Leicht hippelig und gespannt sitze ich auf einem Stuhl in einer Lagerhalle im Berliner Westhafen. Auf den Plätzen vor, hinter und neben mir herrscht geschäftiges Treiben. Gepaart mit einem Countdown auf der Bühne und begleitet von pulsierender Musik im Hintergrund stellen sich mir bereits bekannte Fragen: Was mache ich hier? Warum balanciere ich kein Notebook auf meinen Oberschenkeln? Weswegen laufe ich nicht mit meiner DLSR-Kamera herum? Ich fühle mich plötzlich unwohl und fehl am Platz, weil ich anscheinend die unproduktivste Person bei diesem Press Briefing bin. Alle machen Fotos, alle tippen wie wild auf allen möglichen Geräten herum und ich habe mich zwischenzeitlich nur über die fünf Selfie-Sticks in meinem näheren Umfeld amüsiert. Je näher die Zahl auf der Bühne in Richtung Null geht, desto mehr erinnere ich mich an meine früheren Erfahrungen bei Press Briefings. Egal ob im Rahmen der E3 in Los Angeles, der gamescom in Köln oder beim gemeinsames Ansehen eines Livestreams in Wien, irgendwie fühle ich mich bei solchen Veranstaltungen oft fehl am Platz. Ich habe keine Newsseite die Textschnipsel aus Pressemeldungen veröffentlicht, ich habe nicht mehr das Bedürfnis unter den Ersten von Vielen zu sein und ich möchte auch primär über Themen schreiben, die mich auch wirklich interessieren. Die Hintergrundmusik hat sich während der letzten Sekunden des Countdowns als energischer Beat in den Vordergrund gedrängt und meine Aufmerksamkeit ist wieder auf die Bühne in der Lagerhalle im Berliner Westhafen gerichtet. Drei, zwei, eins und das Gigaset Press Briefing startet …
Es ist ein Abend Anfang September 2015, ein Abend an dem es nicht um ein neues Videospiel oder eine Videospielkonsole geht, es geht um ein Android-Smartphone. Konkret um das erste Android-Smartphone von Gigaset, das Gigaset ME. Der typische Ablauf eines solchen Press Briefings lässt sich leicht beschreiben. Die einleitende Geschichte dient als Weg zum Produkt und gleichzeitig als Basis um theoretische Alleinstellungsmerkmale gegenüber Marktmitbegleitern zu stärken. Gefolgt von technischen Daten sowie einer Vision werden die einzelnen Abschnitte kurz durch Videos mit glücklichen Menschen in perfekten Umgebungen unterbrochen. Egal ob man eine Videospielkonsole, eine technologisierte Schlafsensormatte oder ein Smartphone verkaufen möchte, der Ablauf für solche Produktvorstellungen ist seit Jahren unverändert: einleitende Geschichte, Fakten, Emotionen und Visionen.
Zwischen der Vorstellung der drei Gigaset ME Modelle und diesem Beitrag sind ein paar Wochen verstrichen und je länger ich mit einem Beitrag warte, desto häufiger stelle ich mir die Gretchenfrage: Wäre es nicht einfacher einen zeitnahen nüchternen sowie von Zahlen getriebenen Beitrag zu schreiben oder favorisiere ich einen späteren und teils emotionalen Beitrag? Nach etwas mehr als 400 Wörtern und den bisher fehlenden Zahlen, stellt sich konkret diese Frage bei diesem Beitrag wohl nicht mehr. Bleibt nur noch eine Sache unklar, denn warum ist ein Text über ein neues Smartphone spannend für jemanden mit einem Blog über Videospiele und die Videospielindustrie? Die Antwort lautet VR, es geht in Wirklichkeit um die Thematik der virtuellen Realität.
VR ist ein faszinierendes Thema und wird die nächsten Jahre viele digitale Erfahrungen ermöglichen und Videospiele werden ein essentieller Bestandteil davon sein. Die drei derzeit großen Hersteller stehen mit Oculus Rift, PlayStation VR und HTC Vive kurz vor dem tastsächlichen Start und werden nach einer mehrjährigen Hype-Phase wohl 2016 ein Jahr der ernüchternden Realität erleben. Der primäre Grund hierfür sind die noch zu hohen Anforderungen gegenüber dem Konsumenten. Die breite Masse ist nicht in Besitz eines Hochleistungs-PCs und wird auch nicht so schnell verstehen warum man sich zur 400 Euro teuren Videospielkonsole ein vermutlich ähnlich teures Zubehör kaufen sollte um für ein paar Minuten in fremde Welten eintauchen zu können. Die realistischere duale Lösung für den Durchbruch von VR? Die erste Hälfte ist ein Smartphone, die zweite Hälfte Brille auf Basis von Google Cardboard. Technologisch betrachtet ist die Gesamtlösung definitiv nicht auf dem Niveau der derzeit den VR-Hype dominierenden Hersteller, aber im Gegenzug dazu leistbar für jeden.
Diese Grundüberlegung führt mein Interesse in Richtung Smartphones, denn Smartphones werden für die breite Masse die künftige Basis und Einstiegserfahrung für VR-Erlebnisse darstellen. Das große Problem jedoch ist, dass sich der Markt für Smartphones in den letzten Jahren gewandelt hat. Sieht man sich die Verkaufszahlen der unterschiedlichen Geräte an, scheint es so, als gebe es nur ein Premiumsegment mit High-End-Geräten um 600 bis 700 Euro und den Einstiegsbereich mit Low-Cost-Geräte um bis zu 200 Euro. Für alle Geräte dazwischen ist die Nachfrage gering, wodurch immer mehr Hersteller immer weniger Geräte in diesem Segment produzieren. VR-Erlebnisse funktionieren jedoch erst ab einer gewissen Geräteleistung inklusive einem gutem Display und genau hier liegt die Anforderung für die Zukunft: Gut ausgestattet um alltäglichen Anforderungen zu erfüllen, genügend Leistungsreserven um künftige anspruchsvolle Anforderungen wie VR abdecken zu können und eine realistische Preisgestaltung bei passenden Rahmenbedingungen sowie guter Verarbeitung, sinnvoller Garantie und frühzeitigen Softwareupdates.
Fallen die drei Gigaset ME Modelle in diese Kategorie? Anhand der technischen Daten, einem Preispunkt von etwa 400 bis 500 Euro und dem was ich in Berlin gesehen und gefühlt habe eher schon. Kann ich es mit Sicherheit sagen? Nein, aber es spannend zu sehen, dass Gigaset versucht einen eigenen Weg zu gehen, auch wenn bei Gigaset die Relevanz von VR-Erlebnissen bei der Entwicklung vermutlich nicht direkt im Hauptfokus gestanden ist. Und wann kann ich es sagen? Sobald ich ein Gigaset ME Smartphone in eine POP! CARDBOARD 2.0 Brille gesteckt habe und damit ein Smartphone mit 20 Euro Zusatzkosten zu meiner persönlichen VR-Umgebung gemacht habe.
Hinweis hinsichtlich Transparenz: Die Teilnahme am Press Briefing und der Vorstellung der Gigaset ME Smartphones in Berlin erfolgte auf Einladung von Gigaset. Die Kosten für die Reise (Flug und Hotel) wurde von Gigaset übernommen.