt und mir teilweise unwissentlich wieder gezeigt haben, wie man sein Leben leben sollte und man manches einfach tun muss ohne wirklich darüber nachzudenken.

Niemand ist perfekt und im Zeitalter von sozialen Netzwerken und Medien versteckt sich jeder in seiner eigenen perfekten Welt. Dies beginnt bereits bei der Auswahl des Profilfotos, geht nahtlos mit den perfekten Statusupdates weiter und niemand stört sich daran, denn Online hat niemand Ecken oder Kanten, Online sind wir nur noch Aalglatt.

Ergänzung – 15.06.2011:
Die hier angesprochenen Themen sind nicht ganz aktuell, sondern spiegeln einfach viele Situationen in den letzten 10 Jahren wieder. Es geht ebenfalls nicht darum Mitleid zu erhalten oder sich in den Vordergrund zu stellen, sondern rein offen zu seinen (wenn auch zum Teil kleinen) Fehler zu stehen, denn nur so kann man daraus lernen und an sich selbst arbeiten. Der Beitrag soll zum Nachdenken anregen und aufzeigen, dass nicht alles so ist wie es oftmals scheint und wir gerne dazu neigen uns selbst etwas vorzuspielen. Auch wenn dies der zweite eher nachdenkliche Beitrag in relativ kurzer Zeit ist, bin ich derzeit absolut glücklich und mit der aktuellen Situation mehr als zufrieden ;-).

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