Früher war alles besser oder genauer gesagt war ich in Besitz eines NES beziehungsweise dessen Nachfolger dem SNES. Es war die Zeit der klassischen Plattformer, der Jump’n’Runs. Erinnerungen an Yoshi’s Island, Donkey Kong Country oder Super Mario World erzeugen bei mir auch heute noch ein angenehmes Gefühl in der Magengegend, neidvolle Blicke auf gut ausgestattete Freunde mit Sega Mega Drive und Sonic the Hedgehog waren damals die Regel und trotz oft fehlendem Zweispieler-Modus wurden zig Stunden nach der Schule gemeinsam vor den heimischen Röhrenfernsehern verbracht. Mit dem Fortschritt der Technik und der Casualisierung Perfektionierung von Videospielen wurde es mit jeder Konsolengeneration ruhiger um das ehemals dominierende Genre. Schnelle Filmversoftungen und halbherzige Pseudo-3D-Jump’n’Runs waren in den letzten Jahre an der Tagesordnung und der Behauptung, dass es sich hier um die letzten Atemzüge eines Genres nach zig erfolglosen Wiederbelebungen handelt, kann man durchaus einen Funken Wahrheit abgewinnen. Aber dann kam Ubisoft mit Rayman Origins und alles war wie früher, fast zumindest.
Eine theatralische Einleitung für eine theatralischen Titel, denn Rayman Origins macht praktisch alles richtig. Es sieht aus wie früher, es spielt sich (fast) wie früher und erzeugt die gleichen Gefühle im Unterleib des Spielers. Es schummelt nicht, es ist motivierend, es gefällt, es ist herausfordernd, es ist schwer, es überrascht, es treibt einen in die Frustration um am Ende dann doch triumphierend mit dem Controller in Händen und einem hämischen Grinsen das Spiel gedanklich mit einem „In Your F**king Face!“ zu bedenken. Ubisoft hat Mut bewiesen und neue alte Wege beschritten. Der Mut wurde leider nur teilweise belohnt. Trotz ausgezeichneter Wertungen in Funk, Fernsehen und Pressen waren die US Verkaufszahlen in den ersten vier Wochen im November 2011, die gleichzeitig in die verkaufskräftige Holiday Season fielen, mit etwa 50 000 Stück (laut NPD Group über alle Plattformen hinweg) schlichtweg enttäuschend.
Gründe dafür zu finden ist schwer, denn auch nach etlichen Stunden ist es alles andere als einfach schwerwiegende Mängel oder Probleme ausfindig zu machen. Optisch ist es das schönste Spiel der letzten Jahre. Jede Figur, jedes Objekt, jede Plattform und jeder Hintergrund sind liebevoll per Hand gezeichnet und auch akustisch wird man nahezu perfekt in einen leicht hypnotischen Zustand versetzt, man befindet sich irgendwann im Flow. Der Spagat zwischen Herausforderung, Spielbarkeit und Lernkurve ist gut getroffen und dank optionaler Ziele für jeden Spieler selbst skalierbar. Rayman Origins wird im späteren Verlauf schwer, fast schon fies, aber nie unfair. Die Schuld des eigenen Ablebens liegt offensichtlich beim Spieler und jeder Tod ist gleichzeitig eine Lernerfahrung. Man selbst hat immer vor Augen warum man versagt hat und wie man dies zukünftig vermeiden kann. Mit jedem digitale Exitus steigt der eigene Frustlevel, der sich jedoch gegen einen selbst richtet und dadurch zu neuen Höchstleistungen antreibt. Um jedoch das eigene Scheitern abzuschwächen hat sich Ubisoft der Casualisierung nicht komplett verschlossen und die Anzahl der Leben im Gegensatz zu den früheren Vertretern des Genres nicht limitiert. Zusätzlich entschärfen häufige Checkpoints innerhalb der Level den Spielablauf, was sich naturgemäß positiv auf die Spielbarkeit auswirkt. Als einziger Makel kann das im späten Spielverlauf erneute Spielen bereits absolvierter Level gewertet werden. Dies ist ab einem gewissen Zeitpunkt spieltechnisch erforderlich um Endgegner beziehungsweise die nächsten Regionen freizuspielen und dadurch das Spiel überhaupt beenden zu können. Man kann dadurch genervt sein oder es kann einem egal sein, eine generelle Antwort darauf zu finden fällt schwer.
Rayman Origins wirkt aufgrund der Optik wie ein Kinderspiel, entpuppt sich aber bereits nach kurzer Zeit als ein knallharter Plattformer aus früheren Zeiten. Visuell, akustisch sowie spielerisch perfekt abgestimmt entführt Ubisoft in ein mittlerweile oft vergessenes Genre der Videospielgeschichte und sorgt mit jedem geschafften Level für innerliche Freudensprünge und Glücksgefühle. Meine anfängliche Skepsis ob der Titel nicht eher ein Fall für den rein digitalen Vertrieb wurde entkräftet, denn aufgrund des Umfangs und vor allem der extrem hohen Qualität erfüllt Rayman Origins den Anspruch eines Vollpreisspiels umfassender als viele andere Titel in der heutigen Zeit. Dem Spiel keine Chance zu geben wäre unfair und aufgrund verfügbarer Probeversionen auf den üblichen Plattformen frevelhaft. Rayman Origins ist nicht gut, es ist ausgeZEICHNET.
Gespielt wurde eine von Ubisoft Österreich zur Verfügung gestellte Version für die Xbox 360. Rayman Origins ist für alle Plattformen erhältlich und wechselt bei Amazon* für etwa 25 Euro den Besitzer. iPhone und iPad Spieler erfreuen sich am kürzlich erschienenen Rayman Jungle Run, welches sich qualitativ auf dem gleichen hohem Niveau bewegt und für weniger als ein Getränk seiner Wahl über den virtuellen App Store Tisch geht.