Jedes Mal, wenn man ein Videospiel startet, ist es im Prinzip eine Pause vom echten Leben. Ein kurzer Ausflug in virtuelle Welten um Abstand von der echten Welt zu bekommen. Ablenkung und Zerstreuung in einem, was als Zeitvertreib und auch als Ventil gesehen werden kann. Der Vorteil dabei ist, dass jeder durch die Auswahl unterschiedlichster Videospiele sowie der jederzeit möglichen Pause selbst seinen Grad des Ausbrechens aus der Realität steuern kann. Ebenso haben Videospiele den Vorteil, dass diese im Gegensatz zur Welt einfachen Regeln unterliegen und trotz steigender grafischer Möglichkeiten am Ende doch immer simpel sind. Egal wie packend die Geschichte inszeniert ist oder wie intensiv die Hersteller versuchen mit der Spielwelt die emotionale Ebene des Spielers zu erreichen, so wirklich in Erinnerung bleiben die Erfahrungen selten bis nie.
Und dann kam plötzlich Firewatch. Um ehrlich zu sein nicht plötzlich in Bezug auf die bereits fast ein Jahr zurückliegende Erstveröffentlichung, aber plötzlich in Hinblick auf die für mich unerwartete emotionale Achterbahnfahrt während der Handlung des Videospiels.
Der Spieler schlüpft in Firewatch in die Rolle von Henry, der im Jahr 1989 seinen Dienst als Feuerwächter in einem amerikanischen Nationalpark antritt. Wenige Tage nach dem Beginn des Wachdienstes von Henry passieren merkwürdige Dinge, welchen der Spieler zusammen mit Delilah, einer anderen Feuerwächterin und der Vorgesetzten von Henry, versucht aufzuklären. Diese inhaltliche Kurzbeschreibung erscheint zwar beim ersten Lesen erfrischend, ist aber wie bei vielen anderen Videospielen eine fast beliebig austauschbare Geschichtshülle für die Rahmenhandlung.
Es ist nicht die Rahmenhandlung die Firewatch ausmacht, es ist die Art und Weise wie diese auf perfid perfekte Art und Weise erzählt und indirekt inszeniert wird. Dies beginnt bereits am Anfang des Titels, konkret bei der Personalisierung von Henry. Ist man es als Spieler gewöhnt die optischen Aspekte der Hauptfigur zur besseren Selbstidentifizierung anzupassen, geht der Entwickler den unkonventionellen Weg der emotionalen Personalisierung. Konkret ist Henry das emotionale Resultat mehrerer Entscheidungsfragen, welche dem Spieler zu Beginn gestellt werden. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um klassische Entscheidungsfragen, sondern geht mit jeder Frage stärker in Richtung von Gretchenfragen. Durch diesen emotionalen Ansatz ist die Bindung des Spielers deutlich intensiver zur Hauptfigur, da man glaubt die Motivation des bisherigen Handels zu verstehen und sich gleichzeitig versucht konsequent zu den getroffenen Entscheidungen im weiteren Verlauf des Videospiels zu verhalten.
Verhalten bedeutet weniger agieren, sondern mehr reagieren. Spielmechanisch ist Firewatch einfach, beschäftigt den Spieler hingegen inhaltlich. Henry ist während der Handlung isoliert in einer unheimlich groß wirkenden Spielwelt und ist im Prinzip mit seiner Situation und sich selbst alleine gelassen. Die beiden einzigen dauerhaften Referenzpunkte sind der eigene Aussichtsturm als fixer Rückzugspunkt und die zuvor erwähnte Delilah. Diese jedoch nicht in greifbarer Form, sondern rein als Dialogpartner über ein Walkie-Talkie. Mal meldet sich Delilah proaktiv um Henry Anweisungen zu geben, mal meldet Henry über Funk eine gemachte Entdeckung und teilweise schweift der Funkverkehr inhaltlich zu den unterschiedlichsten persönlichen Themen ab. Klingt banal, ist es aber nicht. Die Dialoge und vom Spieler wählbaren Antworten sind im Gegensatz zu anderen Videospielen nicht einfach Füllmaterial zur kurzweiligen Unterhaltung, sondern bei Firewatch die Kombination aus dem Erzählen der Geschichte und dem Schaffen einer emotionalen Beziehung zwischen Henry und Delilah.
Je öfter ich die bisher geschriebenen Absätze lese, desto mehr wird mir klar, dass diese niedergeschrieben bei weitem nicht den Emotionen gerecht werden, die ich während des Spielens von Firewatch erlebte. Es wird mit Emotionen gespielt, welche durch getroffene Entscheidungen entstehen, Entscheidungen die man lieber nicht getroffen hätte. Weniger in Bezug auf die Antwort, sondern den Umstand, dass man aufgrund seiner entstandenen Bindung zu Henry und damit indirekt sich selbst, zu keinem Zeitpunkt mit solchen Entscheidungen konfrontiert sein möchte. Diese Problematik wird im Laufe des Spielverlaufs soweit auf die Spitze getrieben, dass ich bei etlichen Dialogen bewusst gelogen habe, mich dabei schlecht gefühlt habe und dies mehr als nur einmal später bereut habe. Es gab Momente in denen ich enttäuscht war oder wurde und es gab Momenten in denen ich wirklich Angst hatte. Angst vor der Spielwelt, Angst Delilah enttäuscht zu haben und auch Angst etwas falsch gemacht zu haben. Aber auch Glücksmomente wurden erlebt und schlussendlich das Gefühl der Erlösung am Ende der Geschichte. Der Begriff einer emotionalen Achterbahnfahrt trifft es ganz gut, im Gegensatz zu anderen Videospiele ist es bei Firewatch aber kein Synonym für den Versuch Emotionen zu erwecken, sondern die tatsächliche Leistung reale Gefühle beim Spieler zu erwecken.
Auch wenn es sich merkwürdig liest, aber neben den beschriebenen Emotionen hat mich Firewatch auch nach dem Abspann weiter beschäftigt. Die Bindung zur Hauptfigur Henry und die teilweise vorhandene Spiegelung der eigenen Persönlichkeit wurde mir erst im Nachhinein so wirklich bewusst. Stellte ich mir Anfangs die Frage wie ich selbst in solchen Situationen handeln würde, wurde mir klar, dass sich weniger die Frage nach dem wie stellt, sondern ob ich am Ende mit meiner Reaktion zufrieden sein würde und damit leben kann. Rückblickend auf die getroffenen Entscheidungen in Firewatch würde ich die Frage meistens positiv beantworten, habe aber auch Angst vor den anderen Fällen.
Gespielt wurde die Xbox One Version von Firewatch. Das Videospiel aus dem Hause Campo Santo ist seit fast einem Jahr verfügbar und als Download für den PC auf gog.com sowie Steam, die PlayStation 4 und Xbox One für etwa 20 Euro erhältlich. Weitere Informationen inklusive Screenshots der hübschen Spielwelt findet man unter firewatchgame.com. Einen ausgezeichneten atmosphärischen Eindruck vermittelt der September 2016 Trailer auf YouTube.