Erfolgreiche Videospiele bekommen oft einen Nachfolger, meine grundlegende Einstellung gegenüber dem zweiten Teil von Videospielen ist verhältnismäßig kritisch als auch skeptisch im Vorhinein. Und bei Videospielen, die ich sehr sehr gerne habe, ist die Ausgangsituation bezüglich Nachfolger am ehesten mit einem innerlichen Drahtseilakt zu vergleichen. Zu intensiv und oft zu wichtig sind für mich die Erinnerung an die Spielerfahrung zum Vorgänger, zu hoch ist die Gefahr, dass davon auch nur das kleinste Etwas durch eine aus meiner Sicht falsch getroffene Entscheidung in Mitleidenschaft gezogen wird. Ein Grundmotiv weshalb ich Nachfolgeteile in einer Reihe oft gar nicht spiele. Meine Angst, eine Enttäuschung aus unterschiedlichen Gründen zu erleben und die Furcht, vergangene Erlebnisse zu verwaschen, ist während des Spielens ein dauerhafter Begleiter. Ich habe das im Jahr 2015 erschienene Ori And The Blind Forest geliebt und es ist momentan das einzige Videospiel, welches ich jedes Jahr aufs Neue spiele und in mir etwas auslöst, was meine Liebe und Faszination zum Medium Videospiele am Vollumfänglichsten beschreibt. Ein Thema, wenn man einen Titel so sehr schätzt und liebt wie ich Ori And The Blind Forest, ist, dass man um den zweiten Teil trotz aller persönlich motivierter Bedenken nicht herumkommt. Willkommen bei meiner persönlichen Achterbahnfahrt mit Ori And The Will Of The Wisps, dem zweiten Teil meines Lieblingsvideospiels.
Vorweggenommen ist, dass mich Ori And The Will Of The Wisps gleich vom Start an sprichwörtlich abgeholt hat. Damit meine ich tatsächlich ganz vom Start, denn bereits der Titelbildschirm und die Hintergrundmusik wirkten vertraut und fühlten sich richtig an. Ganz ehrlich gesagt, ist mir alles so vertraut vorgekommen, dass ich vor dem eigentlichen Start meines Abenteuers nachgeprüft habe, ob ich auch tatsächlich den zweiten Teil gestartet habe. Dieses gute Gefühl bekräftigt einen und auch die ersten Minuten von Ori And The Will Of The Wisps fühlten sich wie eine Rückkehr an, eine Rückkehr im absolut positiven Sinne. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die minutenlange Intro-Sequenz, welche den Start der Geschichte definiert, schlichtweg als bezaubernd beindruckend beschrieben werden kann und meine Vorfreude auf ersten aktiven Spielminuten mit jeder Sekunde größer und größer wurde.
Und dann passierte es, ich habe die Kontrolle über den Schutzgeist Ori übernommen und das bereits vorhandene Gefühl des zu Hause seins hat sich fortgesetzt. Die Umgebung ist wunderschön, innerhalb von Sekunden setzte das Muskelgedächtnis in den Fingern zwecks Steuerung ein und mit einem breiten Grinsen im Gesicht, begann ich die Videospielwelt zu entdecken und mich zurechtzufinden. Und der Titel ist sowohl optisch als auch akustisch dermaßen beindruckend, dass meine Freude dabei in unerwartet hohe Sphären befördert wurde. Es war genauso wie ich es mir vorgestellt habe, es war ehrlich gesagt sogar viel mehr als ich es mir erträumen konnte. Innerhalb kürzester Zeit wechselte ich in den Flow-Modus, fokussierte mich voll und ganz auf das Geschehen am Bildschirm und blendete die Außenwelt weg. Dieser Modus ist für mich der ideale Zustand, um ein Videospiel zu erleben, da mein Fokus vollkommen auf den Titel gerichtet ist und es fühlt sich einfach gut an, es fühlt sich unheimlich intensiv an, es fühlt sich einfach unheimlich intensiv gut an.
Unerwartet ebenso schnell hat mich Ori And The Will Of The Wisps aber auch wieder aus diesem Zustand gekickt, konkret bei der ersten Konfrontation mit einem Gegner. Ich bin unvorbereitet und defacto ohne Vorwarnung gestorben. Aber dabei ist es nicht geblieben, ich bin auch beim zweiten und dritten Mal an der gleichen Stelle gescheitert und realisierte, dass mein Muskelgedächtnis hinsichtlich der Bewegung in der Videospielwelt vom ersten Teil übernommen werden konnte, aber die Videospielmechaniken bezüglich der Kämpfe drastisch geändert wurden. War es zuvor einfach das wiederholte Drücken eines Knopfs am Controller, war das Kämpfen nun mit dem Erkennen von komplexen Bewegungsmustern als auch unterschiedlichen Angriffssequenzen und entsprechend erforderlichen Ausweichmanövern verbunden. Es stellte sich in mir eine leichte Unruhe als auch Sorge ein, denn was ich bisher sah, hörte und fühlte, war ein komplett anderes Gefühl zu dem was ich soeben erlebte. Das grundlegende Kampfsystem war anders, ein doch elementarer Teil meines Lieblingsvideospiels wurde bewusst geändert und in diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob ich mich mit dieser getroffenen Entscheidung wirklich anfreunden kann.
Partielle Veränderung muss man manchmal hinnehmen, auch wenn es mir im konkreten Fall schwerfällt. Und vielleicht gibt es einen Grund für diese Veränderung, den ich als Videospieler an einer so frühen Stelle im Videospiel noch nicht verstehen konnte. Das war meine gedankliche Herangehensweise und mit jeder Begegnung mit einem feindlich gesinnten Bewohner der Videospielwelt, begann ich mich ein kleines bisschen an diese geänderte Videospielmechanik zu gewöhnen, um dennoch hoffentlich mit einem guten Gefühl im noch anstehenden Abenteuer voranschreiten zu können. Ich würde rückblickend nicht sagen, dass ich mich komplett an das neue Kampfsystem gewöhnt habe, aber ich habe es bewusst zugunsten des restlichen Videospiels toleriert und diese Herangehensweise hat sich gelohnt. Der ursprüngliche Dämpfer wich für mich mit der sich immer mehr öffnenden Videospielwelt stärker in den Hintergrund und ich begann langsam zu erfassen, welche neuen Elemente und Veränderungen Ori And The Will Of The Wisps gegenüber meinem Lieblingsvideospiel bot. Das waren unter anderem kleinere Nebenaufgaben, die parallel zur Hauptgeschichte ein noch umfangreicheres Verständnis des Universums von Ori vermittelten, zwei unterschiedliche Arten von Herausforderungen, die zwar inhaltlich bis zum Ende für mich nicht ganz reinpassten, aber mich zumindest immer wieder motivierten meine motorischen Fähigkeiten zu trainieren. Und natürlich die bereits mehrfach gelobte, als auch sehr diverse Videospielwelt, bei der schon der Gedanke zwecks anstehender Erkundung ein gutes Gefühl in mir auslöste.
Zumindest solange, bis mich etwas erwischte und ich nicht genau wusste was es überhaupt war. Es sind ein paar Stunden vergangen und die Konfrontation mit dem finalen Gegner eines Gebiets stand an und ich scheiterte und scheiterte und scheiterte. Etliche Versuche und mehrere Stunden vergingen, während ich immer und immer wieder versuchte den Gegner zu bezwingen und immer und immer wieder starb. Es war frustrierend, so wirklich frustrierend und ich hatte in diesem Moment genug von Ori And The Will Of The Wisps, ich hatte absolut keine Lust mehr weiterzuspielen. Der Grund war, dass ich in dem Moment und auch bis heute keine Ahnung habe, warum es zu dieser negativen Erfahrung gekommen ist. Das Videospiel hat mir auf keine Art und Weise eine Erklärung geliefert was ich falsch mache oder falsch gemacht habe und damit war es für mich unheimlich schwierig entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das Problem ging so weit, dass ich weder wusste ob ich an einer Stelle bin, an der ich zum damaligen Zeitpunkt nicht sein sollte, ob ich vielleicht Bereiche in einer falschen Reihenfolge absolviert habe und deswegen noch nicht stark genug war um den Gegner zu besiegen oder ob ich vielleicht das neue Fähigkeiten-System schlichtweg nicht verstanden habe oder bei der Auswahl von Fähigkeiten falsche Entscheidungen getroffen habe. Gefühlt grundlos nach einem Drittel eines Videospiels zu scheitern ist blöd, aber überhaupt keine Ahnung zu haben warum man scheitert, ist nur scheiße.
Auf diesen Tiefpunkt folgte aber nach ein paar Tagen der Pause erneut Euphorie, denn anstelle mich mit der für mich frustrierenden Stelle zu beschäftigen, beschäftigte ich mich mit dem was mich am ersten Teil faszinierte und ich auch bewusst in Ori And The Will Of The Wisps genießen konnte, der Videospielwelt. Ich ging auf Entdeckungsreise und sammelte alle möglichen Verbesserungen, um nach und nach stärker zu werden. Es vergingen einige Stunden, in denen ich mich begeistert von der eine Seite der Videospielt zur anderen Seite dieser bewegte und es war ein innerlich unheimlich befriedigendes Gefühl. Nach Stunden der Verbesserung und ein noch stärker ins Muskelgedächtnis der Finger eingeprägtes Bewegungsrepertoire, meisterte ich den bis dahin unmöglichen Gegner, ohne weiterhin tatsächlich zu Wissen wo mein ursprünglicher Fehler lag. Ich verdrängte die Erfahrung, ich dachte ich habe damit die kritische Hürde genommen und auch wenn ich zu dem Zeitpunkt bereits wusste, dass der Titel nicht mein neues Lieblingsvideospiel werden wird, wollte ich zumindest das zweite Abenteuer zugunsten der Geschichte für mich zu einem guten Ende bringen.
Mein durch die ersten Minuten des Titels verträumter Blick war nun jedenfalls nicht mehr so verträumt, aber es war dennoch ein Videospiel aus meinem momentanen Lieblingsgenre Metroidvania und es war eine Geschichte aus dem Universum von Ori. Es folgten Stunden mit Ori And The Will Of The Wisps die mir Spaß gemacht haben, die mich aber auch immer wieder frustriert haben. So gern ich das Videospiel lieben wollte, so sehr hat es mir immer wieder gezeigt, dass es aufgrund der Weiterentwicklung vom ersten Teil doch anders ist und für mich persönlich schlichtweg nur eine sehr nette Videospielerfahrung mit Problemen darstellt. Ich habe die Videospielwelt geliebt, ich habe meine darin vorhandene Orientierungslosigkeit und die oft fehlenden Hinweise wo als auch wie es weiter geht, mehr als nur ein paar Mal verflucht. Ich war fasziniert von der schön erzählten Geschichte mit mehr als nur einem emotionalen Moment, ich habe jedoch die Komplexität des Fähigkeiten-Systems bis zum Ende nicht wirklich verstanden. Ich jubelte über Erweiterungen hinsichtlich der Möglichkeiten zur Bewegung, wunderte mich aber regelmäßig weshalb manche dieser selten oder gar nur in jeweils einer Region genutzt wurden. Bevor ich das erste Mal Ori And The Will Of The Wisps gestartet habe, war ich mir den persönlichen Risiken des Nachfolgers meinen Lieblingsvideospiels bewusst und stellte mich vermutlich auch unbewusste gegenüber dem anstehenden innerlichen Drahtseilakt und auf einer persönliche Achterbahnfahrt ein. Das was ich im positiven Sinne erwartet und im negativen Sinne befürchtet habe, ist leider eingetreten. Ori And The Will Of The Wisps macht einiges anders als sein Vorgänger und nicht alles davon gefällt mir. Ori And The Will Of The Wisps macht vieles ähnlich bis gleich wie sein Vorgänger und alles davon gefällt mir. Ori And The Will Of The Wisps ist ohne Berücksichtigung meiner emotionalen Bindung zum Vorgänger ein sehr gutes Videospiel und wohl eines der besten Videospiele aus dem Genre der Metroidvanias hinsichtlich Ideen, dem Umfang, der Abwechslung, der Zugänglichkeit und sowie der Herausforderung. Jedoch löst Ori And The Will Of The Wisps mit Berücksichtigung meiner emotionalen Bindung zum Vorgänger für mich keinesfalls Ori And The Blind Forest als mein Lieblingsvideospiel ab.
Gespielt wurde Ori And The Will Of The Wisps auf einer Xbox One S. Entwickelt wurde der Titel vom teils österreichischen Entwicklungsstudio Moon Studios und vertrieben wird das Videospiel vom amerikanischen Publisher Xbox Game Studios, einer Abteilung innerhalb von Microsoft. Das Videospiel ist für den PC sowie die Xbox-Plattform erhältlich. Digitale Bezugsmöglichkeit ist der Microsoft Store (Xbox und Windows 10 PC-Direktkauf) und Steam (PC-Direktkauf). Codes für den Download sind unter anderem bei Amazon (Codes*) erhältlich. Preislich liegt das Videospiel bei etwa 30 Euro.