Auf der E3 2015 wurde im Rahmen des Xbox Media Briefings die Abwärtskompatibilität der Xbox One angekündigt. Der offizielle Start ist für Herbst geplant, wobei parallel zur Ankündigung der Zugriff auf einige Xbox 360 Spiele für Xbox Preview Mitglieder bereits freigegeben wurde und bis Ende des Jahres die Zahl der Spiele zumindest den dreistelligen Bereich erreichen soll. Technisch super spannend sowie aufwändig, von der Handhabung relativ einfach: Kompatible digital gekaufte Titel erscheinen automatisch in der Spielebibliothek und Spiele auf Disk werden nach dem Einlegen heruntergeladen und durch den eingelegten Datenträger quasi freigeschaltet. Klingt super, aber welchen Sinn hat es tatsächlich zwei Jahre nach dem Start einer Konsole diese abwärtskompatibel zu machen?
Beginnen wir etwas allgemeiner: Was ist der Sinn von Abwärtskompatibilität aus Sicht eines Konsolenherstellers? Aus wirtschaftlichen Gründen lautet die Antwort nicht, dass man es Kunden ermöglichen möchte bereits gekaufte Spiele auf der neuen Plattform zu spielen. Viel mehr ist die Motivation das Verschleiern der eher eingeschränkten Auswahl an Spielen zum Start einer neuen Konsole. Aufgrund des überschneidenden Produktionszyklus von Spielen und der noch nicht finalisierten Konsole ist vor dem Start alles etwas schwammig. Gepaart mit einem harten Veröffentlichungstermin und einiger zusätzlicher Faktoren ist es schwierig, ein soweit es geht optimiertes Spiel zu veröffentlichen und fast unmöglich mit einer großen Anzahl an Spielen diverser Genres zu starten. Durch die Möglichkeit bestehende Titel der Vorgängergeneration zu spielen, wird diese Lücke kompensiert und gleichzeitig versucht eine hohe Anzahl an Kunden zum raschen Konsolenwechsel zu motivieren.
Dieser schnelle Wechsel ist der primäre wirtschaftlich treibende Faktor, da sich das Thema Abwärtskompatibilität erfahrungsgemäß auch relativ schnell abnutzt und in der Vergangenheit oft nur noch als Alibi-Verkaufsargument diente. Nach etwa 18 Monaten ist im Regelfall die Anzahl der verfügbaren Spiele für neue Konsolen so divers, dass es für die breite Masse eigentlich keinen Grund mehr gibt alte Spiele zu spielen. Neue Konzepte finden sich nur in neuen Titeln, der spielende Freundeskreis ist auch schon zum größten Teil gewechselt und irgendwann ist man die alte Grafik im Vergleich mit neuen Spielen auch leid. So sehr ich mich als Original Xbox Besitzer über die Abwärtskompatibilität der Xbox 360 gefreut habe, so wenig habe ich diese tatsächlich benutzt und war vermutlich nicht der einzige dem es so gegangen ist.
Aber zurück zur ursprünglichen Frage, denn welchen Sinn hat es für Microsoft zwei Jahre nach dem Start der Xbox One diese abwärtskompatibel mit der Xbox 360 zu machen? Eine konkrete Antwort ist schwierig, vielmehr ist es die Kombination aus Kundenzufriedenheit, Konditionierung des Kunden und dem Faktor, dass die generelle Ausgangssituation anders als in der Vergangenheit ist.
In der Vergangenheit stellte jede neue Konsolengeneration einen deutlichen unsichtbaren technologischen und sichtbaren grafischen Sprung dar. Die gefühlte massivste Weiterentwicklung des Mediums stellt aus heutiger Sicht jedoch die letzte Konsolengeneration dar. Die PlayStation 3 und Xbox 360 bildeten den Start in das HD-Zeitalter und veränderten mit den integrierten Onlineplattformen das Medium und die gesamte Branche nachhaltig. Im Vergleich dazu stellen die aktuellen Konsolen nur eine sinnvolle als auch erforderliche Evolution der letzten Generation dar und das offensichtliche Unterscheidungsmerkmal wie bei früheren Generationssprüngen fehlt teilweise. Die Vernetzung ist quasi ident und die optische Qualität von PlayStation 3 oder Xbox 360 Spielen ist heute oftmals noch immer mehr als ausreichend.
Aber zurück zum konkreten Thema, dem Thema der Xbox One Abwärtskompatibilität. Durch die starke Ähnlichkeit im Bereich der mittlerweile erwarteten Basisfunktionen wirken Xbox 360 Spiele auch im Jahr 2015 nicht wirklich alt. Unkomplizierte Mehrspielerrunden via Xbox Live und mit anderen Spielern via Xbox Live Partychat reden? Gab es schon bei der Xbox 360 und funktioniert heute genau so. Grafik Upgrade und Auflösung nachträglich hochrechnen? Nicht erforderlich. Bei Download-Spielen die im Xbox Live Arcade Marktplatz veröffentlicht wurden sowieso nicht, denn der dort oft verwendete stilisierte Grafik-Stil altert im Gegensatz zu fotorealistischer Grafik deutlich langsamer bis gar nicht.
Und dann ist da noch das Thema Kundenzufriedenheit. Microsoft startete mit dem Xbox Live Arcade Marktplatz auf der Xbox 360 als erster Konsolenhersteller einen funktionierenden rein digitalen Vertrieb von Spielen. Primär gebunden an den Microsoft Account des Käufers sammelten sich rasch einige Download-Spiele auf der Festplatte der Konsole. Durch die Bindung an die Person veränderte sich jedoch das Thema Wiederverkauf. Im Gegensatz zu Spielen auf Datenträgern können digital erworbene Spiele weder einzeln noch mit der Konsole wiederverkauft oder verschenkt werden. Hat man nun um hunderte Euro digital eingekauft, ging man beim Konsolenwechsel leer aus. Durch die Möglichkeit die zuvor bereits gekauften Spiele auch auf der Xbox One abzuspielen, gewinnt Microsoft massiv moralische gegenüber den Kunden. Das zuvor investierte Geld landet nicht im digitalen Nirwana und die bereits gekauften Spiele tauchen wie von magischer Hand und ohne Schmerzen einfach in der eigenen Spielebibliothek auf.
Diese unkomplizierte und kundenfreundliche Handhabung hat noch einen weiteren Vorteil für Microsoft, da es indirekt zur Konditionierung der Kunden dient. Der heilige wirtschaftliche Gral in der aktuellen Konsolengeneration ist das Thema des digitalen Vertriebs. Jeder Plattformanbieter versucht die Kunden in Richtung des eigenen digitalen Marktplatzes zu drängen und möglichst alle Einkäufe dort abzuwickeln. Derzeit schwierig, da sich weder Microsoft noch Sony traut die Preise des Einzelhandels zu unterbieten, da dadurch die Vertriebsplattform für die Hardware durch den in Österreich noch immer mächtigen stationären Handel bewusst geschwächt oder gar sabotiert werden könnte. Andere Maßnahmen wie digitale Bundles, das Vorabladen der Spieldaten oder gar frühzeitiger Zugriff sind gute Ansätze, schaffen es aber nicht das Preisthema zu kompensieren. Durch die Xbox One Abwärtskompatibilität hat Microsoft nun aber einen optimalen Nutzungsfall für den digitalen Vertrieb gefunden und spielt die Vorzüge auch aus. Kunden des digitalen Marktplatzes auf der Xbox 360 werden nämlich nicht bestraft, sondern freuen sich die in der Vergangenheit gekauften Spiele auf der Xbox One vorzufinden. Keine Webseite besuchen, keine Daten irgendwo eingeben, keine Deppensteuer um bereits gekaufte Spiele erneut freizuschalten und auch nicht mit Datenträger jonglieren. Was lernt der Kunde daraus? Digital erworbene Spiele können und haben durchaus Vorteil und seien es im schlechtesten Fall einfach Komfortvorteile.
Also welchen Sinn hat es tatsächlich zwei Jahre nach dem Start einer Konsole diese abwärtskompatibel zu machen? Kunden bekommen ohne Aufwand und problemlos Zugriff auf bereits gekaufte Spiele, die aufgrund einer doch vorhandenen Ähnlichkeit zwischen Xbox 360 und Xbox One auch im Jahr 2015 noch unheimlich viel Spaß machen und dazu optisch noch frisch wirken. Es geht dabei viel weniger um die großen Blockbuster-Produktionen, sondern viel mehr um die Spielperlen aus dem Xbox Live Arcade Marktplatz. Für Microsoft ist es auch ein weiterer Schritt den Kunden ehrlich auf Augenhöhe zu begegnen und im direkten Vergleich mit Marktbegleitern den Beweis zu liefern, dass es auch anders geht und dabei gleichzeitig ein funktionierendes sinnvolles Beispiel für die Vorteile des digitalen Vertriebs zu liefern.
Die Xbox One Abwärtskompatibilität für Xbox 360 Spiele ist momentan für Xbox Preview Mitglieder freigeschaltet und startet im Herbst für alle Xbox One Kunden. Bis Ende des Jahres sollten laut Microsoft mehr als 100 Xbox 360 Spiele auf der Xbox One funktionieren. Weitere Details dazu gibt es in der Ankündigung unter news.xbox.com sowie in der FAQ unter www.xbox.com. Abgesehen von der Tatsache, dass es jeder Titel in einem Softwareemulator gestartet wird, sind technischen Details zur genutzten Softwarelösung leider (noch) nicht bekannt.