Nintendo’s Switch Strategy

Immer wenn ich mit jemanden über den wirtschaftlichen Erfolg von Videospielkonsolen spreche, wird das Gespräch stark von der PlayStation und oder Xbox als treibende Plattformen der letzten Jahre dominiert. Verrückt eigentlich, denn betrachtet man die Verkaufszahlen der Hardware in der siebten Videospielkonsolengeneration, stellt man fest, dass die Wii mit über 100 Millionen abgesetzten Einheiten um etwa 15 Millionen Stück mehr verkauft hat als jeweils die beiden anderen Plattformhersteller. Mit der Wii U versuchte Nintendo die bei der Wii zumindest für die Hardware erfolgreiche Strategie fortzusetzen, scheitert aber aus heutiger Sicht im direkten Vergleich zur Xbox One und viel mehr zur PlayStation 4 mit nur knapp 13 Millionen verkauften Einheiten massiv. Fans des Herstellers sind der Meinung ein abwechselndes Muster zwischen Erfolg als auch Misserfolg zu erkennen und bauen ihre Hoffnung auf die seit Monaten existierenden Gerüchte zur nächsten Videospielkonsole aus dem Hause Nintendo. Vor wenigen Tagen veröffentlichte der japanische Plattformhersteller dann endlich ein hübsches Imagevideo um die Vision der eigenen Zukunft in Form der im März 2017 erscheinenden Nintendo Switch zu zeigen.

Nintendo's Switch Strategy - Logo

Die Menge an handfesten Informationen zur Nintendo Switch ist noch minimalistisch und dies wird sich laut Nintendo auch bis Anfang 2017 nicht ändern. Dennoch erkennt man im direkten Vergleich mit den beiden vorhergehenden Generationen deutliche Unterschiede im gesamtstrategischen Ansatz, die meiner Ansicht nach andeuten, dass der massive Erfolg der Wii und das massive Scheitern der Wii U gleichermaßen unerwartet waren. Zusammengefasst lassen sich die beiden letzten stationären Videospielkonsolen von Nintendo als mutig innovativ und getrieben durch zumindest eine einzigartige Funktion beschreiben. Anstelle rein die Leistungsdaten zulasten der Produktionskosten nach oben zu schrauben, war der Ansatz das Schaffen neuer Videospielerfahrungen mit günstiger Technologie.

Bei der Wii war es das Thema Bewegungssteuerung, welches zum damaligen Zeitpunkt technologisch betrachtet nicht neu oder bahnbrechend war, jedoch von Nintendo so perfekt umgesetzt wurde, dass die einhergehenden Limitierungen nicht relevant schienen. Ein Videospielcontroller stellt für viele Zielgruppen ein äußerst komplexes und auch ein neues Eingabegerät dar. Die bei der Wii genutzte Wii Remote in Form einer Fernbedienung war hingegen jedem vertraut. Das Betätigen der Tasten wurde zu großen Teilen durch Bewegungsmuster ersetzt und damit der abstrakte Aspekt des Videospielcontrollers fast vollkommen entfernt.

Die Wii U setzte dieses Konzept fort und ergänzte am Gamepad einen großen Bildschirm, welcher mittels Touchscreen zur Eingabe genutzt wurde. Dadurch war zwar das Gesamtkonzept im Vergleich zur Wii wieder etwas abstrakter und komplexer, jedoch vertraute Nintendo darauf, dass der Touchscreen und die Bedienung durch die enorme Verbreitung von Smartphones und Tablets als ähnlich normal angesehen wird wie damals die Bewegungssteuerung bei der Wii.

Ein grundlegend nicht so falscher Ansatz, jedoch scheiterten in Wirklichkeit beide Videospielkonsolen im Gesamtblick auf den Markt für Videospiele. Die Hardware der Wii verkaufte sich aufgrund des neuartigen Konzeptes zwar unheimlich gut, jedoch kauften die wenigsten Kunden im späteren Verlauf Videospiele. Nintendo scheiterte daran der neuen Zielgruppe das Konzept von Videospielkonsolen zu erklären oder soweit schmackhaft zu machen, dass für viele das der Wii beigelegte Wii Sports zu einem Synonym für die Videospielkonsole wurde. Genau dieses fehlende Verständnis setze sich bei der Wii U fort, da Käufer des Vorgängers wenig Grund sahen zu wechseln und auch meist das Konzept der Wii U nicht verstanden. Ist es eine neue Videospielkonsole oder ist es nur ein neues Eingabegerät? Warum möchte man Tennis oder Bowling mit einem so großen Gamepad inklusive Bildschirm spielen? Fragen über Fragen, die Nintendo nicht für die breite Masse der Wii-Kunden beantworten konnte.

Der strategische Ansatz als bewusstes Unterscheidungsmerkmal zur PlayStation und Xbox hatte jedoch zusätzlich einen massiven Nachteil, da der Portierungsaufwand der Dritthersteller für die Wii deutlich höher als zwischen den beiden anderen Plattformen war. Zum einen aufgrund der deutlich schwächeren Leistung des Geräts, jedoch viel stärker durch den Fokus auf die Bewegungssteuerung sowie bei der Wii U für den zweiten Bildschirm am Gamepad. Diese Aufwände wären eigentlich aufgrund der enormen Basis an verkauften Videospielkonsolen vertretbar gewesen, jedoch wurde relativ früh das zuvor bereits erwähnte fehlende Interesse der Kunden an Videospielen tragend. Egal wie gut oder schlecht ein Videospiel auch angepasst wurde, die Anzahl der verkauften Stückzahlen für die Wii war im direkten Vergleich zur PlayStation 3 oder Xbox 360 äußerst gering. Geringe Verkaufszahlen führen zu schlechten Portierungen oder einfach keinen Portierungen mehr. Für den Teil der Kunden mit fehlendem Verständnis für das Konzept einer Videospielkonsole nicht relevant, für den anderen Teil zermürbend. Wirtschaftlich betrachtet ebenso schwierig, da man zwar zahlungsbereite Kunden hat, jedoch niemanden der qualitativ guten Inhalte produziert. Ein Problem welches so massiv mit der Wii verbunden wurde, dass für viele dieselbe Problematik auch bei der Wii U vorhersehbar war und dadurch schlichtweg die Videospielkonsole nicht gekauft wurde. Wenig verkaufte Videospielkonsolen bei gleichzeitig ebenso erhöhten Portierungsaufwand erzeugten bei der Wii U eine Ausgangssituation, die noch schlechter als bei der Wii war und die wirtschaftliche Todesspirale für die Videospielkonsolen mit dem Begriff Wii im Namen setze sich fort.

Die Nintendo Switch soll es richten und legt aufgrund des schlechten Images bereits den seit zwei Generationen genutzten Namen ab. Gleichzeitig scheint Nintendo zwar den Gedanken der einzigartigen Funktion in Form eines Tablets inklusive zugehöriger Basisstation zur Nutzung am Fernseher beizubehalten, jedoch bestimmt diese Funktion nicht mehr die Art wie wir spielen, sondern stärker wie und wo wir Videospiele konsumieren. Der kleine Unterschied ist durchaus relevant, da dieser Aspekt einen deutlichen Unterschied im Bereich des Portierungsaufwands zwischen den aktuell am Markt vorhandenen Plattformen darstellt. Es scheint fast so, als ob Nintendo wieder etwas zurück zum Konzept des kleinsten gemeinsamen Nenners geht, um die eigene Plattform für Dritthersteller durch geringere Portierungsaufwände und -kosten attraktiver zu machen. Es ist zwar zu bezweifeln, ob diese Maßnahmen ausreicht um exklusive Drittinhalte auf die Nintendo Switch zu bringen, jedoch hat hier Nintendo im Vergleich zu den beiden anderen Videospielkonsolenherstellern ein dermaßen starkes eigenes Portfolio, dass dieser Aspekt schlichtweg als irrelevant betrachtet werden kann. Exklusive Inhalte aus dem eigenen Haus und ein breites Videospielangebot von Drittherstellern soll die Basis der Nintendo Switch werden, eine massive und auch erforderliche Änderung im Vergleich zur Ist-Situation der Wii U.

Diesen Fokus sieht man auch an den im Imagevideo gezeigten Inhalten wie Skyrim oder der NBA 2K Reihe. Ebenso wurde der direkte Support der Unreal Engine 4 und von Unity für die Nintendo Switch bestätigt, wodurch grundlegend die Portierung vieler Videospiele um ein deutliches einfacher sein sollte als in der Vergangenheit. Was jedoch am Papier so schön klingt, könnte aufgrund des gewählten Ansatzes in Form eines relativ kompakten Tablets als Videospielkonsole wiederum mit deutlichen technischen Limitierungen verbunden sein. Von den Leistungsdaten scheint die Nintendo Switch zwischen der Wii U und der PlayStation 4 zu liegen, was zwar okay klingt, aber in Anbetracht der baldigen Veröffentlichung der PlayStation 4 Pro und der für Ende 2017 angekündigten Project Scorpio für die Xbox-Plattform das unterste Leistungsspektrum darstellt. Bedeutet konkret, dass Videospiele ab 2017 stetig leistungshungriger werden, wodurch die Nintendo Switch relativ früh im eigenen Lebenszyklus an Leistungsgrenze stoßen könnte und oder bei Portierungen deutliche Leistungsabstriche in Kauf genommen werden müssen.

Ein weiterer Aspekt ist die mit keinem Wort oder Bild erwähnte oder angedeutete Online-Strategie von Nintendo. Microsoft dominiert mit Xbox Live den digitalen Vertrieb und die Vernetzung der Videospielkonsolen seit der Xbox 360, Sony hat mit dem PlayStation Network seit der PlayStation 4 deutlich aufgeholt und Nintendo ist hier gefühlt noch immer zumindest ein Jahrzehnt hinten. Bei der Nintendo Switch scheint der japanische Hersteller im Gegensatz zu den beiden anderen Plattformbetreibern erneut stark auf den physischen Einzelhandel zu setzen und wird Videospiele auf proprietären Speicherkarten erzwingen. Technologisch erforderlich um nicht unnötig Energie für das Lesen eines optischen Mediums zu verschwenden und gleichzeitig ein Weg um digitale Medien durch physische Adaptierung vor unberechtigten Kopien zu schützen. Diese physische Adaptierung ist jedoch gleichzeitig aufgrund der relativ sicher nicht verfügbaren Leermedien eine Blockade für den digitalen Vertrieb, der zwar heute im Bereich der Videospielkonsolen noch überschaubar ist, jedoch im Gegensatz zum physischen Handel deutlich höhere Margen abwirft und in den nächsten fünf Jahren eine hohe Akzeptanz bei Endkunden erreichen wird. Microsoft und Sony haben dafür seit Jahren von den Hardwaregenerationen losgelöste Systeme geschaffen, bei Nintendo kauft man seit jeher digitale Inhalte immer und immer und immer wieder. So sehr ich mir auch eine sinnvolle Strategie wünsche, so unrealistisch scheint diese aufgrund der in der Vergangenheit gewählten Ansätze von Nintendo sein.

Wird die Nintendo Switch erfolgreich sein? Ähnlich schwierig vorherzusehen wie damals der Erfolg der Wii. Das Konzept einer Videospielkonsole in Form eines Tablets, welches mobil und zu Hause stationär in einer Basisstation genutzt werden kann, klingt aber durchaus reizvoll. Der modulare Ansatz von unterschiedlich nutzbaren und kombinierbaren Controllern ist interessant und bietet auch unheimlich großes Potential im wirtschaftlich lukrativen Zubehörmarkt. Problematischer sieht es in Hinblick auf die vermutlich geringen Leistungsdaten aus, die im Lebenszyklus der Videospielkonsole wiederholt zu einem reduzierten Angebot an Inhalten von Drittherstellern führen könnte und natürlich das Risiko einer schlichtweg schlechten oder fehlenden Onlinekomponente. Nintendo wählt bei der Nintendo Switch einen deutlich für den Markt kompatiblere Ansatz als bei den letzten beiden Videospielkonsolen, die Frage wird aber sein, ob die Strategie weit genug geht oder ob die Unterschiede im Endeffekt weiterhin zu groß sind um erfolgreich vom erforderlichen Einheitsbrei von Videospielen profitieren zu können.

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