Ursprünglich sollte hier ein Text über Remakes und deren Faszination zu lesen sein, aber beim Spiel mit den Gedanken zum Thema hat sich eine andere Thematik herauskristallisiert: Das Phänomen der alten Videospiele. Pünktlich mit den Feiertagen steht dem geneigten Mitzwanziger mehr Freizeit als im restliche Jahr zur Verfügung und obwohl in den letzten Wochen mehr als genügend neue Spiele erschienen sind und der gefürchtet Pile of Shame mittlerweile ein Rekordniveu erreicht, steigt irgendwie das Verlangen nach alten Videospielen. Vor einigen Jahren war es schwer den Drang zu befrieden, aber in Zeiten digitaler Downloadstores hat sich schon fast ein eigener Industriezweig um alte PC Videospiele gebildet und virtuelle Ladentheken wie Steam oder Good Old Games bieten im Austausch gegen Kreditkartendetails rasche (und unkomplizierte) Suchtbefriedigung. Die Hemmschwelle ist aufgrund des Preises niedrig, die schnelle Datenleitung befördert die Bits und Bytes rasch auf die heimische Festplatte und oft nur wenige Minuten später startet der Ausflug in die virtuelle Vergangenheit. Zumindest war es bei mir so und über die letzten Jahre haben sich etliche Spiele angesammelt, die ich aus unterschiedlichsten Gründen praktisch doppelt gekauft habe und die mich aus den unterschiedlichsten Gründen leider auch enttäuscht haben.
Da war zum Beispiel Diablo II (Amazon Link*), welches Erinnerungen an durchgespielte Nächte, zerklickte linke Maustasten und quasi unendlich viel Spaß hervorgerufen hat. Und obwohl mir bewusst war, dass es sich um ein Spiel aus dem Jahr 2000 handelt, musste ich aufgrund der maximalen Auflösung von 640 x 480 Pixel die Augen mehrmals mit Seife auswaschen um nicht sofort zu erblinden. Mit der ersten (und einzigen) Erweiterung erhöhte Blizzard diese Limitierung gütigerweise auf 800 x 600 Pixel, wodurch es bis zu einem gewissen Teil auch in der heutigen Zeit (auf kleinen Bildschirmen) spielbar wird. Obwohl Diablo II trotz des Alters auf spielerischer Ebene noch funktioniert, war das Gefühl anders als ich es in Erinnerung hatte. Die Sammelmotivation war zwar irgendwie vorhanden, aber der Spaßfaktor war deutlich geringer als erwartet. Zum einen lag es vermutlich an der optischen Komponente, aber der tatsächliche Grund war wohl meine Einsamkeit in Sanktuario. 2000 ging ich noch zur Schule und der Geek-Teil meiner Klasse hatte natürlich Diablo II. Der damalige Tagesablauf war in etwa: Aufstehen, vor / nach / zwischen dem Unterricht über seine Diablo Funde der letzten Nacht diskutieren und am Abend gemeinsam das Battle.net von Dämonen befreien. Genau diese soziale Komponente war es, die Diablo II von einem guten Spiel in den Olymp der grandiosen Spiele gehoben hat und mit dem Wegfall dieser ist es nur noch ein fast zwölf Jahre altes, aber trotzdem gutes Spiel.
Der neuste Zugang in meiner „Coole Spiele von Früher“-Sammlung ist die Grand Theft Auto Classics Sammlung (Steam Link), die zufälligerweise während der Feiertag im Sonderangebot für 10 Euro über den virtuellen Ladentisch ging (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.). Der tatsächliche Titel der Begierde war aber Vice City und die Motivation dahinter besteht im wiederholten Beenden der Story. Obwohl die optische Enttäuschung nicht so groß wie bei Diablo II war, tauchen in meiner Erinnerungen weder verwaschenen (oft fast einfärbige) Texturen noch die relativ spät aufpoppenden Fahrzeuge oder Fußgänger auf. Obwohl ich kein Kind der 80er bin, übt das zeitliche Setting des Spiels eine unheimliche Faszination auf mich aus und es reichen die ersten Momente des Intros (YouTube Link) um mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern und voll in die virtuelle Welt schlecht gekleideter Menschen einzutauchen. Das Rauschen des Meeres beim Rockstar Logo, das Einsetzen des „Video Killed the Radio Star“ Refrains beim C64 Ladebildschirm und die Mischung des synthetische Sound und die von Urlaubskarten geklauten Bilder von Vice City wecken sofort positive Erinnerungen. Trotz der mittlerweile in die Jahre gekommen Steuerung dauert es nur wenige Minuten, bis man sagen kann, man ist in Vice City angekommen und es fühlt sich einfach nur gut an. Die Musik aus dem Autoradio passt, die kitschigen Farben sind unerwartet angenehm und die Dialoge erinnern an Fernsehserien aus der Kindheit. Aber warum Vice City und nicht der wegweisende dritte Teil der Serie? Warum nicht das deutlich umfangreichere San Andreas oder das klassische GTA bzw. GTA 2? Vermutlich liegt es nicht am Spiel (wobei Vice City wirklich unheimlich gelungen ist), sondern vielmehr am Zeitpunkt. Kurz nach der (PC) Veröffentlichung startete ich meinen Weg in die Arbeitswelt (siehe „Es war einmal … E-Sport„) und aufgrund des fehlenden Internetzugangs in den eigenen vier Wänden, war GTA Vice City der Titel, der mich sechs Monate lang bei Laune gehalten hat. Durch eine glückliche Fügung durfte ich damals auch mit Take 2 zusammenarbeiten, wodurch ich in den Besitz des (schwer erhältlichen) Soundtracks gekommen bin und mich die Musik von Vice City quasi jeden Tag auf den Weg zur und von der Arbeit begleitet hat. Früher, als ich noch mit meinem Sony Discman unterwegs war, das waren halt noch Zeiten.
Und genau im Wort “Früher” steckt auch das Geheimnis hinter der Faszination für alte Videospiele (und auch der Grund für den Titel des Beitrags). Jeder hat wohl schon von älteren Generationen den titelgebenden Einleitungssatz gehört, dabei innerlich die Augen verdreht und sich seinen eigenen Teil gedacht. Es war rein von den Fakten her früher nicht wirklich besser, aber es war anders. Es gab noch kein heute und der Maßstab mit denen man Dinge verglichen hat war deutlich niedriger als er es etwa heute ist. So wie ältere Generationen über Winter mit unglaublichen Schneemengen oder unfassbar warmen Sommermonaten sinnieren, so blicken heutige Mitzwanziger auf die Videospiele von vor zehn Jahren zurück. Aber wie es so ist mit Erinnerungen, verblassen diese und negative Erinnerungen entschwinden einem noch schneller als die positiven Momente. Man neigt dazu geistig weich zu zeichnen und vermischt im konkreten Fall die Spielerfahrung mit den Einflüssen, die man während des Spielens erlebte. Die endlosen Gespräche mit Freunden über das im Spiel erlebte, die bewusste Ablenkung vom ersten richtig Job, der spannende Sommer in dem man mit dem Gameboy im Gepäck tausende Kilometer mit der ÖBB und dem Sommerticket hinter sich brachte oder die unterhaltsamen Wutausbrüche seiner LAN Gegner während einer Runde Instagib auf Q3DM17. Früher war halt doch alles besser.
Aber genug Textzeilen der Nostalgie gewidmet, es wird wieder Zeit sich den wichtigen Dingen im Leben zu widmen, denn hier warten noch C&C Red Alert, Monkey Island, StarCraft und RollerCoaster Tycoon auf ein würdiges Ende. Zunächst werde ich aber wohl diesem Wissenschaftler Gordon helfen, der hat in einer Einrichtung namens Black Mesa ein kleines Problem oder so …