Normalerweise steht das Fazit am Ende meiner Beiträge und versucht den Inhalt möglichst schnittig zusammenzufassen. Gebrauchte Spiele brauchen eigentlich keine erklärenden Ausführungen, denn die Problematik ist bekannt und jedem der schon einmal darüber nachgedacht hat auch bewusst: Gebrauchte Spiele sind Gift für die Spieleindustrie und tragen auch die Schuld an unzähligen Studio-Schließungen der letzten Jahre.
Meine persönliche Meinung geht sogar noch einen Schritt weiter und ich behaupte, dass es keinen Grund gibt Käufern von Videospielen auch nur annähernd ein Recht auf einen Gebrauchtmarkt einzuräumen. Diskutiert mit mir, bewerft mich mit Steinen, jagt mich mit Heugabeln oder steht mit Fackeln vor meiner Haustür. Okay, das mit den Steinen, Heugabeln oder Fackeln lassen wir vielleicht dann doch weg.
Das Grundproblem ist gar nicht der Gebrauchtmarkt an sich, es ist der kommerzialisierte Gebrauchtmarkt von spezialisierten Einzelhandelskette wie zum Beispiel GameStop oder Game. Dort änderte sich in den letzten Jahren das Geschäftsmodell weg vom Verkauf neuer Spiele, hin zum Handel mit gebrauchten Spielen. Was anfangs die gleichwertige Präsentation gebrauchter Titel im Regal und deren Bewerbung war, gipfelt nun im aggressiven Verkauf dieser. Geht man in eine Filiale der Ketten und versucht ein neues Spiel zu kaufen, wird man spätestens an der Kasse fast schon genötigt ein gebrauchtes Exemplar zu kaufen.
Stellt man den Vorschlag in Frage, folgt eine Argumentationskette, die anscheinend jedem Mitarbeiter am ersten Arbeitstag per Gehirnwäsche immer und immer wieder eingetrichtert wird. Die Qualität ist gleich, man erhält zwölf Monate Garantie und es ist auch um 5 bis 10 Euro günstiger als ein neues Exemplar. Und falls der Kunde dann noch immer nicht aufgegeben hat, wird die psychologische Schaufel ausgepackt und die Denkfähigkeiten in Frage gestellt, denn wer wird schon so dumm sein und 10 Euro unnötig aus dem Fenster werfen.
Es geht hier nicht um gezielte Gebrauchtkäufer, denn diese mit Neukäufern gleichzusetzen wäre falsch. Aber welcher gezielte Gebrauchtkäufer besorgt sich tatsächlich seine Spiele bei GameStop oder Game? Vermutlich keiner. Hier geht es vielmehr um Neukäufer, die an der Kasse so lange manipuliert werden, dass quasi zwangsläufig zur gebrauchten Version gegriffen wird. Das Resultat auf lange Sicht wird noch schlimmer, denn wer einmal den minimalen Rabatt in Anspruch genommen hat, bleibt tendenziell diesem kruden Geschäftsmodell treu.
Krudes Geschäftsmodell? Bei einem Neukauf teilt sich der Gewinn in etwa 60% für den Hersteller und 40% für den Händler. Bei einem gebrauchten Kauf sieht es anders aus, denn hier bekommt der Händler einfach 100% und der Hersteller geht leer aus. Dank der Tatsache dass digitale Medien keine Abnutzungserscheinungen haben, lässt sich dieses System belieb lang fortsetzen und so entsteht bei jedem potentiellen Neukauf durch das aggressive Verkaufen eines gebrauchten Exemplars ein direkten Verlust beim Hersteller. Als Rechtfertigung kann die Beratung durch die Mitarbeiter nicht herhalten, realistischer scheint eher die Gier und das Ziel der Gewinnmaximierung.
Aber warum ist dies ein Problem bei Videospielen und nicht bei anderen digitalen Gütern wie CDs oder DVDs. Die Gründe liegen im Verwertungsmodell sowie dem grundlegend falschem Vergleich.
Die Wertschöpfungskette bei Musik und Filmen ist deutlich umfangreicher als bei Videospielen. Sieht man sich die unterschiedlichen Einnahmequellen von Musiker und Bands an, stellt man schnell fest, dass der Verkauf von Alben oder MP3s nur einen sehr geringen Teil der Einnahmen ausmacht. Der größte Brocken fällt auf Konzerte sowie Merchandise und ebenfalls nicht zu verachten sind die Lizenzkosten, die auch noch fließen wenn ein Lied nach Jahren im Radio oder auf Streaming-Plattformen wiedergegeben wird. Bei Filmen ist es ähnlich, nur dass statt der Tournee die Veröffentlichung um Kino in den meisten Fällen zu einem profitablen Ergebnis führt, der Verleih ein weiteres Zubrot ist und nach dem klassischen DVD Verkauf die weitere Lizenzierung im Pay als auch Free-TV folgt.
Natürlich ist auch der Gebrauchtmarkt bei Musik und Filmen zum Nachteil der Plattenlabels und Filmverleihe, jedoch schmerzt dieser dort deutlich weniger. Der direkte Verkauf stellt finanziell betrachtet nur einen kleinen Teil des Verwertungsmodells dar und nicht wie bei Videospielen die quasi einzige Einnahmequelle. Und ja, es gibt auch bei Spielen zusätzliche Möglichkeiten zur Monetarisierung mittels kostenpflichtiger Zusatzinhalte oder Mikrotransaktionen, aber diese stehen momentan noch in keiner relevanten Größe im direkten Vergleich zum Verkauf.
Der zweite Grund liegt im eigentlich falschen Vergleich. Früher wurde ein Spiel produziert, auf einen Datenträger gepackt und ausgeliefert. Die Sache hatte wie bei Film- oder Musikproduktionen einen mehr oder weniger definierten Start und ein Ende. Heute sind Videospiele eher als Dienst anstatt als abgeschlossenes Produkt zu sehen. Server müssen am Laufen gehalten werden, erforderliche und nicht erforderliche Updates werden produziert, Fanseiten und Foren wünschen sich Betreuung und bei Problemen sucht der Kunde beim Hersteller nach Unterstützung. Das sind Dinge die Geld kosten, viel Geld und dies auch noch mehrere Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung.
Noch makaberer wird die Sache wenn man überlegt wie die Kunden eigentlich in die Geschäfte kommen. Die meiste Werbung machen die Ketten nicht selbst, sondern die Hersteller der Spiele. Der über die Jahre gemeinsam mit der Industrie aufgebaute Marktanteil wird nun als Waffe verwendet und es werden Forderungen gestellt, die schon fast mit Erpressung gleichzusetzen sind. Für den Käufer beginnt dies bei exklusiven Bonusinhalten und endet im Extremfall mit speziellen Editionen, die es sonst nirgends zu kaufen gibt. Zusätzlich räumen sich die großen Ketten spezielle und langfristige Rückgabekonditionen ein, um im Zweifel unverkaufte Spiele quasi kostenlos an den Hersteller zurückschicken zu können.
Der so bewusst produzierte Markt kann eigentlich nur als pervers beschrieben werden und es ist traurig, dass es die Fachmarktketten geschafft haben sich von der Spieleindustrie hochzüchten zu lassen und diese nun nach Strich und Faden über den Tisch zieht und verarscht. Durch die Fokussierung auf den aggressiven Gebrauchtverkauf konnten die eigenen Gewinnmargen in den letzten Jahren stetig gesteigert werden und gleichzeitig die Neuverkäufe an Videospielen reduziert. Das Resultat? Weniger Einnahmen für die Spieleindustrie, die Schließung von Entwicklerstudios, der Verlust unzähliger Arbeitsplätzen und das indirekte Blockieren neuer Konzepte. Und wer ist aus Sicht der Käufer fälschlicherweise daran schuld? Die Gier von EA, Microsoft, Sony, Activison, Take 2 oder Publisher XY. Quasi eine Win-Win-Situation für GameStop und oder Game aufgrund der höheren Gewinne und auch dem Kunden, der 10 Euro beim Kauf eines Spiels gespart hat. In Wirklichkeit aber eine Lose-Lose-Situation für die Spieleindustrie, die Spieler und das Medium Videospiele.