Was weiß man über Ori and the Blind Forest anhand von anderen Berichten? Ein Plattformer der sich sehr sehr stark an klassischen Videopielprinzipen orientiert, sehr sehr stark Spielmechaniken von Videopielen wie Metroid oder Castlevania kopiert, ein sehr sehr starkes optisches sowie akustisches Erscheinungsbild hat, damit oberflächlich sehr sehr stark den teils hohen Schwierigkeitsgrad überblendet, sehr sehr stark die Balance in Bezug auf das Zusammenspiel von Frustration als auch Motivation hält und sehr sehr stark den Verfassern der Berichte gefällt. Trotz sehr vieler Wiederholung im letzten Satz ist Ori and the Blind Forest äußerst abwechslungsreich und hauptsächlich ein verdammt gutes Videospiel.
Das Thema eines Kurzberichts mit genau 100 Wörtern könnte ich dank des ersten Abschnitts dieses Textes von meiner Lebensliste streichen, auf der sich jedoch diese Herausforderung bisher nicht befunden hat. Aber weg vom Einheitsstandard, hin zu meinen Gedanken nach etwa 15 Stunden in der durchgehend äußerst hübschen Spielwelt. Einem Spielzeitraum in dem ich mehr als fünf Mal bis aufs äußerste frustriert war, wütend den Ausschalter meiner Konsole betätigt habe und nach mehrmaligen tiefen Durchatmen unmögliche Abschnitte fast schon souverän gemeistert habe. Voller Sequenzen die immer auf denselben Grundprinzipien basieren, sich jedoch gefühlt nicht wiederholen. Die Faszination hinsichtlich des Spielgefühls ist jedoch so groß, dass ich derzeit mitten in der dritten Wiederholung bin und den Drang verspüre wirklich alles im Spiel zu entdecken und zu erleben.
Was bei mir am stärksten in Erinnerung geblieben ist, ist das Brechen der mittlerweile allgegenwärtigen und ungeschriebenen Videospielgesetze. Dinge auf die man als Spieler seit Jahren konditioniert wurde, Funktionen die man mittlerweile als selbstverständlich annimmt und Elemente die man erwartet ohne es zu merken. Ori and the Blind Forest bricht das Regelwerk. Automatisches Speichersystem? Nein. Dinge die auf Knopfdruck aufleuchten und Geheimgänge die offensichtlich ins Auge springen? Fehlanzeige. Ein Tutorial oder Bildschirmhinweise die neue Funktionen erklären oder einführen? Überbewertet. Mir ist kein anderes Spiel aus den Jahren 2014 oder 2015 bekannt, welches so konsequent die Optimierung in Bezug auf eine möglichst breite Massenkompatibilität vernachlässigt. Es ist Jahre her seitdem ich ein Videospiel ohne automatische Speicherfunktion gespielt habe und noch viel länger in Hinblick auf die Limitierung der Speicherfunktion. Das Brechen des Regelwerks und der offensichtliche Optimierungsverzicht klingen zwar schlecht, bilden aber eine perfekt umgesetzte und treibende Kraft des Spiels.
Der zweite wichtige Faktor ist die audiovisuelle Erfahrung, die unbewusst eine faszinierende emotionale Verbindung schafft. Ori and the Blind Forest ist hübsch, äußerst hübsch und das fällt auch sofort auf. Alles, damit ist wirklich alles gemeint, ist wunderschön und wie aus einer Feder. Nichts wirkt kopiert oder mehrfach benutzt, es ist einfach von Anfang bis Ende ein unglaublicher optischer Höhepunkt, dem die Screenshots auf dem offiziellen Webauftritt nicht annähernd gerecht werden. Viel intensiver wirkt jedoch der Soundtrack. Dieser passt und unterstützt so dermaßen perfekt, dass er mir im ersten Durchgang nicht einmal bewusst aufgefallen ist. Erst nach dem ersten Beenden des Spiels und während der Liste der Mitwirkenden wurde mir die Kraft der Hintergrundmusik selbst bewusst. In perfekter Harmonie zwischen Optik und Akustik entstand für mich unbewusst eine der intensivsten und emotionalsten Spielererfahrungen überhaupt. Gareth Coker, dem Komponisten des Soundtracks, ist meinem Empfinden nach ein akustisches Meisterwerk gelungen. Um zumindest annähernd dieses Gefühl selbst zu empfinden, hilft es den Launch Trailer anzusehen. Die Lautstärke hochdrehen, das Video starten und einfach nur wirken lassen. Direkt danach das Video erneut starten, aber jetzt mit geschlossenen Augen die Musik erleben. Gänsehaut und eine Häufung von Emotionen innerhalb von 90 Sekunden sind garantiert.
Ebenso wichtig ist der dritte Aspekt, welcher unter dem Schlagwort Pixel-Perfektion zusammengefasst werden kann. Keine Ahnung ob Ori and the Blind Forest tatsächlich auf den Pixel hin perfekt ist, das Empfinden während des Spiels ist jedoch so. Im direkten Vergleich mit anderen aktuellen Spiele ist Ori and the Blind Forest schwer. Jeder falsche Sprung oder jede falsche Bewegung führt zum Tod. Zurück zum letzten manuellen Speicherpunkt, denn ein automatisches Speichersystem gibt es nicht. In manchen Sequenzen kann man nicht speichern und jeder noch so kleine Fehler bedeutet das Zurück zum Start. Man lernt durch das Versuchen und Scheitern, hat aber niemals den Eindruck das Spiel ist unfair. Es ist auch nicht die punktgenaue Steuerung der Grund für das Versagen, der Grund ist immer hinter dem Eingabegerät, es ist man selbst. Man trainiert Abschnitte, man übt Sequenzen und nach zig Anläufen meistert man einen Abschnitt und ist einfach nur stolz auf sich. Zu Beginn unmögliche Sequenzen werden schaffbar, werden zur Regel und danach fast schon zum Kinderspiel. Der Spielaufbau von Ori and the Blind Forest unterstützt dies mit einem durchgehenden Konzept bei der Einführung erforderlicher Spielmechaniken. Zuerst zwingend in geschützter Umgebung ohne der Möglichkeit zu scheitern, danach punktuell unter Gefahr, später vermehrt unter stark gestiegener Gefährdung und zum Höhepunkt noch unter zusätzlichen massiven Zeitdruck. Die Formel ist immer dieselbe und es liegt immer in der Hand des Spielers. Nichts ist dem Zufall überlassen, alles ist perfekt inszeniert und geplant. Es gilt dies zu erkennen und zu verstehen um schließlich dank der Pixel-Perfektion nicht nur zufrieden, sondern auf sich selbst stolz zu sein.
Ori and the Blind Forest ist eine moderne Liebeserklärung an die klassischen 2D-Plattformer der 8 und 16-Bit Ära. Jegliches Lob in diesem oder anderen Berichten ist mehr als nur gerechtfertigt und die Moon Studios zeigen mit dem Titeln einen möglichen Weg außerhalb von AAA-Spieleproduktionen vom Fließband. Jegliche Diskussion ob es sich um einen Indie Titel oder ob es sich aufgrund des leitenden Österreichers Thomas Mahler im Team um ein Spiel aus Österreich handelt ist unnötig. Ori and the Blind Forest ist ein Pflichtspiel für jeden Videospieler und obwohl wir erst Ende März haben, ist Ori and the Blind Forest meiner Ansicht nach ein fixer Anwärter auf das Spiel des Jahres. Selten, nein noch nie, habe ich auch nur annähernd ein solch perfekt aufeinander abgestimmtes Spiel erleben dürfen und die künftige Messlatte ist durch Ori and the Blind Forest deutlich gestiegen.
Gespielt wurde die Xbox One Version und nach dem ersten Durchgang folgte sofort der zweite Durchgang. Die Spielerfahrung ist unheimlich schwer in Worte zu fassen, da die Reihung der ausschließlich positiven Aspekte eigentlich schon unrealistisch oder gar gekauft erscheint. Ori and the Blind Forest ist Anfang März für die Xbox One sowie den PC erschienen und kann sollte für 20 Euro im Xbox Store oder auf Steam gekauft werden. Die passende Xbox Live Guthaben Karte gibt es unter anderem bei Amazon*. Gleiches gilt übrigens für den grandiosen Soundtrack als MP3 Download*. Hinweis hinsichtlich Transparenz: Microsoft hat mir einen Xbox One Download Code für Ori and the Blind Forest zur Verfügung stellt.