Das Medium Videospiele hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Neben technischen und inhaltlichen Anpassungen an aktuelle Anforderungen hat auch der wirtschaftliche Teil eine starke Veränderung erlebt. Einzelne Titel sind eher als Plattform und oder langfristiger Dienst anstelle eines Einzelprodukts zu sehen, die Implementierung von herunterladbaren Inhalten oder kaufbaren zufälligen Verbrauchsgegenständen hat sich als lukrative Einnahmequelle herausgestellt und die digitalen Marktplätze der Plattformbetreiber im Bereich der Videospielkonsolen und natürlich auch am PC haben in Kombination mit stark reduzierten Preisen während Aktionsverkäufen das Kaufverhalten nachhaltig verändert. Aktuelle Trends der Videospiel-Industrie deuten in Richtung von kostenpflichtigen Abo-Angeboten in unterschiedlichen technischen Ausprägungen wie dem klassischen digitalen Download und dem noch eher neuen Streamen von Videospielen. Schöne neue Welt. Für mich stellt sich aber immer öfter die Frage nach dem persönlichen Wert von Videospielen.
Als ich vor mehr als zwei Jahrzehnten erstmalig mit Videospielen in Berührung gekommen bin, war mein persönliches Kaufverhalten und der damit verbundene Wert des Videospiels nicht sonderlich ausgeprägt. Ich hatte zu Weihnachten gemeinsam mit meinem Bruder ein SNES bekommen und mangels Einkommen waren es meine Eltern, die Videospiele für uns gekauft haben. Die Entscheidungsfindung war gefühlt willkürlich nach optischen Reizen wie der Aufmachung der Packung oder der Zuordnung zu einem bekannten Namen oder einer bekannten Marke. Egal wie gut oder schlecht der Titel auch war, beziehungsweise für mich war damals mangels persönlicher Erfahrungswerte eigentlich jedes Videospiel gut, gespielt wurde bis zum Umfallen. Die Menge an Videospielen wurde durch die Eltern begrenzt, im persönlichen ländlichen Umfeld waren Videospielkonsolen eine Seltenheit und jedes SNES-Modul hat einen enormen persönlichen Wert.
Irgendwann wechselte ich auf dem PC, besuchte irgendwo meine erste LAN-Party und kam irgendwie im Freundeskreis mit dem Konzept raubkopierter Videospiele in Kontakt. Zu Zeiten vor Breitband-Internet war es anfangs aufwändig und auch irgendwie kostspielig um an neue Titel zu kommen, aber bei weitem nicht so kostenintensiv wie der Kauf eines Videospiels im Geschäft. Ich war damals Schüler und auf das von meinen Eltern ausgehändigte Taschengeld angewiesen. Für ein Videospiel im Geschäft konnte ich sieben bis zehn illegale Kopien von Freunden meiner Freunde erwerben, auf Veranstaltungen in der LAN-Szene war dies noch einfacher und im Regelfall auch günstiger. War mir damals bewusst, dass ich etwas Unrechtmäßiges tue? Ja. Was ich mir dabei gedacht habe? Eigentlich wenig, denn es eröffnete sich plötzlich eine verführerische Welt, in der ich mehr Videospiele besitzen als überhaupt spielen konnte. Das Resultat waren etliche selbstgebrannte Datenträger und aufgrund des stetig geringer werdenden finanziellen und auch organisatorischen Aufwands in der Beschaffung sank der persönlichen Wert gegenüber einzelnen Titeln stark. Manche wurden installiert, kurz angespielt und dann innerlich für irgendwann später vorgemerkt. Dieser spätere Zeitpunkt ist übrigens nie eingetreten.
Einige Jahre später hatte ich keine Lust mehr auf das ewige ebenso kostenintensive Aufrüsten des PCs um aktuelle Titel spielen zu können und die kürzlich von Microsoft veröffentlichte Original Xbox sprach mich als PC-Videospieler an. Die Videospielkonsole habe ich mit dem mittlerweile vorhandenen eigenen Einkommen gekauft, die Videospiele dazu ebenso selbst bezahlt und das erste Mal so wirklich verstanden was für einen Wert Videospiele haben können. Dies in unterschiedliche Richtungen, denn mir wurde durch die zunehmende Auseinandersetzung mit dem Medium auf unterschiedlichen Kanälen bewusst, dass die Preise für Videospiele zwar hoch wirken, jedoch in Relation zu den Entwicklungskosten durchaus angemessen waren. Durch den Wegfall der billigen Raubkopien und dem Ausgeben des eigenen Geldes, wurde mein Kauf- und Konsumverhalten deutlich bewusster. Jeder Kauf tat ein kleines bisschen weh, generierte aber im Gegenzug gute Unterhaltung über einen gewissen Zeitraum. Natürlich gab es auch gekaufte Titel, bei denen ich meine Kaufentscheidung zumindest etwas bereute, dennoch spielte ich auch diese Titel, denn auch diese Videospiele haben mich Geld gekostet und ich habe einen gewissen Wert darin für mich gesehen. Während dieser Zeit wurde die Anzahl meiner gespielten Videospiele zwar geringer, die Zeit, die ich mit jedem einzelnen Titel verbrachte stieg. Videospiele kosteten erstmals mich Geld, Videospiele brachten mir Zeit und Ablenken, Videospiele auf der Original Xbox hatten für mich wie damals auf dem SNES einen hohen Wert, wenn auch aus anderen Motiven.
Der zeitlich logische nächste Schritt war die Xbox 360, eine Videospielkonsole, die ich wiederum nicht selbst bezahlt habe. Ich besaß etliche Titel für die Plattform, jedoch kaufte ich die wenigsten davon selbst. Es war die Zeit, in der ich nebenberuflich für Electronic Arts tätig war und Electronic Arts hatte damals nicht nur ein umfangreiches Sortiment, sondern auch ein überdurchschnittliches gutes Sortiment an Videospielen. Mehrmals pro Monat klingelte der Paketdienst und überreichte jeden Titel von Electronic Arts, tatsächlich jeden. 2009 startete ich diesen Blog über Videospiele und neben Titel von Electronic Arts erhielt ich auch Testmuster anderer Firmen wie Ubisoft, Microsoft oder auch Activision. Für mich waren neue Videospiele nicht mit einem Kauf im Geschäft verbunden, sondern mit einer kurzen E-Mail an den PR-Verantwortlichen des Publishers. Das Resultat war erwartbar: Geringer finanzieller und organisatorischer Aufwand zur Beschaffung und das dauerhafte Vorhandensein neuer Videospiele führte zu einem persönlichen Wertverlust des Mediums. Bei der kleinsten Unbequemlichkeit während des Spielens brach ich ab und legte den nächsten Datenträger mit dem nächsten Titel in die Xbox 360.
Und heute ist es eine Xbox One S die unter meinem Fernseher steht. Selbst gekauft, selbst bezahlt und dies gilt auch für die meisten Videospiele, die sich in meiner digitalen Bibliothek befinden. Ich bin seit Jahren ein Xbox MVP und bekomme manche Titel kostenlos zur Verfügung gestellt, schätze dies aber nach etlichen Jahren intensiven Kontakt mit und in der Videospielindustrie unheimlich. Seit mehr als neun Jahren existiert dieser Blog, aber die Anzahl der Anfragen an PR-Verantwortliche hat sich über die letzten Jahre stetig reduziert. Im letzten Jahr war es konkret eine Anfrage, für einen für mich sehr speziellen Titel, welcher witzigerweise bisher gar nicht in Textform hier verarbeitet wurde. Ich selbst möchte, dass Videospiele für mich einen relevanten Wert haben und dies beginnt für mich bereits beim Kauf. Ich kaufe keine Unmengen an Videospiele, auch nicht während Aktionsverkäufen auf den jeweiligen Plattformen, ich kaufe Videospiele wenn ich diese auch spielen möchte. Konkret wenn ich diese jetzt spielen möchte und nicht zu einem späteren Zeitpunkt, an dem ich möglicherweise mehr Zeit habe. Dieser Zeitpunkt kommt nämlich nicht. Manchmal zwinge ich mich gekaufte Videospiele zu spielen, auch wenn diese mich nicht auf Anhieb ansprechen, aber ich habe ja dafür Geld ausgegeben. Nicht nur einmal wurde ich in der Vergangenheit von einem Titel im Nachhinein positiv überrascht, nicht nur einmal hätte ich mich geärgert, wenn ich ein Videospiel vorzeitig als nicht relevant für mich abgestempelt hätte.
Den Abschluss des Textes ist keine neue Generation an Videospielkonsolen und auch kein Wechsel zurück zum PC. Das Ende ist der Trend in Richtung von kostenpflichtiger Abo-Angeboten. Microsoft zeigt mit dem Dienst Xbox Game Pass wie man für etwa 10 Euro im Monat einfach Zugriff auf knapp 150 unterschiedliche Videospiele bekommt. Viele davon sind älter, viele davon aus der Kategorie Indie, jedoch ist auch jeder von Microsoft veröffentlichte Titel ab dem ersten Tag über den Dienst abrufbar. Sony wagt sich mit PlayStation Now technologisch in den Bereich Streaming und bietet den Zugriff auf etwa 500 Videospiele für 15 Euro im Monat und überträgt dabei rein das Bild auf die PlayStation 4 oder den PC. Electronic Arts hat kürzlich unter dem Titel Origin Access Premier ebenso den Ausbau des bereits bestehenden Abo-Angebots angekündigt und Microsoft hat bekanntgeben, dass die langfristige Zukunft der eigenen Videospiel-Sparte im Bereich Streaming liegt. Was haben alle Angebote gemein? Mit wenig finanziellen und organisatorischen Aufwand den Zugang zu vielen Videospielen. Grundlegend eine schöne neue Welt, wenn da nicht mein Thema mit dem für mich dadurch sinkenden Wert für Videospiele und dem Medium wäre.