Für die ersten fünf Monate des Jahres sieht meine bisherige Spielebilanz eher mager aus und neben dem überraschend unterhaltsamen Bulletstorm (der Beitrag dazu) hat bisher nur Portal 2 so richtig bei mir eingeschlagen. Dies geht sogar soweit, dass ich die aktuellste Schöpfung von Valve zweieinhalb Mal durchgespielt habe (zweimal die Einzelspielerkampagne und die erste Hälfte des Coop Modus) und nun eigentlich mehrere Absätze voller Lobeshymnen verfassen müsste.
Der Nachfolger des hochgelobten Vorgängers (Metascore 90) macht eigentlich alles besser und wird daher aufgrund der absurden Wertungssysteme der Fachpresse auch mit einem fünf Punkte höheren Metascore beurteilt. Die Grafik ist besser, es wurden neue Puzzleelemente eingeführt, eine Storyline ausgearbeitet, die Spieldauer angepasst und der mittlerweile obligatorische Mehrspielermodus in Form des Coop Modus integriert. Die Fakten sprechen eigentlich eine klare Sprache, aber mein Bauchgefühl deutet trotzdem in Richtung des Vorgängers. Portal 2 ist kein schlechtes Spiel und für mich auch eines der besten Spielen in den letzten Monaten oder sogar Jahren, aber irgendwie hat sich der zweite Teil vom Vorgänger entfernt.
Portal (1) definierte sich nicht nur über das Konzept mit den Portalen, sondern lebte von GLaDOS, der Sterilität sowie der Ungewissheit. Der Spieler wachte in einem Glaskäfig auf und war der weiblichen menschenähnlichen Computerstimme ausgeliefert. Es gab keine Informationen warum man hier ist oder was einem am Ende erwartet, es gab nur GLaDOS und die Testkammern. Man war ausgeliefert und zweifelte im Laufe des Spiels immer mehr an den verbal erhaltenen Instruktionen und erkannte bald, dass GLaDOS viel mehr als ein stupides Computerprogramm ist und eine eigene Persönlichkeit hat, gegen die viele andere Charaktere flach wirken. Gepaart mit der damals neuen Spielmechanik des Eingangs- und Ausgangsportal und der überschaubaren Spielzeit (es hat nicht jeder Zeit sich etliche Stunden mit einem Titel zu beschäftigen und ich gehöre leider dazu) entwickelte sich eine gewisse Faszination, die man schwer in Worte fassen kann. Es war nicht der Wortwitz, es waren nicht die Rätsel, es war nicht die Spielmechanik, es war nicht die Umgebung, es war nicht Story, es war nicht die Spieldauer, es war irgendwie alles zusammen.
Portal 2 hat all diese Komponente auch, macht alles am Papier besser und verliert dadurch leider das gewisse Etwas, welches den ersten Teil so faszinierend gemacht hat. Es wird dadurch nicht zu einem schlechten Spiel und auch die Betitelung als durchschnittlich wäre eine beschämende Untertreibung, die der Genialität und Raffinesse nicht gerecht werden würde. Die bemerkenswerteste Leistung von Valve ist wohl die um die Spielmechanik sowie um den Vorgänger aufgebaute Storyline, die zusätzlich langsam aber sicher in Richtung des Half-Life Universums integriert wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen war die Marke vermutlich nie als Franchise ausgelegt und auch bei der Entwicklung des Vorgängers wurde nicht darauf geachtet, dass man so einfach einen Nachfolger anflanschen kann. Umso bemerkenswerter ist meiner Meinung nach das Resultat, welches bei langsamer Spielweise eine unheimliche Tiefe der Spielwelt offenbart. Neben GLaDOS wurden neue Charakter wie Wheatley oder dem grandiosen Cave Johnson eingeführt und genau hier offenbart sich eine Schwäche der „Größer ist gleich Besser“-These. Wheatley ist die logische Fortentwicklung von GLaDOS und wirkt trotz grandioser Vertonung (sowohl in Englisch als auch in Deutsch) ab und zu etwas aufgesetzt. So real wie die bekannte Stimme aus dem ersten Teil wirkt, so surreal wirkt der maskuline englische Akzent des neuen Nachwuchspersönlichkeitskern.
Die nächste Verfehlung ist der zurecht hoch gelobte Coop-Modus, der abgekoppelt von der Einzelspielererfahrung funktioniert. Der Mehrspielerpart ist gut umgesetzt und funktioniert tatsächlich vollständig unabhängig von der Einzelspielererfahrung. Dank geschickter Tools wie der Möglichkeit die Ansicht des anderen einzublenden oder auf Knopfdruck einen Countdown zur Abstimmung des gleichzeitigen Starts zu initiieren, kommt innerhalb kürzester Zeit ein gewisses Spaßgefühl auf. Dieses basiert auf den gemeinsamen Erfolgserlebnissen und auch etwas Schadenfreude, wenn man seinen Partner zerstampft, ein falsches Portal setzt oder einfach einen Sprung versemmelt. Aufgrund der generell komplexen Spielmechanik bei Verwendung von vier Portalen und genauster zeitlicher Abstimmung, funktioniert der Coop-Modus trotz technischer Hilfsmittel am besten gemeinsam vor einer Konsole oder mit gleichzeitigem Sprachchat. Zufällige Spielpartner sind zwar möglich, aber keinesfalls eine Option wodurch sich nun langsam das Problem zeigt. Was ist, wenn man keine Freunde hat, die im Besitz von Portal 2 sind oder auf der falschen Plattform spielen? Da (aus gutem Grund) kein AI gesteuerter Buddy integriert wurde, bleibt einem die eigentlich sehr gute Mehrspielerfahrung verwehrt und trotz vollem Preis bekommt man nur zwei Drittel der Portaldröhnung. Klingt zwar nicht so schlimm, aber wenn man bedenkt, dass vermutlich knapp die Hälfte der Konsolen keine dauerhafte Onlineverbindung haben (Hinweis: Es handelt sich hierbei um eine reine Annahme von mir, da weder Microsoft noch Sony dazu Zahlen veröffentlichen), dann bemerkt man erst, wie viele Leute eigentlich davon betroffen sind …
Portal 2 ist unheimlich genial und spart auch nicht mit selbstironische Bemerkungen sowie Inszenierung wie die an Half-Life (1) angelehnte Introsequenz, aber es hat einfach nicht so Klick gemacht, wie es beim Vorgänger der Fall war. Die kritisierten Punkte sind Whinen auf allerhöchstem Niveau und rein faktisch ist auch alles besser als beim im Oktober 2007 veröffentlichten Original, aber mein Bauchgefühl sagt einfach etwas anderes. Ich denke auch, dass ich mit der Meinung nicht alleine bin, aber aufgrund der vorherrschenden meist sinnbefreiten Spielebewertungen (besser = mehr Sterne / Punkte / Prozent), könnte die Mehrheit der Spieleredaktion dies leider nur verbal vermitteln, was aber leider ebenfalls nicht passiert.
Sowohl der erste als auch der zweite Teil sollten in jeder Spielesammlung zu finden sein oder zumindest durchgespielt werden. Trotz der kritischen Worte möchte ich dem gesamten Valve Team (Hallo Thorsten!) danken und meinen Hut ziehen, denn Portal 2 (PC / Mac*, Xbox 360*, Playstation 3*) ist ein grandioses Spiel und gemeinsam mit dem ersten Teil fast schon ein Meilenstein in der Geschichte der Videospiele.