Mein Lebenslauf als Spieler ist länger als mein beruflicher Lebenslauf und umfasst mittlerweile zeitlich betrachtet mehr als mein halbes Leben. Videospiele waren seit meinem 15. Lebensjahr immer irgendwie da, mal mehr und mal weniger. Je älter ich aber werde, desto häufiger denke ich über meinen Umgang mit dem Medium nach und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich Verhaltensmuster von mir zu erkennen und noch viel wichtiger, diese auch zu verstehen. Muster die in Phasen auftreten und deren Häufigkeit und Intensität sich im Laufe der Jahre verändert haben. Aktuell ist wieder ein solcher Abschnitt erreicht, einer der für mich in der Vergangenheit relativ schwer begreifbar war. Ich habe aktuell schlichtweg keine Lust auf Videospiele. Das klingt jetzt vielleicht merkwürdig und wird noch merkwürdiger wenn man bedenkt, dass ich einen Blog habe der sich nur mit dem Thema Videospiele und der Videospielindustrie beschäftigt. Sich die Sache schön zu reden hilft nicht, es ist Zeit eine Pause zu machen, eine Videospielpause.
Das Spiel wiederholt sich seit einigen Wochen: Xbox One einschalten, Spiel einlegen, scheitern, Netflix starten und Serien schauen. Es wird sogar noch etwas schlimmer, denn auf meinem Schreibtisch häufen sich ungeöffnete Spiele, die vom Bauchgefühl her gut sind und die ich auch eigentlich gerne spielen möchte. Aber es geht noch weiter, denn es gibt momentan kein Spiel auf welches ich mich freue oder ich quasi sehnsüchtig erwarte. Es ist die Zeit, an der ich teilweise an mir zweifle und mich frage, ob das Thema Videospiele für mich überhaupt noch relevant ist. Der Blick in den Freundes- und Bekanntenkreis stärkt diese Zweifel, denn viele mit denen ich früher gespielt oder darüber diskutiert habe, sind irgendwie naja rausgewachsen. Die beiden Hauptpunkte die ich oft höre sind Kinderspielzeug oder der Vorwurf doch endlich erwachsen zu werden. Das für mich Schlimme daran? Darüber zu lange nachzudenken.
In den letzten Jahren gab es diese Phase bei mir mehrfach und ich bin immer wieder zum Medium Videospiele zurückgekommen. Die verschiedenen Ansätze passierten meist durch Ausprobieren und gingen vom sich zwingen zu Spielen um einen Blogbeitrag zu verfassen, hin zu die Konsole einfach zwei Monate lang nicht einzuschalten. Eigentlich nicht aufregend, jedoch versuchte ich in der spielfreien Zeit den Fehler bei mir zu suchen beziehungsweise zu finden. Es war für mich unheimlich schwer zu verstehen, warum ein Medium welches mich bereits seit so langer Zeit begleitet, von einem Tag auf den anderen uninteressant werden kann. Gleichzeitig versuchte ich meine eigentliche Faszination mit der anderer zu vergleichen und stellte meinen Zugang dadurch noch stärker in Frage. Leute die in der Videospielindustrie arbeiten beschäftigen sich länger, intensiver und umfangreicher mit dem Thema, im Gegensatz zu mir aber ohne offensichtlich jemals genug davon zu haben.
Die wohl wichtigste Erkenntnis die ich in den letzten Jahren gewonnen habe ist, dass der Fehler nicht bei mir liegt und auch ich nicht der Fehler bin. Das Verhalten das eigene Desinteresse teilweise zu Verweigern oder Stillzuschweigen weil man sich irgendwie merkwürdig fühlt ist falsch. Je mehr ich mit Personen aus der Videospielindustrie über mein Empfinden gesprochen habe, desto häufiger hat sich herausgestellt, dass es dem Gegenüber ähnlich geht beziehungsweise ähnliches bereits erlebt wurde. Nur warum spricht niemand wirklich darüber? Man schämt sich schlichtweg. In unserer von Leistung getriebenen und von Unterhaltung besessenen Gesellschaft darf niemand scheitern und gefühlt noch weniger wenn man im Unterhaltungsbereich arbeitet. Für viele ein Traumberuf in einer Traumbranche, auf den vielfach intensiv hingearbeitet wird und nur für Wenige tatsächliche Realität wird. Sich selbst die eigene Schwäche eingestehen und auch wenn es nur der vorübergehende Interessensverlust ist, ist schwierig, öffentlich dazu stehen eigentlich unmöglich.
Bei mir ist es etwas anders, da ich zwar irgendwie schon Teil der Videospielindustrie bin, aber dann eigentlich doch nicht. Für mich sind Videospiele ein Freizeitvergnügen und auch wenn ich manchmal versuche so zu tun als wären Videospiele wichtig für mich, sind sie es eigentlich nicht und etwas anderes zu behaupten wäre gelogen. Unbewusst steuert jedoch mein Verhalten manchmal in diese Richtung und irgendwann ist es wieder zu viel. Dies sind genau die Phasen, in denen ich kein wirkliches Interesse daran habe zu spielen. Der zweite Faktor ist irgendwie die Zeit, denn diese ist mit steigendem Alter eine begrenzte Variable. Es läuft immer auf die Frage hinaus wie ich meine Zeit verbringen möchte. Videospiele spielen oder Serien schauen? Videospiele spielen oder ein Buch lesen? Videospiele spielen oder Laufen gehen? Videospiele spielen oder Zeit mit Freunden verbringen? Die wirkliche Thematik ist jedoch nicht die Entscheidung nach dem oder, sondern die Frage was mir selbst momentan mehr bringt und auch persönlich mehr gibt.
Derzeit verlieren die Videospiele bei jeder dieser Entscheidungsfragen und ich ziehe die Laufschuhe, ein Buch und Zeit mit Freunden dem Medium immer vor. Das aktuelle Fehlen meiner Lust auf Videospiele stört mich im Gegensatz zu früher nicht mehr, es ist für mich mittlerweile zu einem normalen Verhaltensmuster, zu einem Teil von mir geworden. Mir ist viel stärker bewusst, dass es mir nicht alleine so geht, ich habe mittlerweile kein Problem mehr dazu zu stehen und kann dadurch auch besser damit umgehen. Wie schon in der Vergangenheit wird auch dieses Mal mein Interesse an Videospielen wieder kommen und es ist absolut egal ob es sich dabei um Tage, Wochen oder Monate handelt. Wichtig ist nur die Erkenntnis, dass es mir nicht alleine so geht und es auch kein Problem oder gar Fehler von mir ist.