Es ist manchmal schon interessant, welche Gedanken man hatte, konkret welche Gedanken man zur Zukunft hatte, noch konkreter hinsichtlich dieses Textes formuliert, wie man sich vor dem Generationswechsel von Videospielkonsolen ein Videospiel der nächsten Generation vorgestellt hatte. Vor etwa sechs Jahren habe ich, lange vor der Ankündigung der Nintendo Switch und ein paar Monate nach der Veröffentlichung der Sony PlayStation 4 sowie der Microsoft Xbox One, versucht ein Videospiel der nächsten Generation zu definieren. Heute lesen sich meine damaligen Gedanken für mich sehr, naja sagen wir mal merkwürdig. Die Überlegungen von damals zeigen aber dennoch gewisse Tendenzen, welche sich in der aktuellen Generation an Videospielkonsolen traurigerweise häufig bestätigt haben. Zusammengefasst war bei der Weiterentwicklung des Mediums in den letzten Jahren ein dominanter Fokus zu Größer, Schöner und Fortsetzungen feststellbar. Heute ist die damalige nächste Generation die aktuelle Realität und die Videospiel-Industrie befindet sich erneut ein paar Monate vor der nächsten Generation an Titeln für neue Videospielkonsolen. Im Gegensatz zu vor sechs Jahren ist bei diesem Wechsel aber vieles anders und für mich stellt sich ebenso eine andere Frage: Was sind für mich eigentlich keine Videospiele der nächsten Generation?
Der für mich nervigste, wirklich störende und innerlich auch frustrierende Trend aktueller Videospiele ist die in einigen Genres immer größer und umfangreicher werdende Videospielwelt. Grundlegend bin ich ein großer Fan von Videospielwelten und für mich sind diese häufig das wichtigste Element eines Videospiels, weil es einfach das zentrale Mittel zum nonverbalen Definieren einer Gesamtstimmung ist und je besser die Umgebung, mit der man über den Verlauf konfrontiert ist, abgebildet wird, desto intensiver ist auch die Erfahrung mit einem Titel. Jedoch sind für mich die beiden Eigenschaften Größe und Umfang mittlerweile zu negativen Faktoren geworden und meine persönliche Grenze hinsichtlich Erinnerungs- sowie Orientierungsvermögen, als auch meine Motivation oder anders formuliert mein eigener Anspruch alles zu sehen, zu erleben und zu absolvieren, ist bei etlichen aktuellen Videospielen anstrengend bis unmöglich. Die Devise der Videospiel-Industrie hier scheint grundlegend mehr ist besser zu lauten, aber die aktuelle Lage ist für meinen Geschmack bereits zu viel. Die Größe einer Videospielwelt und unendlich viele generische Aufgaben zur Vortäuschung einer lebendigen Umgebung sind in Kombination mit dem Überschreiten der persönlichen Grenze hinsichtlich der Fähigkeit zur Verarbeitung schlichtweg kein relevantes Merkmal für ein Videospiel der nächsten Generation. Am Ende macht es für mich keinen Unterschied ob ich 125 oder 250 Quadratkilometer erleben kann, denn ich werde einen großen Teil davon nicht erleben und erkenne auch aus Sicht des Videospielers den Unterschied schlichtweg nicht mehr.
Ein weiterer für mich negativer Trend in einer sehr ähnlichen Richtung sind inhaltlich ausufernde Videospiele hinsichtlich der Geschichte. Durch die massiv gestiegene Kapazität von Speichermedien und die erweiterten Speichermöglichkeiten scheint der Umfang eines Videospiels nach oben unbegrenzt und ermöglicht es Entwicklungsstudios, ohne wirkliche Rücksichtnahme auf technische Limitierungen, die Geschichte zu erzählen, die das jeweilige Videospiel ihrer Meinung nach verdient. Das Ergebnis ist eine erzählte Geschichte von fast schon epischem Ausmaß, in der man dutzende bis hunderte bewusste Stunden als Videospieler investiert muss. Komplexe Handlungsstränge, die oft parallel verlaufen und sich mehrfach kreuzen, unlogisch zusammengewürfelte Zusammenhänge, die seitenlange Abhandlungen zum richtigen Verständnis benötigten oder auch gefinkelte politische Intrigen, erzeugen definitiv eine Immersion beim Videospieler, aber erfordern auch die Bereitschaft entsprechend Zeit zum Erleben der Immersion zu investieren. Bei mir selbst stelle ich jedoch fest, dass mit steigendem Alter, die mir zur Verfügung stehende Zeit für eines meiner liebsten Hobbys immer geringer wird und desto seltener, bis mittlerweile fast gar nicht mehr, wage ich mich an solche als Story-Monster bezeichnete Videospiele. Weshalb? Weil ich es schade finde an einem Videospiel im echten Leben länger als ein halbes Jahr spielen zu müssen, losgelöst von der eigentlichen Qualität des Titels oder der immersiven Geschichte.
Sogenannte Games as a Service reihen sich gut in diese Auflistung hinsichtlich der Merkmale ein, die ich nicht mehr als Revolution des Mediums verpackt auf neuen Videospielkonsolen sehen möchte. Videospiele, die diesem Umsatzmodell zugeordnet werden können, sind darauf konzipiert durch fortlaufend neue Inhalte den Wiederspielwert und die Langzeitmotivation zu fördern. Das klingt gut und ist auch oft die ersten paar Stunden hinsichtlich der Erfahrung unterhaltsam, aber je länger man spielt, desto mehr setzen die bereits aufgezählten negativen Elemente von großen Videospielwelten als auch ausufernden Geschichten ein, im Endeffekt aber verstärkt auf alle Elemente des Titels. Härter formuliert hat man als Videospieler in den ersten Stunden alles Relevante gesehen sowie erlebt und wird die restlichen 163 Stunden mit sich leicht veränderten, aber sich grundlegend immer wiederholenden Inhalten versorgt, um im besten Fall von irgendetwas 2% mehr zu bekommen. Aktuell erfreuen sich solche Titel einer hohen Beliebtheit und bieten am Papier dem Videospieler auch ein ausgezeichnetes Verhältnis bezüglich gespielter Zeit zu den Kosten, aber die spielerische Erfahrung des Inhalts hinsichtlich Gesamtqualität werden meinen persönlichen Ansprüchen an das Medium Videospiele auf lange Sicht schlichtweg nicht wirklich gerecht.
Wenn ich schon im persönlichen Wünsch-Mir-Was-Nicht-Modus bin, dann möchte ich auch gleich das Thema Fortsetzungen streifen und im Prinzip diesen den Anspruch als relevantes Videospiel der nächsten Generation entziehen. Das Problem dabei ist, dass diese zwar den Komfort bieten, dass man genau vor dem Kauf weiß was man bekommt, aber durch das jährliche oder zweijährliche Erscheinen ist es am Ende nur ein Aufwärmen von etwas Alten. Das ist nicht zwingend schlecht und manchmal bin ich auch in der Stimmung für so etwas Vertrautes, aber genau dieser Umstand disqualifizieren klassische Nachfolger mit nur einer neuen Zahl am Ende des Namens als mögliches Videospiel der nächsten Generation.
Ähnlich verhält es sich mit Titel in der Kategorie Grafikblender, denn mit neuen leistungsstärkeren Videospielkonsolen, steigen auch die Möglichkeiten hinsichtlich der optischen Qualität von Videospielen. Die Optik ist bei vielen Titeln ebenso ein relevanter Reiz, wird dieser quasi vor allen anderen Elementen wahrgenommen und innerhalb von Sekunden vom Videospieler bewertet. Dieser Umstand wird aber leider gerne beim Wechsel auf eine neue Generation von Videospielkonsolen ausgenutzt und der Fokus auf das optisch Hübsche wird im Gegensatz zu anderen Elementen wie Spielmechaniken und Abwechslung priorisiert. Das Resultat? Ein optisch reizvoller Titel, der aber dem Videospieler keinen wirklichen Spaß macht. Optik sollte kein primärer Grund für die Entwicklung eines Videospiels sein und auch wenn Optik aufgrund der höheren Leistung ein einfacher Weg ist, um einen Titel im Vergleich zu aktuellen Videospielen abzuheben, reicht dies nicht, um als tatsächliches Videospiel der nächsten Generation durchzugehen.
Und ja, meine Nicht-Kriterien für ein Videospiel der nächsten Generation sind umfangreich, weitreichend und sehr generell gehalten. Mir ist vollkommen bewusst, dass es immer leichter ist etwas negativ zu kritisieren als etwas positiv zu konkretisieren. Aber wir und damit auch Videospiele, leben nicht in einer idealen Wünsch-Mir-Was-Welt und daher ist der für mich doch ungewohnte Ansatz durchaus Mal erlaubt. Was sind für mich zusammengefasst nun eigentlich keine Videospiele der nächsten Generation? Schlichtweg aufgewärmte oder einfach neu in hübsch verpackte Videospiele mit Konzepten und Ideen von vor zehn Jahren. Was sind Videospiele der nächsten Generation? Vereinfacht wohl Titel, die mich überraschen.