Als vor etwa einem halben Jahr die erste Vienna Comic Con, kurz VIECC, angekündigt wurde, stellte die Reed Messe Wien in Zusammenarbeit mit der ReedPOP nicht weniger als die ultimative Fan-Erfahrung in Aussicht. Ziel war es das Beste der Popkultur nach Wien zu bringen und gemeinsam sollte an einem Wochenende die Welt der Comics, Filme, TV-Serien, Animes, Mangas und Computerspiele gefeiert werden. Eine hohe Erwartungshaltung und am Papier theoretisch auch möglich, steckt der involvierte Partner ReedPOP doch auch hinter erfolgreichen und von Fans getriebenen Popkultur-Veranstaltungen wie der New York Comic Con, C2E2 Chicago Comic & Entertainment Expo und der bei uns weniger bekannten Penny Arcade Expo. Ende November war es soweit und mit der ersten Vienna Comic Con haben die Veranstalter es tatsächlich geschafft eine Messe vom Konzept her fast exakt gleich zu den großen Vorbildern aus den USA nach Österreich zu holen. Einzig die hohe Erwartungshaltung konnte erwartungsgemäß nicht erfüllt werden. Warum? Weil Österreich nicht mit dem Messekonzept einer Fan-Convention vertraut ist, der österreichische Messebesucher es nicht gewöhnt ist für eine Messe Eintritt zu zahlen um dort erneut primär Geld ausgeben zu können, es uns schwer fällt den Funken Wahrheit aus Hype-getriebenen Werbekampagnen zu erkennen und Österreichern die grundlegende Skepsis sowie das notorische Raunzen angeboren ist.
Trifft sich gut, dass ich Österreicher bin und noch besser, dass ich mich seit Jahren mit dem Medium Videospiele beschäftige. Viele Jahre auf Messen wie der Game City im Wiener Rathaus, der gamescom in Köln, der Games Convention in Leipzig oder der E3 in Los Angeles haben in Kombination mit diversen Einladungen der Videospielindustrie zu einem geführt, einer gewissen Erwartungshaltung an Veranstaltungen im Umfeld der Unterhaltungsindustrie.
Aber kürzen wir das allgemeine Blabla ab und raunzen in gewohnter Tradition einfach los: Die Vienna Comic Con war teuer, zu klein und konnte inhaltlich die Erwartungshaltung nicht erfüllen. Fast 50 Euro kostete das Wochenendticket um im Endeffekt zu überteuerten Preisen diverse Merchandise-Artikel in der kleinsten Halle der Messe Wien zu kaufen oder bei manchen eher sinnfreien Messeständen vorbeizulaufen. Etliche Aussteller aus dem Comic-, Videospiel-, Film- und Fernsehumfeld blieben der Veranstaltung fern und der freie Hallenplatz wurde mit teils merkwürdigen Konzepten gefüllt. Die 7 ½ Entertainment Gäste waren überschaubar, erreichten für die breite Masse nicht mal den B-Promi Status und Fotos sowie Autogramme gab es nur im Austausch weiterer Euro Scheine. Ein paar Comic Gästen in einer eher lieblos wirkenden Artist Alley und fehlplatziert wirkende YouTuber als Gaming Gäste ergänzten das Gesamtbild. Programminhalte auf der Main Stage litten oftmals unter dem zwar perfekt Englisch sprechenden aber gefühlt schlecht vorbereiteten Moderator und zur örtlich fehlplatzierten Panel Stage enthalte ich mich diplomatisch. Ankündigungen oder Neuigkeiten gab es nicht und das gesamte Konstrukt fühlte sich stark nach einer extrem kommerzialisierten Verkaufsmesse mit überschaubaren Inhalten an.
Super harte Worte, die zwar emotionslos der Wahrheit entsprechen, jedoch auf einer falschen Erwartungshaltung sowie einer komplett überzogenen Vergleichsbasis beruhen. Auch wenn sich der letzte Absatz so liest als wäre die Vienna Comic Con ein Versagen auf kompletter Linie gewesen, war es genau das Gegenteil, nämlich eine für mich gute Veranstaltung mit Startschwierigkeiten. Der Weg zur richtigen Perspektive? Das österreichische Granteln und Sudern einfach mal weglassen, bereit für neue Erfahrungen sein, die für die Videospiel-Presse gewohnten aber unnötig übertrieb inszenierten Veranstaltungen nicht als Referenz sehen und den Kern der Veranstaltung verstehen. Auch wenn die Vienna Comic Con eine stark kommerzialisierte Messe ist, ist es in Wahrheit ein tempoärer Ort um mit Gleichgesinnten die eigenen Interessen zu feieren. Einfach ein Wochenende lang den eigenen Fanboyism ausleben.
Die Vienna Comic Con ist keine klassische Publikumsmesse, sondern eine Fan-Convention. Soll bedeutet, dass im Gegensatz zum gewohnten Messebild die Veranstaltung nicht primär von den Ausstellern getragen wird, sondern viel stärker von den Besuchern und dem was diese daraus machen. Und genau hier konnte die Auftaktsveranstaltung für mich persönlich überraschend auf voller Linie punkten. Egal ob man mit den unzähligen Cosplayer, Leuten an den Verkaufs-Messeständen oder Besuchern in der Warteschlange der Main Stage gesprochen hat, die Stimmungslage war durchgehend positiv und die Besucher für österreichische Verhältnisse mehr als offen und gesprächsbereit. Alle (und damit meine ich tatsächlich alle) Besucher mit denen ich gesprochen habe, waren von der Messe begeistert und gut drauf. Diese Freude und Euphorie war vor Ort ansteckend und schneller als man es erwartet, diskutiert man beim Mittagessen mit Fremden über den anstehenden Star Wars Film, tauscht sich während des Wartens über kommende Videospiele aus oder grinst innerlich wenn man Wortfetzen zu den unterschiedlichsten Fantheorie zum Ende von Game of Thrones im Vorbeigehen hört.
Und die Kritikpunkte? Rücken mit dem richtigen Fokus in den Hintergrund. Zu wenig Entertainment Gäste und Fotos mit diesen kosten etwa 20 Euro? Absolut egal, denn die unendlich vielen Cosplayer freuen sich über gemeinsame Fotos und die Reed Messe Wien wird aufgrund der Nachfrage die richtigen Schlüsse für das nächste Jahr ziehen. Die Artist Alley wirkt lieblos? Leider ja, aber die Künstler dort sind es nicht. Wenn man sich aus der eigenen Komfortzone bewegt und ein Gespräch beginnt, dann sind die Chancen hoch etwas neues kennen zu lernen. YouTuber als Gaming Gäste? Zum Glück schau ich keine Let’s Play Videos, hatte aber unheimlich viel Spaß im Assassin’s Creed Bereich um dort vom Leap of Faith-Sprungturm aus 13 Meter Höhe in die Tiefe zu springen, beim Nintendo Turnier trotz effektiven Trash-Talking zu verlieren und mit den netten Mitarbeitern bei Ubisoft zu blödeln. Der Moderator auf der Main Stage stellt die falschen Fragen? Leider ja, jedoch ist nicht jeder so tief in einem Thema wie man selbst und wenn man eine Frage hatte, dann konnte man diese in den letzten 15 Minuten jedes Panels selbst stellen.
Jetzt stellt sich aber noch die klassisch österreichische Frage: Wo war denn dann die Leistung, die Leistung der Veranstalter? 50 Euro Eintritt, diverse Zusatzkosten und dann beruht der Großteil auf den Besuchern und einem selbst? In der Tat, aber die Reed Messe Vienna und ReedPOP trugen einen entscheidenen Teil dazu bei, denn erzeugten sie das passende Umfeld und die Basis für diese für den subjektiven Erfolg erforderliche Stimmung. Damit ist jetzt nicht die teils durchaus kritikfähige und vielleicht sogar etwas irreführende Hype-Werbekampagne im Vorfeld der Messe gemeint. Viel mehr ist es der tatsächlich gelebte Community Gedanken in Form von Platz für Fangruppen wie dem überraschend grandiosen 501st Legion Austrian Garrison Star Wars Fanclub und den gefühlt 423 Mitarbeitern in neongrünen und hellpinken T-Shirts. Kaum ein Zeitpunkt verging, ohne dass einer dieser Mitarbeiter nicht in Rufreichweite war und egal was das Team jeden Morgen zum Frühstück bekommen hat, ich möchte es auch haben. Immer in ausreichender Anzahl verfügbar, immer gut drauf, immer ein Lächeln auf den Lippen, immer zu einem Scherz aufgelegt und bei Fragen auch noch mit qualifizierten und richtig Antwort zur Stelle. Probleme gab es nicht, es gab nur Lösungen. Das klingt nach etwas eigentlich selbstverständlichen, ist es aber nicht. Und genau solche nicht selbstverständliche Dinge waren die Leistung der Veranstalter, eine Leistung die schwierig wahrzunehmen ist, viel zu selten dann wahrgenommen wird und noch seltener auch wertgeschätzt wird.
Zwei komplett unterschiedliche Ansätze die erste Vienna Comic Con zu beurteilen. Entweder man sieht alles negativ und lässt sich ein Wochenende runterziehen oder blickt mit einer anderen Erwartungshaltung durch die leicht rosarote Brille auf eine Fan-Convention um sich selbst, die eigenen Interessen und den eigenen Fanboyism zu feiern. Die neutrale Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und solange ich persönlich Spaß daran habe, ist es mir eigentlich egal wie diese nüchterne Wahrheit tatsächlich aussieht. Unqualifiziert raunzen kann jeder, qualifiziert Spaß haben nur wenige und eine besser Veranstaltung dieser Größenordnung auf die Beine zu stellen fast niemand. Bis zum nächsten Jahr oder um es mit den passenden Worten einer gewissen Frau Swift zu sagen: ‚Cause the players gonna play, play, play, play, play. And the haters gonna hate, hate, hate, hate, hate. I’m just gonna shake, shake, shake, shake, shake.
Messe klingt zwangläufig nach Fotos? In der Tat und eine kleine Auswahl hat es wie üblich in ein Flickr Album geschafft. Fotos und Statusupdates in Echtzeit? Gibt es manchmal. Im Regelfall auf Twitter und Instagram. Dort sieht man dann zum Beispiel die Halle D von oben, Bilder des Breaking Bad Panels, mich meinen Fanboyism ausleben oder erfährt spannende Details zu meiner fast schon lebensgefährlichen Anreise nach Wien. Einmal selber die VIECC besuchen? Ein Termin für 2016 wurde mit 19. und 20. November 2016 bereits fixiert und weitere Information gibt es unter www.viecc.com.
Ein Kommentar zu „VIECC Vienna Comic Con 2015“
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