Offline Connectivity

Vor etwa sechs Monaten habe ich mir nach längerer Überlegung eine Nintendo Switch gekauft. Trotz meiner Affinität gegenüber Videospielen habe ich gedanklich in den letzten Jahren immer wieder bezüglich der Kaufentscheidung mit mir selbst gehadert und einer der Gründe dafür war und ist Nintendo, konkret die im Vergleich zu Microsoft als auch Sony nicht wirklich vorhandene Online-Strategie des Unternehmens. Seit Jahren bin ich es von meiner Xbox One gewohnt, dass ich zu jedem Zeitpunkt verbunden bin, dass ich problemlos Nachrichten als auch Einladungen zu Chats sowie virtuellen Videospielabenden von anderen Videospieler erhalten als auch an diese versenden kann und der Meinung, dass diese permanente Konnektivität, sprich diese Hyper-Konnektivität, irgendwie auch eine Art Bereicherung für meinen Konsum von Videospielen darstellt. Immer online, immer erreichbar und fast jeder Titel, den ich spielte, hatte unabhängig von Genre als auch der Art eine Anbindung an die Online-Systeme der Videospielkonsole. Dinge, die man als jemand der Videospiele als ein Hobby bezeichnet, mittlerweile als normal sieht. Dinge, die bei Nintendo, beim Online-Dienst der Nintendo Switch und bei vielen Videospielen auf dieser Plattform irrelevant sind. Seit ich in Besitz der portablen Videospielkonsole bin, hole ich diverse in den vergangenen Jahren für die Nintendo Switch erschienenen Videospiele nach, im Prinzip davon alle ohne eine aktive Internetverbindung, ich spiele quasi offline. Obwohl ich eigentlich dachte, dass sich diese fehlende Konnektivität im Jahr 2020 nicht mehr zeitgemäß anfühlt, genieße ich diese und habe daraus resultierend begonnen intensiver über diesen Aspekt nachzudenken. Ich mag den Offlinebetrieb und ich mag Offline-Konnektivität, sowohl die von Videospielen vorgegebene als auch die von mir selbst geschaffene. Was Offline-Konnektivität für mich bedeutet? Vieles, was genau, versuche ich anhand von Beispielen zu erklären.

Offline-Konnektivität

Das erste Videospiel, welches ich auf meiner Nintendo Switch gespielt habe, war The Legend Of Zelda: Link’s Awakening. Die Remake-Version des Titels welcher ursprünglich 1993 erschienen ist, ist eine Videospielerfahrung mit kompletten Verzicht auf jegliche Konnektivität. Es ist, auch aufgrund des Alters der Vorlage, eine sehr klassische Erfahrung eines Abenteuers für Einzelspieler, welche aufgrund der stetig aufeinander aufbauenden Elemente hinsichtlich Videospielmechaniken, konkret den wachsenden Möglichkeiten der Spielfigur durch nach und nach gefundene Ausrüstungsgegenstände, als auch dem inhaltlichen Verlauf der erzählten Geschichte, meiner Meinung nach schwierig bis nicht für das gemeinsame Spielen mit jemanden am gleichen Sofa oder auf Streaming-Plattformen geeignet ist. Es ist schlichtweg ein zu hohes Vorwissen über bereits absolvierte Abschnitte erforderlich, um einen kurzen Ausschnitt des Titels als Zuseher zu verstehen oder unterhaltsam zu finden. Ich habe meine Zeit mit The Legend Of Zelda: Link’s Awakening aus den unterschiedlichsten Gründen sehr unterhaltsam und auch spannend gefunden, obwohl ich mich komplett allein an das Abenteuer gewagt habe, also so wirklich ganz ohne irgendeine Verbindung zum Internet.

Etwas anders war es ein paar Wochen später mit dem Untitled Goose Game. Per Entscheidung des Entwicklers ebenso ein Titel mit Verzicht auf jegliche Konnektivität, jedoch ein Videospiel welches für mich mit einer gewissen Art von Offline-Konnektivität besser funktioniert. Im konkreten Fall war der Inhalt zwar ebenso eine klassische Erfahrung für einen Einzelspieler, jedoch aufgrund der deutlich geringeren Komplexität hinsichtlich Mechaniken, der in einem Satz erklärbaren Grundprämisse der heimtückischen Gans und dem Element von kleinen Rätseln, habe ich es sehr genossen meine Spielerfahrung mittels Stream auf Twitch mit anderen zu teilen. Die Frage ob es für einen besser wird, wenn man einen Titel streamt oder nicht, kann eigentlich mit der Frage ob das Videospiel für einen besser ist, wenn man mit anderen auf einem Sofa sitzen würde, gleichgesetzt werden. Beim Untitled Goose Game lautet die Antwort aufgrund zuvor erwähnter Punkte eindeutig ja, deswegen ist es für mich ein perfektes Videospiel für eine von mir selbst erzeugten Offline-Konnektivität in Form von Zusehern.

Komplett was anderes findet man im Indie-Titel Lonely Mountains Downhill. Der Name des Videospiels beschreibt die Basis ausgezeichnet, denn man ist mit seinem Mountain-Bike allein nahe eines Gipfels und fährt verschiedenste Streckenabschnitte und auch Querfeldein bis zur Ziellinie am Fuße des Berges. Es ist das Rennen gegen die Zeit, gegen die eigene zuvor erreichte Zeit in Abschnitten sowie auf der Gesamtstrecke. Andere Fahrer sind nicht sichtbar, die Stellen der häufigsten Stürze werden nicht markiert und man ist bei der Erkundung sowie Absolvierung allein und auf sich gestellt. So wie die physische Ausübung der Freizeitaktivität eine Offline-Erfahrung darstellt, so wird diese auch im Videospiel simuliert und die positive Einsamkeit sowohl optisch als auch akustisch vom Titel unterstützt. Die Macher von Lonely Mountains Downhill haben jedoch auf eine Art der Konnektivität nicht verzichtet, denn nach dem isolierten Erkunden sowie Absolvieren wird die eigene Leistung mittels Online-Rangliste mit den anderen Einzelspielern auf der Welt verglichen. Ein Videospiel mit einer von der echten Welt inspirierten Offline-Erfahrung für Einzelspieler, welches jedoch eine vom Videospiel vorgegebene Konnektivität bietet, für mich eine weitere andere Art von Offline-Konnektivität. Verstärkt wird diese durch den Aspekt, dass die Konnektivität mit der Rangliste endet, denn das Betrachten dieser Liste ist die einzige Art der Verbindung, die man zu anderen Videospielern hat.

Videospiele, die dem Battle-Royale-Spielprinzip folgen, erfreuen sich aktuell einer gewissen Beliebtheit und wurden erst durch die allgegenwertige Hyper-Konnektivität möglich. Viele Menschen spielen gleichzeitig in einer Sitzung, um mit je nach Titel unterschiedlichen Methoden den besten unter ihnen zu bestimmen. Quasi ein Paradebeispiel für Konnektivität und Interaktivität mit anderen, aber es hängt dann doch von der Art und Weise der Mechaniken ab. Eine komplizierte Einleitung, für etwas eigentlich Simples. Es geht um Tetris 99, der Tetris-Version, in der man mit 98 anderen Menschen gleichzeitig gegeneinander Tetris spielt. Ein Videospiel, welches eine Konnektivität voraussetzt und obwohl ich momentan nur bedingt Lust auf die digitale Interaktion mit anderen Personen beim Nachgehen meines Hobbys habe, ist Tetris 99 für mich ein ideales Videospiel für Einzelspieler. Konkret bin ich beim Spielen nicht gezwungen mit den anderen Menschen in der Sitzung zu interagieren, nüchtern betrachtet sind die anderen Menschen eine reine Ziffer und manchmal habe ich auch das Gefühl, dass ich das Videospiel alleine spiele, obwohl mit natürlich vollkommen bewusst ist, dass ich durch meine Spielweise die Spielerfahrung von Dutzenden beeinflusse und umgekehrt. Ich stufe den Titel daher auch als ein Videospiel mit einer Offline-Konnektivität ein, hervorgerufen durch die Art der sehr passiven Implementierung, so dass die Konnektivität nämlich die Einzelspielererfahrung nicht störend beeinflusst und dennoch elementare Bestandteil des Ablaufs ist. Im Prinzip das obere mögliche Ende meiner Einstufung des Begriffs, eines rückblickend dann doch sehr dehnbaren Begriffs.

Und abgesehen von den von mir aufgezählten Beispielen, ließe sich die Auflistung noch um viele weitere Videospiele und deren Konzept von Offline-Konnektivität erweitern. Entweder vom Videospiel vorgegeben oder vom Videospieler selbst gewählt. Für erstere Variante fallen mir spontan noch Titel ein wie Journey, einem Abenteuerspiel in dem einem in der Videospielwelt zufällig anderen Mitspieler begegnet und mit denen nur nonverbal kommunizieren kann oder Death Stranding, einem Action-Adventure in einer offenen bewusst menschenleere Videospielwelt für Einzelspieler, in der man jedoch Notizen beziehungsweise Markierungen von anderen Videospielern finden als auch solche Sachen hinterlassen kann. Ein anderes persönliches Beispiel für eine vom Videospieler selbst gewählte Konnektivität ist bei mir Dead Cells. Der Titel aus dem Genre der Rogue-like Metroidvanias ist eine komplette Einzelspielererfahrung ohne Konnektivität, aber bei jedem Versuch bis zum Ende zu kommen, mache ich einen Screenshot von meiner in diesem Lauf gefundenen als auch angepassten Ausrüstung und schicke diesen an Freunde via Sofortnachricht, um sich miteinander auszutauschen und gleichzeitig um neue Strategien, Möglichkeiten und auch Anreize für die nächste Runde zu finden.

Das bewusste Wahrnehmen der Offline-Konnektivität im Kontrast zur Hyper-Konnektivität war rückblickend ein spannender Prozess für mich. Meine Erfahrungen mit Videospielen auf der Nintendo Switch haben mir erst klar gemacht, welche Arten der Offline-Konnektivität es generell gibt und dass es auch 2020 manchmal guttut, einfach ohne Hyper-Konnektivität und daraus entstehenden Ablenkungen sich einfach nur einer Sache zu widmen, nämlich schlichtweg dem Spielen eines Videospiels und sonst nichts.

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