Es ist so weit, die von Trends und Daten getriebenen Entscheidungen bei der Entwicklung von Videospielen haben 2018 starke Auswirkungen. Das deutlichste Anzeichen hierfür gab es kürzlich mit der Ankündigung des Shooters Call of Duty: Black Ops 4, dem fünfzehnten Teil der erfolgreichen Videospielserie und gleichzeitig der erste Teil, bei dem auf die Einzelspieler-Kampagne verzichtet wird. Das Entwicklungsstudio und der Publisher sprechen davon, dass die Entscheidung bewusst getroffen wurde um etwas Neues zu versuchen. Was man sich unter etwas Neuem vorstellen kann? Einen Modus namens Blackout, welcher der Mehrspieler-Spielart Battle Royal zuzuordnen ist. Eine Spielart die in den letzten Monaten mit den Titeln PlayerUnknown’s Battlegrounds und Fortnite enorme Popularität erlangt hat. Was eine neue populäre Mehrspieler-Spielart mit dem Wegfall der Einzelspieler-Kampagne zu tun hat? Daten haben gezeigt, dass nur sehr wenige Käufer der vorherigen Teile die Einzelspieler-Kampagne abgeschlossen haben und auch in der Gesamtperspektive nur wenige diese überhaupt gestartet haben. Wie man zu diesen Daten kommt? Durch die Hyperkonnektivität der aktuellen Videospielkonsolen.
Zwei Schritte zurück und zu einer sehr stark vereinfachten Erklärung wie ein Videospiel hinsichtlich Videospielmechaniken entsteht. Jemand hat eine Idee, diese wird besprochen, es entsteht ein Prototyp und es wird getestet, ob die Idee hinsichtlich Mechanik funktioniert und auch Spaß macht. Diese Idee kann neu, kann von anderen Videospielen übernommen sowie adaptiert oder auch eine Kombination mehrerer Mechaniken sein. Danach gilt es die Videospielwelt zu schaffen, in welcher die entwickelten Mechaniken eingebettet werden um am Ende eine unterhaltsame Videospielerfahrung zu haben. Zwischen den verschiedenen Schritten werden die Elemente intern ausprobiert, mit einem erweiterten Kreis an Personen getestet, Fokusgruppen herangezogen und am Ende unter Umständen Entscheidungen hinsichtlich Anpassungen getroffen. Das Resultat ist eine persönlich gewählte Mischung aus einer Idee und wie diese bei den unterschiedlichen Tests abgeschnitten hat.
Ein Schritt zurück und es wird bewusst, dass sich mit der Videospielkonsolengeneration der PlayStation 3, Xbox 360 und Wii vieles für die Videospielindustrie geändert hat. Durch den Sprung ins Zeitalter von optisch hochauflösenden Videospielen, dem Wachstums des gesamten Markts und den damit verbundenen Anforderungen der Käufer ist die Entwicklung von Videospiele teuer geworden, so richtig teuer. Höhere Entwicklungskosten bedeuten ein größeres Risiko, was bei der Entwicklung von Videospielen vermehrt zu einer eher konservativen Ausrichtung in der Entwicklung und bei der Entscheidungsfindung geführt hat. Hat bereits einmal funktioniert? Sehr gut, wird erneut gemacht. Die zuvor bereits erwähnte Call of Duty-Reihe oder auch die Videospiele der Marke Assassin’s Creed sind nur zwei prominente Beispiele hinsichtlich jahrelanger repetitiver Videospielmechaniken in einer immer leicht modifizierten optischen Hülle. Gleichzeitig brachten die Videospielkonsolen aber eine zweite wichtige Änderung, die dauerhafte Internetverbindung und damit einen Rückkanal für Informationen über die Nutzung der eigenen und auch anderer Videospiele sowie das Verhalten der Käufer.
Heute haben die Entwickler von Videospielen und die Publisher eine enorme Menge an Daten über das Verhalten der Käufer. Was wird gespielt, wie lange wird gespielt, welcher Zeitraum wird in welchem Abschnitt verbracht, welche Stellen sind schwierig, wodurch stirbt die Videospielfigur oder wie lange dauert es bis jemand frustriert den Controller zur Seite legt. Videospielekonsolen haben sich mit der PlayStation 4, Switch und Xbox One noch weiter in diese Richtung entwickelt und die Hyperkonnektivität ist zum Standard geworden. Im Prinzip sind alle aktuellen Videospielkonsolen dauerhaft online und somit ein verlässlicher Datenlieferant. Die Möglichkeiten diese Unmengen an Daten sinnvoll auszuwerten hat in den letzten Jahren ebenso deutliche Fortschritte gemacht und im Prinzip sind wir mittlerweile zum gläsernen Käufer mutiert.
Videospiele sind ein Geschäftsmodel und im Vergleich zu früher in der heutigen Zeit ein riskantes, aber im besten Fall auch ein sehr profitables Geschäftsmodel. Kombiniert man dies mit den Unmengen an Daten, versteht man weshalb zuvor gemischte Entscheidung bezüglich einer Idee und Tests immer stärker in Richtung einer datengetriebenen Entscheidung getroffen werden. Würde man im Falle von Call of Duty: Black Ops 4 die Käufer der früheren Teile bezüglich der Einzelspieler-Kampagne fragen, würde diese einen solchen unabhängig der eigenen Bevorzugung vermutlich zu großen Teilen begrüßen. Betrachtet man aber Nutzungszahlen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich, dann deutet das reale Interesse auf etwas anderes hin. Daraus ergibt sich eine einfache Rechnung: Werden die Entwicklungskosten der Einzelspieler-Kampagne durch die Menge an potentiellen Käufern getragen? Lautet die Antwort nein, dann macht es wirtschaftlich wenig Sinn einen solchen zu implementieren und genau dies scheint bei Call of Duty: Black Ops 4 passiert zu sein. Was mit enttäuschten Käufern die eine Einzelspieler-Kampagne gegenüber einer weiteren Mehrspieler-Spielart bevorzugen passiert? Absolut irrelevant aus Sicht der Daten des Geschäftsmodells.
Wirtschaftlich ist ein solches Vorgehen verständlich, jedoch stehe ich persönlich dieser Entwicklung skeptisch gegenüber. Die Stärkung der Gewichtung auf Seite der Daten hat nämlich auch eine Schattenseite, der noch stärkere Verzicht auf Experimente auf allen Ebenen, ein noch vorsichtigeres Implementieren oder Umsetzen neuer Ideen und das Verstärken als auch Wiederholen von derzeit beliebten Videospielmechaniken und oder Elementen. Der Grundgedanke: Was beliebt ist und gerne von Käufern gespielt wird, das wird auch in Zukunft von Käufern gerne gekauft. Das Resultat ist ähnlich einer Echokammer, in der jedoch im konkreten Fall immer wieder die gleichen Dinge, wenn überhaupt in maximal leicht modifizierter Form erneut vorkommen. Innovationen im Bereich Videospielmechaniken? Fehlanzeige wegen des zu hohen Risikos. Experimentelle Ansätze bei einem Titel? Nicht bei den Blockbuster-Titeln, denn am Ende greift der Käufer zu bekannten Inhalten anstelle eines Risikos einzugehen. Überraschungen? Kauft nur ein kleiner Prozentsatz aller möglichen Käufer. Kurz formuliert: Hallo aufgewärmter Einheitsbrei.
Der Bereich der Weiterentwicklung wird künftig aufgrund der von Daten getriebenen inhaltlichen Videospielentwicklung fast ausschließlich im Indie-Bereich stattfinden. Dieser Bereich entwickelt sich seit ein paar Jahren gefühlt gut und ist glücklicherweise auch immer prominenter auf Videospielkonsolen vertreten als in der Vergangenheit. Jedoch finde ich es schade, dass gerade dort künftig die inhaltliche Weiterentwicklung des Mediums Videospiele stattfinden soll. Nicht weil ich den unzähligen Entwicklern dies nicht zutraue, sondern weil ich diese dort aufgrund des persönlichen existenziellen Risikos der Entwickler nicht ausschließlich sehen möchte. Schade irgendwie, denn am Ende sollten Videospiele nicht nur ein von Daten getriebenes Geschäftsmodell, sondern ein für die Gesellschaft relevantes Medium darstellen. Ein Ausweg? Videospiele mit offensichtlich inhaltlicher Optimierung auf eine breite Masse an Käufern einfach mal nicht kaufen und stattdessen bei einem Titel aus dem Indie-Bereich zugreifen. Die Realität? Das Gegenteil. Schade irgendwie. Welcher Wert für den Verzicht auf die Einzelspieler-Kampagne in Call of Duty: Black Ops 4 erforderlich war? 22,4%. Dies ist der Prozentwert aller Käufer von Call of Duty: WWII auf der Xbox One, die bis heute die Einzelspieler-Kampagne abgeschlossen haben.