Was verbindet das exklusiv für die PlayStation 4 erschienene The Order: 1886 und den Xbox One Exklusivtitel Sunset Overdrive? Dasselbe was das über drei Jahre alte Skyrim und das erst vor wenigen Monaten veröffentlichte Dragon Age: Inquisition gemeinsam haben. Die offensichtliche Antwort wäre das Genre, denn die beiden erstgenannten Spiele gehören mehr oder weniger in die Kategorie der Action Adventures und die beiden anderen sind im Prinzip klassische westliche Rollenspiele. Die einfachste Antwort ist aber nicht immer die spannendste und der heutige Fokus wird bereits im Titel des Beitrags verraten, es geht um die Sache mit der Spielzeit.
Bei der Beurteilung von Videospielen wird neben Spielmechaniken, Grafik und Sound auch oft die Spieldauer in Stunden als Maßstab herangezogen. Ein Faktor der für viele Spieler wichtig erscheint, da dadurch die gefühlt hohe Investition von bis zu 70 Euro für ein neues Spiel relativ einfach für einen selbst gerechtfertigt werden kann. Mittels Milchmädchenrechnung betragen bei 100 Stunden Spielzeit die Kosten für eine Stunde weniger als einen Euro, wodurch die für ein Unterhaltungsmedium vergleichsweise hohen Kosten gar nicht mehr so hoch wirken. Ein zum Beispiel zweistündiger Kinobesuch kommt im Regelfall um ein vielfaches teurer als zwei Stunden eines Videospiels. Schwieriger wird es bei kurzen Spielen die nur eine Spielzeit von 10 Stunden bieten, da hier der Stundenpreis bei empfindlicheren sieben Euro liegt. Aber auch kein Problem, einfach das Popcorn beim Kinobesuch berücksichtigen oder versuchen den Stundenpreis des letzten Konzertbesuchs auszurechnen. Klingt logisch und ist nachvollziehbar? Perfekt, denn die schlechte Nachricht ist, dass Milchmädchenrechnungen zum einen nicht funktionieren, der Vergleich von Videospielen mit Filmen oder Konzerten falsch ist, man Zeit nicht nach der Dauer bewerten sollte und die Wahrnehmung von Zeit sehr persönlich ist.
Zurück zum Start, zurück zum ersten Absatz, zurück zu den vier genannten Videospielen. Bei The Order: 1886 und Sunset Overdrive kann bei entsprechender Spielweise der Abspann problemlos nach bereits sieben bis zehn Stunden auf dem Bildschirm erscheinen. Skyrim oder Dragon Age: Inquisition beschäftigen bei flotter Spielweise zumindest für 50 Stunden oder mehrere hundert Spielstunden wenn man wirklich tief in die Spielwelt eintaucht. Sind die beiden Action Adventures aufgrund der deutlich geringeren Spielzeit schlechter als die beiden Rollenspiele? Nein. Sunset Overdrive oder The Order: 1886 bieten eine zeitlich komprimiertere Spielerfahrung und verweigern sich zum Teil einem Trend der letzten Jahren, der künstlichen Verlängerung der Spielzeit. Anstelle stundenlang und abseits der Hauptgeschichte hunderte von Flaggen oder Banner zu sammeln und nach zehn roten Hüten noch acht blaue Mützen bei irgendeinem Charakter in der Spielwelt abzuliefern, konzentrieren sich beide Titel stärker auf eine kürzere Spielerfahrung. Dies mag bei Sunset Overdrive aufgrund einer abwechslungsreicheren, offeneren und gefühlt auch besseren Spielmechanik besser funktionieren als bei The Order: 1886, jedoch sind für mich einer intensiven abwechslungsreichen Spielerfahrung im Gegensatz zur künstlich langgezogenen mehr positive als negative Aspekte abzugewinnen.
Sind im Umkehrschluss Stundenfresser wie Skyrim oder Dragon Age: Inquisition schlechtere Spiele? Für mich persönlich in Bezug auf die Spielzeit ja, in Bezug auf die reine Spielmechanik nicht zwingend und meine Antwort wäre vor zehn Jahren anders gewesen. Umfangreiche Spiele, unabhängig vom Genre oder den Spielmodi, bieten einen reizvollen Spielstundenfaktor, jedoch ist es stark von einem selbst abhängig ob ein solches Spiel funktioniert. Die Größe der Spielwelt ist hierbei vermutlich die einfachere Sache, schwieriger wird es diese mit Inhalten zu füllen. Genau hier kommt nämlich der bereits erwähnte Trend zur künstlichen Verlängerung der Spielzeit durch generische Inhalte immer stärker zum Einsatz. Anstelle von aufwändigen per Hand kreierten und dadurch kostenintensiven Missionen die ohnehin nur ein kleiner Teil der Spieler jemals zu Gesicht bekommen würde, entstehen Missionen verstärkt automatisiert nach dem Baukasten Prinzip. Ein Charakter hat das Problem X, benötigt eine gewisse Anzahl vom Lösungsgegenstand Y welcher passenderweise in der Nähe vom Gegnertyp Z bewacht oder beschützt wird. Mit steigender Anzahl an X, Y und Z steigen die Variationsmöglichkeiten dieser generischen Missionen und damit auch die Menge an Spielinhalten quasi unbegrenzt. Je nach Genre ändern sich manche Faktoren, das Grundprinzip bleibt jedoch dasselbe. Überhaupt kein Problem und auch nur schwer erkennbar wenn alle paar Stunden eine solche Mission zu absolvieren ist, aber spätestens bei der elften Abwandlung innerhalb weniger Stunden sind diese Inhalte für mich nur mehr wiederholend, dadurch langweilig und nicht effektiv.
Diese Effektivität ist meiner Ansicht nach auch der primäre Aspekt für die eigene persönliche Beurteilung. Will ich ein kurzes und intensives Spielerlebnis für zwei oder drei Abende um danach ohne großes Nachdenken zum nächsten Spiel wechseln zu können oder soll mich ein Spiel über mehrere Wochen oder gar Monate, wenn auch mit wiederholenden und dadurch für mich langweiligen Inhalten, beschäftigen. Eine universelle Antwort darauf gibt es nicht, hängt diese doch in Wirklichkeit sehr stark mit der eigenen verfügbaren Zeit zusammen. Jedes noch so gute aber zu lange Spiel funktioniert nicht, wenn man einfach nicht die dafür erforderliche Zeit hat oder aufbringen möchte. Anstelle dass man sich über den Umfang freut, ärgert man sich schnell niemals alles zu sehen und die eigene knappe Spielzeit wird gleichzeitig für mehrere Monate mit nur einem Videospiel blockiert.
Egal wie man es dreht oder wendet, die Länge eines Videospiels sagt absolut gar nichts über dessen Qualität aus. Jegliche Diskussion darüber bringt nichts und jeder Kostenvergleich mit Unterhaltungs- oder Kunstmedien ist ähnlich falsch wie jede Milchmädchenrechnung. Videospiele versuchen in Teilen wie Filme zu sein und Filme in Teilen wie Videospiele, dennoch funktionieren beiden Medien anders. Anstelle von Vergleichen ist es wichtiger die eigenen Anforderungen an Videospiele zu kennen und noch viel wichtiger den Umfang an Zeit die man investieren kann und auch möchte. Warum? Weil es schlichtweg egal ist wieviel eine Stunde Unterhaltung kostet, wenn man nicht die Zeit dafür hat oder die Spielstunde für einen persönlich einfach nur langweilig ist.
Dieser Beitrag wurde als Gastbeitrag auch bei den Kollegen von Red Bull Games veröffentlicht.