eSport

Etwa 17.000 Plätze umfasst die KeyArena in Seattle, eine multifunktionale Veranstaltungshalle, die primär für Sportveranstaltungen und Konzerte genutzt wird. Von 18. bis 21. Juli 2014 fand dort die Hauptveranstaltung eines Turniers namens „The International“ statt, einem Dota 2 Turnier, laut Presseberichten dem eSport Turnier des Jahres. Acht internationale Teams qualifizierten sich für die Finalveranstaltung und spielten um ein Preisgeld von 10,9 Millionen US Dollar, wovon alleine etwa 5 Millionen US Dollar auf den ersten Platz entfielen. Ein beachtlicher Betrag, der in der Berichterstattung gerne als Basis für den Durchbruch des eSports herangezogen wurde und als indirekte Rechtfertigung der Berichterstattung über einschlägige Medien hinaus dient. Nüchtern betrachtet bleibt das Thema eSport jedoch ein Nischenthema, kein Sport und das Wort selbst ein Marketingbegriff.

eSport - The International Dota 2 Championships Shirt

Es dauerte keine Stunde bis alle Eintrittskarten für das „The International“ Finale verkauft wurden. Ein Sportstadium voller euphorischer Fans, mehrere Millionen Zuseher verfolgten das Spektakel auf mehrsprachigen Twitch sowie ESPN Streams im Internert und eine perfekt inszenierte Show diente neben dem Preisgeld als Vergleichsbasis mit klassischen Sportarten wie Fußball oder Basketball. Die erbrachten Spielleistungen und angewendeten Taktiken entstanden ähnlich wie bei normalen Athleten durch intensives Training. Die psychische Belastung und der Druck der auf den Spielern lastet ist massiv und die Verehrung einzelner Spieler sowie Teams bei manchen Fans beängstigend. Passende Rahmenbedingungen wenn da nicht Dota 2 wäre, denn das Spiel selbst ist der Grund für die Nischenkategorie. Es ist einfach zu kompliziert und unverständlich für Außenstehende. Man muss es selbst spielen um es zu verstehen und auch wenn die Hürde durch die kostenlose Verfügbarkeit des Spiels sehr niedrig ist, wird diese von Nicht-Videospieler nicht überwunden. Ein berechtigtes Gegenargument wäre, dass dank Smartphone und Social Games die Anzahl der Spieler in den letzten Jahren massiv gewachsen ist, jedoch hilft dies bei Dota 2 nicht. Selbst jahrelange Videospieler haben massive Probleme das kommentierte Gesehen zu verstehen und solange es so unverständlich bleibt, helfen auch gute Ansätze wie eigene Übertragungen für Anfänger nur bedingt um das Nischenthema für die Allgemeinheit verständlich und zugänglich zu machen.

Sport ist Abbild und Mikrokosmos unserer Gesellschaft und hat eine erzieherische, gesundheitsfördernde, gesellschaftlich-soziale sowie eine wirtschaftliche Funktion. Es ist egal wie gut oder schlecht jemand bei der Ausübung einer sportlichen Aktivität ist und ob dies im direkten Vergleich oder für einen selbst geschieht. eSport soll das digitale Abbild davon sein, ist aber nur das kompetitive Spielen von Videospielen. Wenn man ehrlich ist, nicht einmal von Videospielen, sondern von sogenannten Multiplayer Online Battle Arena Spielen (kurz MOBA), einem Unterkategorie von Echtzeit-Strategiespielen. Gemeinsam mit Dota 2 dominiert das ebenfalls kostenlose League of Legends das Subgenre und bieten die finanziell lukrativsten Turniere. Diversität? Gibt es nicht. Turniere mit Spielen anderer Genres existieren zwar, erreichen aber weitem nicht die finanzielle Ausstattung, die Fanbasis der beiden MOBAs oder Professionalität bei der Turnierabwicklung und erhalten damit auch keine Aufmerksamkeit außerhalb der eigenen Filterblase.

Ein weiterer und der vermutlich wichtigste Unterschied zum Sport ist jedoch die fehlende Stabilität. Spricht man von der Haltbarkeit heutiger Videospielen ist jede Zeitdauer über drei Jahre ordentlich und über fünf Jahre außergewöhnlich. Ist ein Titel ein Erfolg, wird im Regelfall innerhalb kürzester Zeit am Nachfolger gearbeitet. Dieser ist zwar ähnlich zum Vorgänger, aber dennoch anders. Beherrscht man den Vorgänger, beherrscht man nicht zwangsläufig den Nachfolger und man beginnt im Prinzip von vorne. Genau dieser Zyklus fördert den Erfolg der beiden MOBA Titel, die mehr als Plattform und nicht als abgeschlossene Spiele zu sehen sind. Jedoch was letzte Woche spielerlisch noch funktioniert hat, kann aufgrund einer Spielaktualisierung diese Woche nicht mehr funktionieren. Eine Dynamik die aus wirtschaftlichen Gründen (siehe Balanced, Unbalanced, Perfectly Unbalanced) wichtig, aber unter Berücksichtigung einer erforderlichen Stabilität in Bezug auf das Regelwerk falsch ist. Regeländerungen sind grundlegend nichts schlechtes und im Sport auch erforderlich, jedoch im konkreten Fall aufgrund der hohen Frequenz sowie der alleinige Steuerung und Motivation des Spieleentwicklers mehr als nur fragwürdig. Ernstzunehmender Sport braucht eine relativ hohe Stabilität und Transparenz im Bezug auf das Regelwerk, zwei Aspekte die Videospiele nicht haben.

Alles Blödsinn? Welche Motivation sollte sonst hinter eSport stecken wenn nicht die logische Evolution des Sports? Weshalb sollte jemand Preisgelder im zweistelligen Millionenbereich nur für das Spielen von Videospielen bereitstellen? Was für einen Sinn haben professionell organisierte Turniere mit Live-Übertragungen und richtigen Kommentatoren? Marketing, es ist schlichtweg Marketing und sonst nichts. Der Begriff eSport wurde bereits vor Jahren von unterschiedlichen auf Jugendmarketing spezialisierten Firmen für Videospielturniere genutzt. Meist von großen Hardwareherstellern finanziert wurden verschiedene Titel gespielt, kommentiert und übertragen um die Hersteller von Prozessoren und Grafikkarten möglichst nachhaltig in den Köpfen einer sehr kaufkräftigen und finanziell attraktiven Zielgruppe zu platzieren. Manchmal versuchten auch die Spielehersteller mitzumischen um dank eSport Marketingblablabla zusätzliche Einheiten abzusetzen. Auf kurze Sicht teilweise erfolgreich, mittel- und langfristig aber ohne wirkliche Substanz oder reales nachhaltiges Wachstum. Heute hat sich das Blatt gewendet und anstelle von Marketingfirmen werden die Turniere von den Spieleherstellern selbst organisiert und entsprechend vermarket. Es ist dabei vollkommen egal welche Spieler oder welches Team gewinnen, es geht rein darum Aufmerksamkeit zu erhalten. Aufmerksamkeit die Interesse am Spiel hervorruft, einem praktischerweise kostenlosen Spiel, welches jedoch kostenpflichtige Inhalte im und rund um das Spiel bietet. Eine höhere Aufmerksamkeit bedeutet das Erreichen von mehr potentiellen Spielers. Mehr Spieler bedeutete mehr potentiell zahlende Kunden und dadurch zusätzliche Einnahmen, die wiederrum höhere Preisgelder und größere Veranstaltungen ermöglichen.

Der Durchbruch des eSports wird weder 2014, 2015 oder sonst irgendwann in absehbarer Zeit stattfinden und auch jegliche Argumentation mit Sportvergleichen ist und bleibt fragwürdig. Videospielturniere waren in der Vergangenheit ein vermarktungsfähiges Unterhaltungsthema und werden es auch in der Zukunft sein. Der Begriff vom Athleten an Maus und Tastatur wirkt so befremdlich wie er ist und daran werden auch künftig Videospielturniere mit noch größeren querfinanzierten Preisgeldern nichts ändern. Valve hat mit Dota 2 und der „The International“ Turnierserie innerhalb von vier Jahren etwas geschaffen, woran sich etliche Firmen in den letzten fünfzehn Jahren die Zähne ausgebissen haben. Ich ziehe meinen Hut vor dieser äußerst beachtenswerten Leistung, aber bitte lassen wir das künstlich erzwungene eSport Durchbruch- und Revolutions-Blablabla sein. Dota 2 und League of Legends sind, waren und bleiben Videospiele die Geld erwirtschaften sollen. Nicht mehr, nicht weniger und dies ist auch absolut in Ordnung.

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