Rhythm Games

Manchmal vergisst man was man vermisst, bis man wieder in Kontakt damit kommt. Für mich waren dies bis vor Kurzem Videospiele des Genres Rhythm Games, welche ich rückblickend irgendwie unbewusst geliebt habe, dies aber irgendwie vergessen habe. Die letzten Jahre waren für mich aus videospieltechnischer Sicht ein bunter Mix unterschiedlicher Genres und Arten von Videospielen, aber an den letzten Titel mit Fokus auf Rhythmus und Musik kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Vor etwa zwei Wochen ist das Genre der Rhythm Games wieder in meinen Fokus gerückt und damit wurde auch eine Suche gestartet, um die nun bei mir vorhandene Lücke zu füllen. Was der Auslöser für das wiederaufflammende Interesse war? Etwa eine Stunde am grandiose Arcade-Automaten Groove Coaster vom japanischen Entwickler Taito.

Vor etwa zehn Jahren erlebten Rhythm Games in Kombination mit und vermutlich auch dank Kunststoffinstrumenten als Eingabegeräte auf Videospielkonsolen durch die Marken Guitar Hero, Rock Band und diversen Ablegern einen Höhepunkt. Mit Gitarren, Schlagzeugen und Mikrofonen aus Kunststoff als Videospiel-Controller wechselte man in die Rolle von Rock- sowie Popstars und drückte im richtigen Moment die richtigen Tasten, um eine optisch sowie akustisch imposante Bühnenshow für die tobende virtuelle Menge abzuliefern. Weder hinsichtlich der Videospielmechaniken noch der Grundidee handelte es sich um ein neues Konzept, denn Arcade-Automaten in Spielhallen boten eine vergleichbare Erfahrung seit Jahren. Der Erfolgsfaktor war die Verfügbarkeit im eigene Wohnzimmer zu einem realistischen Preis mit einer für das breite Publikum bekannten Musikauswahl und der Tatsache, dass im deutschsprachigen Raum keine Kultur für Spielhallen mit Arcade-Automaten vorhanden war und auch heute nicht vorhanden ist. So rasch die Videospiele des Genres auch an Beliebtheit gewonnen haben, so rasch verschwanden die Titel und auch die Marken wieder. Die Gründe meiner Meinung nach waren eine Übersättigung des Marktes mit zu vielen Titeln in zu kurzer Zeit, verwirrende sowie nicht durchdachte Strategien hinsichtlich kostenpflichtiger Zusatzinhalte zum Herunterladen nach dem eigentlichen Kauf, immer aggressivere Ansätze zur Monetarisierung und die nur geringen bis nicht vorhandenen Weiterentwicklungen am ursprünglichen Konzept und Stil. Gute Ansätze wie die Marke DJ Hero samt Turntable-Controller kamen zu spät und wurden auch falsch vermarktet. Die bis dahin erfolgreichen Marken Guitar Hero und Rock Band verloren parallel dazu immer mehr den Fokus beim krankhaften Versuch die Einnahmen pro Käufer zu erhöhen und im besten Fall Videospieler zu jährlichen Neukäufen von Hardware, Software und digitalen Inhalten zu motivieren.

Die 60 Minuten, die ich Groove Coaster spielen konnte, haben bei mir Erinnerung an meine Zeit damals mit Guitar Hero, Rock Band und DJ Hero geweckt. Diese Erinnerungen waren auch die Motivation für meine aktuelle Suche, um die entdeckte Lücke hinsichtlich Rhythm Games zu füllen. Die massiv eingebrochenen Verkaufszahlen nach bereits erwähnter Hoch-Phase des Genres haben aber leider dafür gesorgt, dass das gesamte Genre der Rhythm Games auf Videospielkonsolen defacto verschwunden ist und meine Suche dadurch schwieriger als erwartet wurde. Dass man im digitalen Marktplatz der Xbox One keinen Kategorie für Rhythm Games findet, hat mich nicht wirklich verwundert, dass es aber anscheinend überhaupt keine Videospiele dieser Art für die aktuelle Generation an Videospielkonsolen gibt, hat mich dann doch erstaunt. Eine kurze Gegenprüfung im Internet hat traurigerweise mein Ergebnis bestätigt und meinen Fokus von der Xbox One auf Windows 10 und Android als Plattform erweitert.

Mit dem erweiterten Fokus und durch Empfehlungen aus meinem Umfeld versuchte ich mich an Rhythm Games wie Cytus, Deemo, VOEZ und Dynamix auf Android oder auch Audiosurf 2 auf Windows 10. Alle Videospiele, die ich versuchte, entsprachen zwar meinen Grundvorstellungen, aber funktionierten für mich dann am Ende irgendwie nicht. Es fehlte das Gefühl von früher. Es fehlte irgendwas, ohne dass ich es genau erklären konnte. Die einzelnen Elemente waren da, aber es machte für mich einfach nicht Klick und anstelle ein Videospiel zu suchen, wechselte ich meinen Suchansatz vom Genre zum Gefühl.

Und dann war es plötzlich wieder da dieses Gefühl. Das Gefühl, welches mich an meine früheren Erfahrungen mit Rhythm Games erinnerte. Es war nicht nur da, ich konnte es intensiv spüren, begann es zu verstehen und konnte es auf Knopfdruck erzeugen. Wie? Es war ein Freitagabend bei einem guten Freund, es gab Bier, es war die Xbox 360 eingeschaltet, wir standen hinter einem Tisch mit zwei Turntable-Controllern und spielten gemeinsam den ersten sowie zweiten Teil von DJ Hero. Es war nicht direkt der grandiose Soundtrack der beiden Titel, es waren nicht direkt das Drücken sowie Drehen am Turntable-Controller, es war vielmehr das Wippen des Kopfes im Takt der Musik und die dazu ausgeführten Bewegungen. Es ist der Moment, in dem man ein Videospiel nicht mehr bewusst spielt, sondern so in der gesamten Erfahrung steckt, dass man einfach das Richtige im richtigen Moment macht und Dinge funktionieren, ohne es selbst erklären zu können. Ist es der Soundtrack? Vielleicht. Ist es der Turntable-Controller? Vielleicht. Ist es die Tatsache, dass bei Fehlern Teile des Tracks weggeschaltet werden und man durch richtige Kombinationen die einzelnen Spuren akustisch aktiviert? Vielleicht. Es ist vermutlich die Kombination all dieser Elemente. Es ist für mich am Ende eigentlich egal, solange es bei für mich einfach nur das richtige Gefühl erzeugt.

Stellt sich nur die Frage was ich nun mache. In meinem Haushalt gibt es keine Xbox 360 mehr und trotz grundlegender Abwärtskompatibilität der Xbox One funktionieren alle Titel der Xbox 360 mit Spezialcontrollern wie dem Turntable-Controller leider nicht auf der aktuellen Generation der Videospielkonsole. Die extra Meile gehen und eine Xbox 360 samt DJ Hero am Gebrauchtmarkt extra für dieses Gefühl erwerben? Es mag verrückt klingen, aber ich überlege tatsächlich diesen Weg zu gehen. Was ich bis dahin mache? Regelmäßig eine Kiste Bier einpacken und gemeinsam mit zuvor erwähnten guten Freund möglichst oft den ersten sowie zweiten Teil von DJ Hero auf- und abspielen. Warum? Zwecks dem Gefühl und dem Schließen einer Lücke, deren Existenz ich bis vor zwei Wochen unbewusst ignoriert hatte.

Veröffentlicht in blog