Celeste

Es gibt Videospiele, die innerhalb kurzer Zeit ein gewisses Interesse bei mir erzeugen, Celeste ist eines dieser Videospiele. Es gibt Videospiele, die ich aus Selbstschutz trotz vorhandenen Interesses meide, Celeste war eines dieser Videospiele. Bereits im Jänner 2018 ist der Titel erschienen und wurde in der die Veröffentlichung begleitenden Berichterstattung in höchsten Tönen gelobt. Gegen Ende des Jahres 2018 wiederholte sich das Lob und fast durchgehend fand Celeste einen Platz unter den besten Videospielen des Jahres, je nach Medium war es auch mitunter das beste Videospiel des Jahres. Ungewöhnlich für einen Plattformer, eigentlich sogar sehr ungewöhnlich. Dennoch blieb es bei meiner Überzeugung mich nicht selbst zu quälen und ich versuchte weiterhin das Videospiel zu ignorieren. Die Betonung liegt auf versuchte zu ignorieren, denn ich wurde schwach und verbrachte den Jänner 2019 mit Celeste, ich habe 8 1/2 Stunden benötigt um mit der Spielfigur Madeline die Aussicht vom Gipfel des namensgebend Bergs zu erleben und ich bin dabei tausende Tode gestorben, 1575 Tode um genau zu sein.

Mein Interesse an Celeste entstand durch die Kombination des Genres in Form eines 2D-Plattformers mit Pixeloptik, einem einfachen Steuerungsschema welches bis zur Perfektion optimiert wurde, der Fokussierung auf eine von der Geschichte getriebenen Erfahrung für Einzelspieler und dem Umstand, dass ein kleines unabhängiges Team über längere Zeit mit unheimlich viel Liebe am Titel gearbeitet hat. Meine Ängste und auch Selbstzweifel ob ich mich mit dem Videospiel selbst quälen sollte entstammen paradoxerweise dem gleichen Ursprung. Eine einfache und perfekte Steuerung in Kombination mit einer hohen Detailverliebtheit beim Erschaffen der unterschiedlichen Abschnitte in einem Videospiel sind für mich Indizien für einen meist eher herausfordernden Schwierigkeitsgrad. Auf Celeste treffen diese Indizien zu, in der Berichterstattung zu Celeste wurde der hohe Schwierigkeitsgrad durchgehend erwähnt und als ich das erste Mal Celeste spielte, wurde mir klar, dass Celeste nicht nur herausfordernd ist, sondern dass Celeste bezüglich des Schwierigkeitsgrades so richtig schwer ist. Das Problem dabei? Ich mag keine schweren Videospiele, ich mag es nicht mich beim Spielen laufend zu ärgern und ich hasse es abgrundtief gefrustet zu sein und beginne mich dann immer zu selbst zu fragen weshalb ich mich damit selbst quäle.

Die Herausforderung Schwierigkeitsgrad beginnt bereits in der ersten Minute von Celeste, konkret im ersten zu absolvierendem Abschnitt. Der Titel erklärt in Kurzform das einfache Steuerungsschema sowie die limitierten Bewegungsmöglichkeiten der Spielfigur Madeline und konfrontiert den Videospieler mit der Herausforderung in Form des zu erklimmenden Berges Celeste. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern an welcher Stelle und wie ich das erste Mal gestorben bin, aber ich vermute es war der dritte oder vielleicht sogar der zweite Sprung, den man mit Madeline am Beginn des Aufstiegs absolvieren muss. Es war keine komplexe Stelle, es war kein unübersichtlicher Abschnitt, es war vielmehr meine lasche Herangehensweise und meine Erwartungshaltung eines einfachen Einstieges in den ersten Minuten eines Videospiels. Celeste war und ist meine Erwartungshaltung egal, es vermittelt von Beginn an die Herausforderung und es fordert. Dieses fordern zieht sich wie ein roter Faden durch den Titel und hört bis zum letzten Sprung auf den Gipfel des Berges Celeste nicht auf. Man wird mit einem Abschnitt konfrontiert, spontan stuft man den Abschnitt als unmöglich ein, man entwickelt eine Strategie in Form von Kombinationen der Bewegungsmöglichkeiten um den Abschnitt zu schaffen, man scheitert dutzende Male, irgendwann nach zig Toden schafft man den unmöglichen Abschnitt mit der selbst entwickelten Strategie, man ist unheimlich stolz auf sich selbst und den Umstand, dass man endlich die Mechaniken des Titels vollständig verinnerlicht sowie verstanden hat. Also man glaubt es zumindest, denn im nächsten Abschnitt beginnt dieser Zyklus von vorne. Das Spielgefühl bei Celeste schwankt stetig zwischen Herausforderung und Erfolg, jedoch immer mit einem kleinen Ungleichgewicht in Richtung Herausforderung, einem mich unerwartet motivierenden Ungleichgewicht. Und irgendwann war ich dann mit Madeline am Gipfel des Berges Celeste. Unzählige am Anfang unmögliche Abschnitte habe ich geschafft, nicht nur einmal habe ich überlegte vor dem Videospiel zu kapitulieren, um es dann doch nicht zu tun.

Ich war stolz auf mich als ich mit Madeline das Gipfelkreuz erreichte, also so wirklich richtig stolz. Das klingt irgendwie komisch, denn Celeste ist nur ein Videospiel und es ist irgendwie merkwürdig, dass man auf das Absolvieren eines Videospiels stolz sein kann. Ich bin aber nicht stolz, dass ich den Titel absolviert habe, sondern ich bin stolz auf mich und stolz auf etwas was mir Celeste im Laufe des Aufstiegs beigebracht hat. So wirklich klar wurde es für mich erst, als ich nach dem Erreichen des Gipfels die ersten Abschnitte des Videospiels ein zweites Mal gespielt habe und meine Spielerfahrung unerwartet anders war. Anders als beim ersten Mal absolvierte ich die Abschnitte nämlich in einen Bruchteil der Zeit und ich sah Madeline nur selten bis nie in den Tod stürzen. Die Abschnitte waren ident mit dem ersten Mal, die Steuerung hat sich nicht verändert und auch die Bewegungsmöglichkeiten von Madeline waren gleich. Die veränderte Komponente war ich, denn Celeste hat mich im Laufe der Spielzeit zu einem besseren Videospieler gemacht, es hat mich in den Videospielmechaniken trainiert ohne dass ich es bemerkt habe und ohne, dass es mich gestört, frustriet oder gequält hat.

Celeste ist schlichtweg ein grandioses Videospiel, Punkt. Rückblickend bin ich unheimlich froh und auch dankbar, dass ich trotz anfänglicher Ängste und Selbstzweifel den Schritt aus meiner Komfortzone gemacht habe und mich mit dem Titel auseinandergesetzt habe. Es ist unheimlich schwierig in Worte zu fassen was Celeste richtig macht, denn es ist irgendwie alles. Es beginnt bei der reduzierten Darstellung, geht weiter mit einer perfekten Steuerung, zeigt sich spielerisch auch in den limitierten Bewegungsmöglichkeiten, wird verstärkt durch einen herausragend fordernden Schwierigkeitsgrad, unterstützend funktioniert die erzählte Geschichte voller innere Konflikte gepaart mit Selbstzweifel sowie Depressionen, zusätzlich gibt es einem Soundtrack der nicht auffällt aber die emotionelle Achterbahnfahrt des Videospielers verstärkt und natürlich die persönliche Erfahrung selbst besser zu werden. Besser als man es am Beginn des Titels für möglich gehalten hat. Im Videospiel ist der Berg Celeste ein schönes Sinnbild für die Reise, den Aufstieg sowie die Herausforderungen von Madeline samt ihren Problemen. In der echten Welt ist das Videospiel Celeste ein perfekter Spiegel für die Reise und Herausforderung des Videospielers samt seinen bewussten und unbewussten Problemen sowie dem Potential und den Möglichkeiten, die man in sich selbst halt und es vielleicht nur noch nicht realisiert hat oder bisher nicht realisieren wollte.

Gespielt wurde die Xbox One Version von Celeste auf einer Xbox One S. Entwickelt wurde der Titel vom kanadischen Studio Matt Makes Games und wird auch durch selbiges vertrieben. Das Videospiel ist seit Jänner 2018 für PC, die Nintendo Switch, Sony PlayStation 4 sowie Xbox One erhältlich. Digitale Bezugsmöglichkeit sind itch.io (PC Direktkauf), Steam (PC Direktkauf), der Nintendo Game Store (Switch AT Direktkauf), der PlayStation Store (PlayStation AT Direktkauf) und der Microsoft Store (Xbox Direktkauf*). Preislich liegt das Videospiel bei etwa 20 Euro.

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