Game City 2014

Der Wecker läutet um 06:30 an einem nebligen Sonntagmorgen in Oberösterreich. Zeit aufzustehen, sich fertig zu machen und in einer Stunde im Zug in Richtung Wien zu sitzen. Es ist Mitte Oktober, es ist Game City Zeit. Was vor acht Jahren eher in der Kategorie Experiment einzuordnen war, ist mittlerweile zu einem dreitägigen Fixpunkt für Spieleinteressierte in Österreich geworden. Vieles hat sich seit 2006 geändert, das Wiener Rathaus als Veranstaltungsort ist geblieben. Aus eine sehr überschaubaren eher ruhigen Veranstaltung ist ein Spektakel geworden und quasi alle Aussteller sehen mittlerweile die drei Veranstaltungstage als ideales PR Umfeld um Presse, Blogger und YouTuber im wichtigen Zeitumfeld vor Weihnachten zu erreichen. Einladungen zum Pressefrühstück, Präsentationen und Terminen mit eingeflogenen Entwicklern, vorab reservierte Zeitslots um Titel ohne Wartezeit anzuspielen, abendliche Get-Togethers oder Community Partys gehören im Jahr 2014 zum Standard. PR Verantwortliche und perfekt instruierte Promotoren warten an den ersten beiden Tagen auf jede Person mit einem Presse-Badge um die Vorzüge des eigenen Produkts zu zeigen. Positiv gesehen optimal um einen guten Überblick innerhalb kürzester Zeit zu erhalten und das eine oder andere Gespräch abseits der offiziellen Kommunikation zu führen. Negativ gesehen ein unrealistisches Umfeld um die Game City zu erleben. Der normale Besucher wartet um an einer Spielstation selbst Hand anlegen zu können, zahlt für Essen und Getränke und bekommt nur minimale Begleitung während des Spielens. Es ist Sonntag kurz vor 10 Uhr, es ist der Tag den viele PR Verantwortliche als Wochenende ansehen und es ist der Tag an dem niemand PR Aktivitäten plant. Es ist der Tag an dem ich auf der Game City bin, mit dem Presse-Badge im Rucksack versteckt um Videospiele im Wiener Rathaus als Besucher zu erleben, als einer von 69 000 Besuchern an diesem Wochenende.

Game City 2014 - Presse-Badge und Xbox One Kapperl

Neben dem spätsommerlichen sonnigen Wetter erwartete mich vor dem Rathaus eine Menschenschlange. Etwa 200 Meter galt es abzuwarten um zum einen ein Band zwecks Alterskennzeichnung zu erhalten und das Eingangstor zu erreichen. Meine Wartedauer lag bei relativ genau 15 Minuten um den Eingang zu erreichen, ich befürchtete ähnliches für die einzelnen Stationen in den altehrwürdigen Hallen des Rathauses und begann im Geiste den optimalen Ablaufplan für den Tag zu schmieden. Assassin’s Creed Unity anspielen, Halo: The Master Chief Collection im Mehrspielermodus testen, die ersten 15 Minuten von Sunset Overdrive überstehen, die Präsentation von Tom Clancy’s The Division besuchen und im optimalen Fall noch Far Cry 4 sowie Driveclub quasi im Vorbeigehen mitnehmen. Klingt nach einem sportlichen Plan und war es meiner Ansicht nach auch, erst Recht da im Hinterkopf die mittlerweile zum Standard gehörenden 4-Stunden-Warteschlangen der gamescom herumschwirrten. Nach genau 155 Minuten blickte ich das erste Mal auf die Uhr und mein Gefühlszustand lag irgendwo zwischen überrascht und zufrieden. Innerhalb von etwa 2 ½ Stunden schaffte ich es nicht nur einen Teil meines Plans abzuarbeiten, ich schaffte es den gesamten Plan als normaler Besucher ohne Privilegien zu absolvieren. Vielleicht war es der Sonntagvormittag, vielleicht war es pures Glück oder das diesjährig gefühlt dynamischere und meiner Ansicht nach bessere Standkonzept der Game City, beziehungsweise die sinnvolle Kooperation mehrerer Publisher im erstmals genutzten und auf den Namen Back Rooms getauften Bereich etwas abseits des seit acht Jahren bestehenden großen Gaming Room.

Wartezeiten werden aufgrund der eigenen Beteiligung, man wartet schließlich selbst, primär wahrgenommen. Anders sieht es bei Promotoren aus, die aus einer semioptimalen Spielerfahrung eine richtig gute Spielerfahrung machen können. Gut geschultes, motiviertes und in ausreichender Menge vorhandenes Personal sorgt nicht nur für den funktionierenden Betrieb am Stand, sondern merkt auch wenn jemand Unterstützung benötigt. Sei es das Erklären der Controller Belegung, Hinweise bezüglich der Aufgabe im Spiel oder das Beantworten von Fragen wie dem Erscheinungstermin und der Plattform. Was nach einem einfachen Job klingt, kann aufgrund des manchmal schwierigen Publikums gepaart mit schlechten Rahmenbedingungen innerhalb kürzester Zeit nur mehr anstrengend sowie nervig sein. Promotoren sind meiner Ansicht ein Faktor um die Relevanz einer Veranstaltung für den jeweiligen Aussteller zu messen und aufgrund der meist am Sonntag nicht anwesenden PR Verantwortlichen der Spielefirmen, bietet sich der Sonntag besser als jeder andere Tag für einen realistischen Test an. Ohne weiter lang herumzuschreiben, die Erfahrung war gemischt. Neben Spitzenleistungen in Bezug auf Anzahl, Organisation, Motivation und Fachkenntnisse im gesamten neuen Bereich der Back Rooms war das restliche Niveau teilweise nur enttäuschend. Manchmal waren die Rahmenbedingen wie zu viele Spielstation auf einer zu geringen Fläche das Problem, manchmal war es die nicht vorhandene Organisation am Stand und leider teilweise auch eine Kombination aus Anzahl, Motivation und fehlenden Fachkenntnisse. Schöne Stände und gutes Personal kosten Geld, aber nur gute Promotoren schaffen im Zweifel eine gute Spielerfahrung und verkaufen dadurch indirekt Spiele.

Der Rest war gemischt zwischen klassisch und schwierig. Klassisch ist das Thema Verpflegung, welches sich für mich subjektiv im Laufe der Zeit verändert hat. War mir vor acht Jahren relativ egal was ich zu überteuerten Preise zu mir nahm, sind meine Erwartungen und Anforderungen gewachsen. Ich erwartet auf einer Veranstaltung wie der Game City keine Gourmetkost, aber sehr wohl die Möglichkeit mich sinnvoll und ausgewogen zu einem realistischen Preis verköstigen zu können. Erwarten trifft es ganz gut, denn dabei ist es geblieben. Der einzige (!) Essensstand abseits der Snackstationen bot schlechtes lauwarmes Essen zu überteuerten Preisen und reagierte auf Kritik mit gekonntem Desinteresse und dem Hinweis dass man ja auch woanders hingehen kann. Schwierig hingegen ist das Thema Diversität in Bezug auf die Inhalte. Die Menge der von Electronic Arts, Microsoft, Nintendo, Sony und Ubisoft gezeigten Titel und deren genutzte Fläche war so umfangreich wie noch nie, jedoch litten gefühlt die restlichen Schwerpunkte wie die Indie Games Area, mögliche Ausbildungsangebote im Unterhaltungssektor, der Retrobereich und die Kinderzone darunter. Dem großen Teil der Besucher ist dies vermutlich aufgrund der persönlichen Fokussierung auf die großen Firmen gar nicht wirklich aufgefallen, dennoch stellt sich zukünftig immer mehr die Gretchenfrage zur Ausrichtung der Game City. Will man dem Großteil der Besucher gerecht werden und eine abgespeckte gamescom im Wiener Rathaus werden oder versucht man noch stärker die Diversität des Gesamtmediums Videospiele mit österreichischen Bezug zeigen?

Es ist kurz nach 17 Uhr als ich das Rathaus verlassen. Mit dem Gefühl alle geplanten und doch zu wenig Spiele gesehen zu haben trete ich die Heimreise nach Oberösterreich an. Mit einem zwiegespaltenen Gefühl tippte ich im Zug die letzten Absätze, ärgere mich zu wenige gute Fotos gemacht zu haben aber freue mich, dass es in Österreich eine Veranstaltung wie die Game City gibt und diese in einem öffentlichen Umfeld wie dem Wiener Rathaus stattfinden kann. Mein ursprünglicher Plan quasi inkognito die Game City zu besuchen? Hat zum größten Teil funktioniert, ausgenommen des fast vollständig anwesenden österreichischen Xbox Teams, einer Handvoll Promotoren, dem PR & Event Koordinator von Nintendo Österreich und dem wohl besten Standbauteam von Electronic Arts. Mein Fazit? Auch als normaler Besucher kommt man auf der Game City voll auf seine Kosten und lernt auch als alter Hase etwas dazu, wenn man sich etwas aus der eigenen Komfortzone bewegt und auch einen Blick abseits der großen Masse wagt.

Hübsche Fotos gibt es auf derStandard.at/web, bei Red Bull Games und der Xbox AT Facebook Seite (Tag 1 und Tag 2). Bewegte Bilder gibt es in einem XboxAT Spotlight Spezial und in einem traumhaften 104 Sekunden Video (YouTube Link) von Ubisoft Österreich.